Die Crux mit dem Stoff: Wie sicher sind die Termine im Kreisimpfzentrum Meßstetten?

Von Michael Würz

Das Land vergibt Impftermine allein auf Basis von Lieferzusagen. Astra-Zeneca reduziert seine zugesagte Liefermenge. In Tübingen werden knapp 1000 Termine erst ab- und dann wieder zugesagt. An der Meßstetter „Impf-Basis“ wird unterdessen aber auch Kritik am komplexen Buchungssystem laut. Und die vom Land eingeführte Warteliste wirft viele Fragen auf – die das Sozialministerium unbeantwortet lässt.

Die Crux mit dem Stoff: Wie sicher sind die Termine im Kreisimpfzentrum Meßstetten?

Zu viel versprochen: Astra-Zeneca liefert weniger Impfstoff als angekündigt.

Unterschiedlicher könnten die Meinungen kaum ausfallen: Da sind, auf der einen Seite, diejenigen, die bereits im Kreisimpfzentrum in Meßstetten geimpft wurden. Sie sind, so scheint es, ausnahmslos begeistert – mit der Organisation, mit der Abwicklung, mit der persönlichen Betreuung. Auf die Fahne schreiben darf sich dieses Lob Stefan Hermann, Kreisbrandmeister im Zollernalbkreis, der während der Pandemie im vergangenen Jahr Chef des neuen Amts für Bevölkerungsschutz wurde und nun konsequenterweise auch den Hut in der ehemaligen Kaserne aufhat.

Viele Impfwillige verzweifeln

Auf der anderen Seite aber scheint der Frust grenzenlos. Er entlädt sich dieser Tage auch in zahllosen Schilderungen von ZAK-Lesern, die unserer Redaktion ihr Leid klagen: Impfberechtigte scheitern beim Versuch, einen Termin zu buchen, verzweifeln an der Hotline 116117 oder kommen bei der Onlinebuchung schlicht nicht weiter. Und dann war da in dieser Woche auch noch eine weitere Hiobsbotschaft: Astra-Zeneca kann seine zugesagten Impfstofflieferungen nicht einhalten. Die Folge: Im Impfzentrum Tübingen mussten knapp 1000 bereits vergebene Termine zunächst wieder abgesagt werden (wir berichteten). Am Donnerstagabend dann die ziemlich sportliche Rolle rückwärts: Das Land hat eine Sonderlieferung von Biontech beschafft.

Termine für Zweitimpfung werden neu vergeben

Damit können im Impfzentrum Tübingen alle geplanten Erstimpfungen nun doch wie geplant stattfinden, heißt es in einer Pressemitteilung. Die entsprechenden Zweitimpfungen würden vor Ort neu vergeben – schließlich ist der Abstand zwischen beiden Impfungen bei Biontech kürzer. Tübingens Landrat Joachim Walter dankte sogleich Sozialminister Manne Lucha für „dessen Engagement, den Bürgerinnen und Bürgern auf diese Weise zu ihrer Impfung zu verhelfen“.

Eine gehörige Portion Chaos

Ein gekonnter Schachzug inmitten der Mangelverwaltung? Ja, für Beobachter aber auch ein weiteres Zeichen für eine gehörige Portion Chaos, das längst nicht mehr nur an den Nerven Impfwilliger zehrt, sondern auch bei den Verantwortlichen an der Impf-Basis. Der ZAK wollte deshalb wissen: Wieso ist Tübingen in besonderem Ausmaß betroffen? Und wie sicher sind die vergebenen Termine in Meßstetten? Tübingen, ließ das baden-württembergische Sozialministerium am Donnerstag verlauten, sei als Sonderfall zu betrachten. Dies deshalb, weil dort in den vergangenen Wochen bereits besonders viel Impfstoff von Astra-Zeneca verimpft worden sei.

Auch Meßstetten ist betroffen, nicht nur Tübingen

Allerdings: Betroffen sind auch andere Impfzentren im Land – eben auch das Kreisimpfzentrum in Meßstetten. Dessen Chef Stefan Hermann spricht von 100 Impfdosen, die in Meßstetten demnächst fehlen. „Wir können dieses Defizit momentan noch mit unserer Sicherheitsreserve ausgleichen“, sagt Hermann. Was aber bedeutet „noch“? „Die Terminplanung für die nächsten Wochen erfolgt auf Grundlage der Lieferankündigungen des Sozialministeriums, nicht auf Grundlage von tatsächlich im Impfzentrum vorhandenem Impfstoff“, sagt Hermann. „Diese Vorgehensweise ist so vorgeschrieben.“ Ginge es nach Hermann, würden nur Termine für tatsächlich im KIZ vorhandenen Impfstoff vergeben.

Stimmen aus der Praxis werden im Ministerium nicht erhört

Genau dafür hatten sie sich im Landratsamt eingesetzt. Ohne Erfolg: „Dies wurde vom Sozialministerium leider abgelehnt“, bedauert Hermann, dessen Zweifel angesichts des Liefer-Wirrwars um Astra-Zeneca greifbar werden, sich gar jetzt schon zu bestätigen scheinen. Hermann betont: „Nach dem jetzigen Verfahren besteht das Risiko, dass bei Lieferausfall oder bereits bei Lieferverzögerungen Termine abgesagt werden müssen.“ Auf der Hand liegt da die Vermutung, dass man im Sozialministerium unter dem hohen Druck, Impftermine anbieten zu wollen, den Risiko-Modus gewählt hat. Eine Anfrage des ZOLLERN-ALB-KURIER im Februar ließ das Ministerium bis heute unbeantwortet.

Das Buchungssystem ist komplex

Mängel machen sie an der Meßstetter Impf-Basis derweil auch am Online-Buchungssystem aus. Dass dort sowohl der Termin für die Erst- wie auch die Zweitimpfung gebucht werden muss, mache das System komplex, ist von Stefan Hermann zu erfahren. Denn das unterscheide im Hintergrund nicht zwischen Erst- und Zweittermin. Neben einem System, das dazu in der Lage ist, „wäre es aus unserer Sicht sinnvoll und möglich gewesen, nur Ersttermine zu buchen und die Zweittermine im Impfzentrum zu vereinbaren“, sagt Hermann, dem es an dieser Stelle nicht an Erfahrung mangelt – Stichwort Terminvergabe in der Balinger Corona-Schwerpunktambulanz. „Unsere Erfahrungen konnten wir jedoch leider beim Sozialministerium nicht entsprechend platzieren“, konstatiert Hermann.

Viele Fragen unserer Zeitung bleiben unbeantwortetAus unzähligen Schilderungen unserer Leser wissen wir: Besonders undurchsichtig bei der Terminvergabe erscheint den Impfwilligen die vom Land eingeführte Warteliste, auf die auch die Kreisverwaltung keinen Zugriff hat. Der ZAK wollte deshalb bereits am 23. Februar vom baden-württembergischen Sozialministerium wissen: Wie lang ist die Warteliste? Wie wird sie abgearbeitet – und nach welchen Kriterien? Werden Impfwillige auf der Warteliste bereits vom Gesamtkontingent abgezogen, wenn neue Termine freigeschaltet werden? Und, auch damals schon: Wie sicher sind die vergebenen Termine, die ausschließlich auf Lieferzusagen der Hersteller beruhen? Ein Ministeriumssprecher teilte unserer Zeitung seinerzeit mit, man arbeite „mit Hochdruck an den Fragen“. Das Ministerium erbat einen Tag Aufschub – aufgrund der Vielzahl an Medienanfragen. Die unserer Zeitung blieben bis heute unbeantwortet.