⚡ Google AMP Ansicht ⚡

Die 112 soll in Balingen bleiben

Von Michael Würz

Feuerwehr und Rotes Kreuz im Zollernalbkreis wollen ihre Leitstelle behalten – mit Mitarbeitern, die sich vor Ort auskennen. 

An seinem Arbeitsplatz nimmt der Disponent Notrufe entgegen, alarmiert in der Regel nach wenigen Sekunden Rettungswagen und Notarzt und gibt im Ernstfall auch Hinweise zur Wiederbelebung am Telefon. Alle Einsatzfahrzeuge und Hubschrauber kann er per GPS auf dem Bildschirm orten.

Geht in der Rettungsleitstelle in Balingen ein Notruf ein, dauert es meist nur wenige Sekunden, bis der Disponent Rettungswagen und Notarzt auf den Weg schickt. Auch dann, wenn der Anrufer einen Unfall etwas unpräzise im „Fuchsloch“ meldet oder in der „Wessinger Senke“.

Die Disponenten, die im DRK-Gebäude am Rande der B27 die Anrufe auf der 112 entgegennehmen, kennen sich aus im Landkreis. Sie sind seit Jahren im Geschäft, häufig Gewächse der örtlichen Feuerwehren und DRK-Ortsvereine. „Die Mitarbeiter identifizieren sich mit ihrer Arbeit und der Region“, sagt Dieter Fecker, Leiter des DRK-Rettungsdienstes im Zollernalbkreis. „Wir wissen, wer nachts das Flutlicht auf dem Sportplatz einschalten kann, wenn der Hubschrauber landen muss.“

Die ländliche Struktur – für die Verantwortlichen des DRK-Kreisverbands ist sie ein echtes Qualitätsmerkmal. „Oft sind es die kleinen Dinge, die feingliedrig ineinandergreifen und uns leistungsstark machen“, sagt Fecker. Erst 2014 war die Rettungsleitstelle im Zollernalbkreis renoviert worden. Seither gilt sie als eine der modernsten in Baden-Württemberg.

Eine Doppelbesetzung der Leitstelle rund um die Uhr? Im Zollernalbkreis längst Alltag. Eine standardisierte Notrufabfrage? Im Zollernalbkreis aktuell in Planung. Punkte wie diese hatten sie bei CDU und Grünen im Auge, als die Prüfung der Leitstellenstruktur im Koalitionsvertrag der Landesregierung landete.

Nun hat, wie bereits berichtet, eine Lenkungsgruppe im Innenministerium die Arbeit aufgenommen. Sie soll prüfen, ob – ähnlich wie vor Umsetzung der Polizeireform – Handlungsbedarf besteht, die lokalen Leitstellen zu sogenannten Regionalleitstellen zusammenzulegen. Diese wären für mehrere Landkreise zuständig. „Ganz im Gegenteil“, sagen sie unisono in der Kreisspitze des Roten Kreuzes.

„Noch nicht einmal die Kosten würden reduziert“, vermutet Alwin Koch, Chef der Balinger Rettungsleitstelle, die zu 50 Prozent vom Roten Kreuz und zu 50 Prozent von der Feuerwehr getragen wird. Dass Kreisbrandmeister Stefan Hermann in einer Untergruppe des Lenkungskreises sitzt, stimmt Heiko Lebherz, seit 2016 Vorsitzender des Roten Kreuzes im Zollernalbkreis, hoffnungsvoll. „Wir haben das Landratsamt auf jeden Fall hinter uns“, sagt er. „Und auch von der Politik haben wir Rückenwind.“

Kürzlich erst hatte die Vorsitzende der Kreis-CDU, Nicole Hoffmeister-Kraut, per Pressemitteilung angekündigt, in der Angelegenheit auf Innenminister Thomas Strobl einwirken zu wollen. Geradezu unsinnig sei eine Großleitstelle bei Flächenereignissen, wie sie bei Rettungsdienst und Feuerwehr beispielsweise Unwetter bezeichnen. „Der Hagel macht ja nicht an Kreisgrenzen halt“, sagt Rettungsdienstleiter Dieter Fecker, zugleich Kommandant der Feuerwehr Bisingen. Die Disponenten in einer zentralen Leitstelle wären dann plötzlich für ein riesiges Einsatzgebiet zuständig.

Für äußerst sinnvoll hingegen hielte Fecker die Einführung eines einheitlichen Einsatzleitrechnersystems in ganz Baden-Württemberg. Wenngleich die Ausfallsicherheit der Rettungsleitstelle in Balingen bereits heute hoch sei, wie der DRK-Kreisvorstand betont. Die Balinger Leitstelle verfügt gleich über mehrere doppelte Böden, beispielsweise im Falle eines längeren Stromausfalls oder einer Katastrophe. Zehn bis 14 Tage lang könne die Leitstelle in Balingen problemlos unabhängig vom Stromnetz betrieben werden, versichern die Verantwortlichen. Akkus, ein Notstromaggregat, eine Leitung, über die das Technische Hilfswerk Strom einspeisen kann – im Zollernalbkreis halten sie sich für gut gerüstet.

„Alle vier bis sechs Wochen mache ich das Haus komplett platt“, sagt Leitstellenchef Alwin Koch. Dann testet er, ob die Rückfallebenen für den Ernstfall funktionieren. Das Gebäude selbst verfügt über Zugangsbeschränkungen, die Leitstelle befindet sich im oberen Stockwerk. „So haben wir maximalen Schutz vor Vandalismus“, sagt Koch.

Zudem ist das Gebäude videoüberwacht, die Brandschutzmaßnahmen sind hoch. Auch die Alarmierung der Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rotem Kreuz und Technischem Hilfswerk sei gesichert, notfalls beispielsweise aus sogenannten Alarmierungskoffern heraus. Auch im Landratsamt haben sie derlei Geräte untergebracht.

Kommt es zu größeren Unglücken oder Katastrophen, können acht Notrufabfrageplätze zusätzlich aktiviert werden. Nicht nur deshalb will DRK-Chef Lebherz die Leitstelle erhalten. „Wir erfüllen bereits heute die Anforderungen“, sagt er. Und genau wie Rettungsdienstleiter Fecker hält er – wenn jede Minute zählt – die Ortskenntnis der Mitarbeiter für unverzichtbar.

 

Die Leitstelle Zollernalb in Zahlen

16 Disponenten und weitere Mitarbeiter arbeiten in der Rettungsleitstelle von Feuerwehr und Rotem Kreuz in Balingen. Hier laufen alle Notrufe an die Nummer 112 auf, werden Krankenfahrten und Hausnotrufe koordiniert.

100 Notrufe gehen im Schnitt täglich in der Rettungsleitstelle ein, 36.000 im Jahr. Im 24-Stunden-Betrieb muss daher rechnerisch alle 15 Minuten ein Notruf abgearbeitet werden. Bei der Leitstelle Zollernalb bereits heute üblich: Telefonreanimationen, bei denen Disponenten Hilfesuchende bei Wiederbelebungsmaßnahmen anleiten. Weitere Aufgaben: zum Beispiel die Überwachung des Tunnels auf der B463 in Laufen per Videokameras.

42.000 DRK-Einsätze koordinierten die Disponenten im vergangenen Jahr, rund 13 000 Mal war ein Rettungswagen erforderlich, rund 5000 Mal der Notarzt. Knapp 24.000 Mal koordinierten die Disponenten Krankentransporte.