Des einen Lust, des andern Frust: Empörungswelle nach lauten Böllern in Tailfingen

Von Dagmar Stuhrmann

Michael Schien hat für sein Feuerwerk an Montagabend viel Kritik einzustecken. Der 38-Jährige aus Tailfingen stellt im Gespräch mit dem ZAK klar: Für sein Hobby habe er einen Schein erworben, der es ihm erlaube, spezielle Kracher zu verschießen. Eine fristgerechte Anmeldung beim städtischen Ordnungsamt genüge.

Des einen Lust, des andern Frust: Empörungswelle nach lauten Böllern in Tailfingen

Keine simplen Raketen: Michael Schien verwendet bei der Ausübung seines Hobbys Rohre und Kugelbomben.

Kurz nach 21 Uhr am Montagabend gab’s für viele Albstädter ungewollt und unerwartet einiges auf die Ohren: Die bunten Lichter, die Michael Schien – der sich später auf Facebook als Verursacher des Feuerwerks auf Stiegel zu erkennen gab – in den Himmel schickte, wurden von einem Höllenlärm begleitet, der nicht nur die Stiegel-Bewohner in Tailfingen aufschreckte. Das Glitzern am Himmel fanden zwar viele schön, das damit einhergehende Knallen allerdings nicht. Auf die „Kanonenschläge“ hin meldeten sich zahlreiche besorgte Anrufer auch aus anderen Stadtteilen, unter anderem Onstmettingen und Pfeffingen, bei der Polizei, die daraufhin eine Streife vorbeischickte.

Schwerwiegende Detonationen

Wie sich herausstellte, hatte alles seine Ordnung. Das Feuerwerk war angemeldet und genehmigt, so das Fazit. Trotzdem erhitzt der damit verbundene Lärm auch am Tag danach noch die Gemüter. Joachim Wagner, der in der Oberen Markenhalde in Tailfingen wohnt – also ein gutes Stück entfernt – berichtet beispielhaft von seiner Bestürzung, dass „so etwas“ genehmigt werde. Es habe sich nicht um normale Böller oder Knallfrösche gehandelt, sondern um „schwerwiegende Detonationen“, die eine ganze Menge Leute in Unruhe gebracht hätten. „Die Schläge waren so heftig, dass ich dachte, jetzt haut es gleich die Scheiben raus“, beschreibt Wagner das Erlebte.

Eindeutig Grenze überschritten

„Hier wurde eindeutig eine Grenze überschritten“, meint Joachim Wagner und spricht damit vermutlich vielen anderen aus dem Herzen. „Es kann ja wohl nicht sein, dass da einer sein Hobby auslebt und ein ganzer Stadtteil deshalb bluten muss.“ Kritisch zu hinterfragen wäre seiner Meinung nach dabei auch nicht nur die Frage des Tierschutzes, sondern ebenso der Aspekt, dass die Polizeileitung am Montagabend aufgrund der vielen Anrufe wegen der Knaller blockiert gewesen wäre. „Was wäre gewesen, wenn es einen Notfall gegeben hätte?“

Narrenzunft: Misst Stadt mit zweierlei Maß?

Kritik gibt‘s auch von anderer Seite. Sie richtet sich ans Ordnungsamt: Die Lautlinger Narrenzunft Kübelehannes mutmaßt, dass die Stadt Albstadt mit zweierlei Maß messe. Die Zunfthabe coronakonform beantragt, den damals (Januar 2021) noch stehenden Weihnachtsbaum in einen Narrenbaum umzuwandeln. „Das Ganze ohne Feier und Ansammlung von Menschen“, sagt Zunftmeister Micha Fürst. „Die Ablehnung erfolgte prompt.“ Andererseits genehmige dasselbe Amt unbürokratisch am 1. März ein professionelles Großfeuerwerk in Tailfingen - unverständlich für die Narren.

Geburtstagsfeuerwerk für die Freundin

Michael Schien, der auf Stiegel wohnt und dort schon öfter private Feuerwerke veranstaltet hat, kann die Aufregung um sein Geburtstagsfeuerwerk für seine Freundin nur zum Teil verstehen. „Ich bin ausgebildeter Pyrotechniker“, sagt er auf Nachfrage des ZAK. Das bedeutet: Er hat einen mehrtägigen Lehrgang, für den auch weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen, absolviert und dadurch einen Schein erworben, der es ihm erlaubt, Feuerwerke ohne spezielle Genehmigung abzuschießen.

Kugelbomben in verschiedenen Größen

Das Feuerwerk am Montag bei dem ausschließlich professionelles Feuerwerk mit Kugelbomben – die es in verschiedenen Größen gibt – und Feuerwerksbatterien speziell für ausgebildete Feuerwerker zum Einsatz gekommen sei, habe er gemäß der Sprengstoffverordnung ordnungsgemäß 14 Tage vorher bei der Stadt Albstadt angemeldet.

Fristgerechte Anmeldung genügt

„Ich muss das fristgerecht anzeigen, das genügt“, erzählt er. Etwaige Auflagen – wie etwa Abstandsvorgaben – muss er dann zwar einhalten, doch wenn er dies mache, könne ihm das städtische Ordnungsamt sein Hobby auch nicht verbieten. Dass in diesem Punkt nichts versäumt wurde, wird auch von der Stadtverwaltung bestätigt.

Knall ist nicht zu vermeiden

Bei den von ihm verwendeten Kugelbomben sei der begleitende Knall nicht zu vermeiden, sagt Michael Schien. Für Laien ohne Lehrgang und Schein seien diese Kugelbomben nicht geeignet. Sie gehören laut Schien in die Kategorie F4 – das sind die richtig schweren „Geschütze“, an die sich nicht jeder heranwagen darf. Die Einteilung ist simpel: Feuerwerkskörper der Kategorie F1 dürfen bereits Zwölfjährige zünden, solche der Kategorie F2 kommen beim landläufigen Silvesterfeuerwerk zum Einsatz, für Kategorie F3 braucht’s, anders als bei F4, keinen Lehrgang.

Thema Sicherheit spielt große Rolle

Das Thema Sicherheit spiele für ihn eine große Rolle, sagt Michael Schien. Die Anwohner habe er auch zuvor über das Feuerwerk informiert. Ein Mehr an öffentlicher Vorab-Info, etwa über Zeitungsanzeigen, sei ihm aber nicht erlaubt. „Dann wäre die Gefahr zu groß, dass Hunderte von Menschen zusammenkämen.“

Kritik von Tierhaltern

Die Kritik der Tierhalter an der lauten Knallerei verstehe er: „Aber man muss uns Feuerwerker auch verstehen: Wir wissen nicht, wer ein Tier zuhause hat.“ Laut Schien, der selbst Hundehalter sei, waren beim Abbrennen des Feuerwerks mehrere Hunde anwesend: „Die haben nicht mal gebellt, sind ruhig dagesessen und haben zugeguckt.“ Ob Tiere von Feuerwerk gestört werden oder nicht, sei Erziehungssache, findet Schien: „Meinem Hund macht das nichts aus.“