Stuttgart

Der neue „Lockdown“: Kitas und Schulen offen, Gastronomie dicht, Arbeiten bitte von zuhause

28.10.2020

Von Michael Würz

Der neue „Lockdown“: Kitas und Schulen offen, Gastronomie dicht, Arbeiten bitte von zuhause

© Screenshot Youtube

Die Corona-Karte von Baden-Württemberg: vor einem Monat noch gelb, heute rot.

Es drohe eine akute, nationale Gesundheitsnotlage: Mit diesen Worten hat sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Mittwochabend an die Bevölkerung gewandt – und die neuen Corona-Maßnahmen erklärt.

Man müsse das Coronavirus noch entschiedener bekämpfen, denn „die Lage hat sich dramatisch zugespitzt“, sagte Kretschmann in seiner Videoansprache nach der heutigen Ministerpräsidentenkonferenz, in der ein neuer Teil-Lockdown ab 2. November beschlossen wurde.

Nachbarländer als eindringliche Mahnung

„Es geht um Schnelligkeit, Entschlossenheit und Konsequenz“, sagte Kretschmann weiter. „Ansonsten kommen wir in eine Situation, in der wir die Kontrolle über das Virus verlieren.“ Dies sehe man in Nachbarländern wie Holland und Tschechien, wo es nicht mehr gelinge, alle Corona-Patienten zu behandeln. In Belgien müssten gar Ärzte, die sich selbst mit dem Coronavirus infiziert haben, zum Dienst erscheinen, in Warschau sei das Fußballstadion zur Corona-Klinik umfunktioniert worden.

Auch in Deutschland seien die Gesundheitsämter trotz der Unterstützung durch die Bundeswehr mancherorts bereits nicht mehr in der Lage, die Infektionsketten nachzuverfolgen. Kretschmann betonte außerdem: „Die Zahl der Patienten, die auf der Intensivstation behandelt werden, verdoppelt sich alle acht Tage. Wenn wir diese Entwicklung nicht bremsen, sind die Intensivstationen bis Nikolaus voll.“ Dies zwinge die Verantwortlichen zu weiteren harten Maßnahmen.

Kitas und Schulen offen – dafür Einschnitte an anderer Stelle

„Für mich ist klar“, sagte Kretschmann, „dass wir Kitas und Schulen offen und die Wirtschaft am laufen halten“. Dies allerdings erfordere in anderen Bereichen entschlossenes Handeln. Deshalb hätten die Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin die folgenden Maßnahmen beschlossen, die ab dem 2. November gelten:

  • Im öffentlichen Raum dürfen sich nur noch Personen aus zwei Haushalten treffen, insgesamt höchstens zehn.

  • Freizeiteinrichtungen werden geschlossen, etwa Theater, Kinos, Freizeitparks, Spielhallen, Fitnessstudios, Schwimmbäder. Auch der Freizeit- und Amateursport wird untersagt.

  • Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen, werden verboten. Profisport ist nur noch ohne Zuschauer erlaubt.

  • Gastronomiebetriebe wie Bars, Clubs und Kneipen werden geschlossen. Die Lieferung und Abholung von Speisen bleibt erlaubt.

  • Unternehmen werden aufgefordert, wo immer möglich, Mitarbeiter aus dem Home-Office arbeiten zu lassen.

  • Bürger sollen auf private Reisen und Besuche möglichst verzichten. Das Übernachten in Hotels und Pensionen für touristische Zwecke wird untersagt. Geschäftsreisen bleiben erlaubt.

  • Dienstleistungsbetriebe wie Kosmetik- und Tattoostudios oder Massagepraxen werden geschlossen. Medizinische Fußpflegen etwa bleiben hingegen erlaubt. Auch Friseure dürfen unter Einhaltung der Hygieneregeln öffnen.

  • Der Einzelhandel bleibt geöffnet. Pro 10 Quadratmeter Ladenfläche ist nur ein Kunde erlaubt.

  • Kitas und Schulen bleiben ebenfalls offen.

Viele Einrichtungen, sagt Kretschmann, hätten sich zuletzt sehr angestrengt, um Hygienekonzepte vorzulegen. „Deshalb ist uns das allen sehr schwer gefallen. Aber unserer Ansicht nach war nichts anderes möglich, als das jetzt tun zu müssen.“

Solo-Selbstständige besonders hart getroffen

Man sei sich bewusst, so der Ministerpräsident, dass man etwa viele Solo-Selbstständige hart treffe. Ihnen soll schnell und unbürokratisch geholfen werden, verspricht Kretschmann – mit einer Nothilfe. Man wolle kleineren Unternehmen mit einer Größe bis 50 Mitarbeitern 75 Prozent des Umsatzes im Vorjahresmonat erstatten. Größeren Unternehmen würden voraussichtlich 60 bis 70 Prozent erstattet.

Maßnahmen befristet bis Ende November

„Die Maßnahmen sind zeitlich befristet, sie gelten bis Ende November“, sagte Kretschmann. Und: Sie sind bundesweit einheitlich. „Es war beeindruckend, wie schnell wir heute zusammengekommen sind, dass auch die Solidarität der Länder da war, die noch niedrigere Zahlen haben“, so der Ministerpräsident weiter. „Es haben alle an einem Strang gezogen, um einheitliche Regeln für ganz Deutschland zu ermöglichen.“ In zwei Wochen wollen die Länderchefs und die Kanzlerin erneut beraten und gegebenenfalls Anpassungen an den Maßnahmen vornehmen, teilte Kretschmann in seiner Ansprache mit.

„Entscheidung auf Basis von Fakten, nicht Emotionen“

Kretschmann sei bewusst, dass man den Bürgern viel abverlange. „Ich versichere, dass wir uns die Entscheidung nicht leichtfertig getroffen haben. Wir treffen sie auf Basis von Fakten, nicht von Emotionen.“

Das oberste Ziel sei, die persönlichen Kontakte um 75 Prozent zu reduzieren. „Diesen Wert haben sich nicht Politiker ausgedacht“, so Kretschmann. „Den Wert haben uns die renommiertesten Experten mitgegeben.“

Kretschmann spricht von Zumutungen

Das allerdings erreiche man nicht ohne Zumutungen. Viele werden sie als ungerecht empfinden, prophezeite der Ministerpräsident. „Aber in einer solchen Situation müssen wir das Gesamtinteresse ganz vorne anstellen.“

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