Die Behörde prüft - aber reicht der Wind aus für ein Ja zum Windpark Winterlingen?

Von Gudrun Stoll

Die Zeit war zu knapp bemessen. Das Landratsamt hat die Erörterung zum geplanten Winterlinger Windpark ein zweites Mal verschoben. Fest steht: Vor den Sommerferien wird nicht diskutiert. Projektgegner Herbert Bitsch begrüßt, dass intensiv geprüft wird – zumal der neue Windatlas die Argumente der Gegner stärke.

Die Behörde prüft - aber reicht der Wind aus für ein Ja zum Windpark Winterlingen?

Windkraftanlagen gehören in vielen Teilen Deutschlands mittlerweile zum Landschaftsbild. Auch in der Ostsee – unser Bild ist bei Dänemark enstanden – wird die Küste von Offshore-Anlagen gesäumt.

Ende Mai wollte das Landratsamt des Zollernalbkreises den ursprünglichen Planungen zufolge zum öffentlichen Erörterungstermin einladen. Nachdem jedoch weit über 3000 Einwendungen zum Bau der sieben Windräder eingegangen sind, wurde der Termin auf den 23. Juli verschoben.

Neue Richtwerte - neue Bewertung?

Doch seit Ende Mai liegt auch der neue Windatlas des Landes vor, dem differenzierte Parameter zur Messung der Windgeschwindigkeit zugrunde liegen. Muss das Landratsamt neu justieren und prüfen, ob das Projekt Winterlingen mit den neuen Kerngrößen kompatibel ist? Fakt ist, dass auch der Termin am 23. Juli nicht zu halten ist und die öffentliche Erörterung erneut verschoben wurde.

Noch steht kein Datum fest. Vor den Sommerferien wird es aber auf keinen Fall zur Sache gehen, teilt die Pressestelle mit. Es dürfte wohl Frühherbst werden. Als Grund für die Verlegung wird die umfangreiche Bearbeitung der Vielzahl der weit über 3000 abgegebenen Einwendungen und deren zum Teil inhaltliche Komplexität genannt.

Die Bürgerinitiativen Bitz und Winterlingen packen den Sachverhalt in eine verständlichere Sprache: Der Windpark rechne sich nicht, verwiesen die Gegner des Projektes erst vor wenigen Tagen bei einem Pressegespräch auf das neue Meßverfahren, das die Windgeschwindigkeit in Watt pro Quadratmeter erfasst. Nach dieser neuen Berechnung erreiche das Gelände auf der Albhöhe den vom Umweltministerium für einen wirtschaftlichen Betrieb vorgegebenen Mindestrichtwert von 205 W/qm nicht. Gemessen werde rund um Bitz und Winterlingen eine mittlere Windleistungsdichte von 105 bis 145 W/qm.

Botschaft ist angekommen

Von der abermaligen Verschiebung des Erörterungstermins zeigt sich Herbert Bitsch, Einzelkämpfer und Sprecher der Bürgerinitiativen, nicht überrascht. Er gehe davon aus, dass die Botschaft der fast 4000 Einwendungen beim Landratsamt angekommen sei, die Behörde nun ihren Job mache und sich „nicht von politischen Vorgaben und der Marktposition der Windkraftbetreiber beeinflussen lässt“, schreibt der Winterlinger in seiner Stellungnahme.

Mit allzu leichter Feder genehmigt

Genau dies sei nämlich bei der Genehmigung der vier Windkraftanlagen im Dezember 2016 der Fall gewesen. Die Einwendungen zu den Gefahrenthemen Erdbeben, Gesundheit, Trinkwasser und Infraschall sowie zum Arten- und Landschaftsschutz und der Wirtschaftlichkeit zeigten deutlich, dass das Landratsamt diese mit „allzu leichter Feder genehmigt“ habe. Das Landratsamt selbst habe eigene Bedenken schön geredet und wohl nicht damit gerechnet, dass er zum Verwaltungsgericht gehen werde, ruft Bitsch die Vorgeschichte in Erinnerung.

Auch den Widerspruch der Naturschutzinitiative (NI) wegen Verletzung des Artenschutzes „hatte das Landratsamt nicht auf dem Radar“, setzt der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer aus Winterlingen seine persönlich gefärbte Kritik fort. Der Bauantragsteller (Windpark Winterlingen-Alb GmbH & Co. KG/Vortex mit Sitz in Kassel) scheine sich seiner Sache weiterhin sehr sicher zu sein. Nur so könne er sich die mehr als 41 aufgezeigten Mängel und Differenzen in den Bauantragsunterlagen erklären.

Durchwinken geht nicht

Die Einwendungen zur mangelnden Wirtschaftlichkeit würden durch den neuen Windatlas vollumfänglich bestätigt, geht Herbert Bitsch konform mit seinen Mitstreitern aus den beiden Bürgerinitiativen in Bitz und Winterlingen. Das Landratsamt in Balingen könne das selbst angezweifelte und nicht den Vorgaben Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) konforme Windgutachten kein weiteres Mal durchwinken und die Wirtschaftlichkeit abnicken.

Bei den sieben Anlagen gehe es jetzt beim Artenschutz um eine Ausnahmegenehmigung vom Tötungsverbot. Diese Ausnahmegenehmigung, so Bitsch, könne seiner Meinung nach unter keinen Umständen ausgesprochen werden.

Wie funktioniert das Verfahren?

Doch wie funktioniert ein öffentlicher Erörterungstermin? Das Landratsamt in Balingen klärt auf: Alle bei der Genehmigungsbehörde eingegangenen Einwendungen und Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange werden in Vorbereitung auf den Erörterungstermin katalogisiert und dem Antragsteller zur Beantwortung vorgelegt. Im Erörterungstermin werden diese eingebrachten Einwendungen besprochen.

Rederecht für alle Einwender

Der Erörterungstermin ist öffentlich. Ein Rederecht haben allerdings nur diejenigen Teilnehmer, die form- und fristgerecht Einwendungen gegen das Vorhaben geltend gemacht haben. Zur Erörterung der Einwendungen werden Themenblöcke gebildet, die in einer Tagesordnung festgelegt werden und alle vorgebrachten Themen abdecken. Diese Themen und die damit verbundenen Einwendungen werden im Erörterungstermin einzeln abgearbeitet und jeder Einwender hat die Möglichkeit, sich zu seiner vorgebrachten Einwendung zu äußern.

Über den gesamten Termin wird während der Erörterung ein Protokoll geführt, welches auf Wunsch nach Fertigstellung durch die Einwender als Abschrift verlangt werden kann. Alle eingebrachten Einwendungen werden von der Genehmigungsbehörde im Hinblick auf die Entscheidung über die Genehmigungsfähigkeit des Antrags berücksichtigt. Der Termin soll, so jedenfalls ist es geplant, in der Festhalle in Winterlingen stattfinden. Er kann mehrere Tage dauern.

Noch keine Entscheidung

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Am Ende des Erörterungstermins steht noch keine Entscheidung darüber, ob die Anlagen genehmigt oder abgelehnt werden. Vielmehr geht die Stoffsammlung in eine erneute Prüfung. Das Landratsamt wird seine Entscheidung dann zu einem späteren Zeitpunkt verkünden.