Zollernalbkreis

Neuer bundesweiter Teil-Lockdown: Stimmen aus dem Zollernalbkreis

28.10.2020

von Redaktion

Neuer bundesweiter Teil-Lockdown: Stimmen aus dem Zollernalbkreis

© Volker Bitzer

Ein typisches Bild aus der Zeit des Corona-Lockdowns im Frühjahr: Aber ab November wird es nun wieder sehr ernst in vielen Lebensbereichen.

Infektionsketten sollen wieder nachvollzogen werden können: Die Bundesregierung hat für den November einen sogenannten Lockdown light, also erneute weitgehende Beschränkungen, für das ganze Land beschlossen. Wir haben Unternehmer und andere von Schließungen und Einschränkungen Betroffene aus der Region dazu befragt.

Manuela Früholz vom Café Früholz sowie Vorsitzende des Handes- und Gewerbevereins Ebingen, ist stinksauer. Sie sieht die Gastronomie als wehrlosen Sündenbock in Coronazeiten: „Ich finde diese erneute Entscheidung was die Gastronomie betrifft, einfach rundherum schrecklich“, sagt sie.

Vor allem seien ihre Gedanken nun bei jenen Kollegen, die diesen erneuten Lockdown (was das im Detail bedeutet, lesen Sie hier), den erneuten Wegfall von Arbeit und Einkommen, wirtschaftlich nicht überleben werden, die, so Manuela Früholz, „danach dann einfach nicht mehr da sind“.

Die HGV-Vorsitzende Früholz ist sicher, dass die Politik „nun wieder alles auf die Gastronomie abwälze“. Dabei, so stellt sie wütend fest, gäbe es durchaus andere Aspekte, bei denen das Ansteckungsrisiko deutlich höher sei als in einem auch nur halbwegs anständig geführten Gastronomiebetrieb. Sie sieht nun zahlreiche Existenzen, ganze Familie in Gefahr: „Für mich ist diese ganze Situation komplett unverständlich.“

Ein schwerer Schlag

Für Susanne Lebherz, Wirtin der Café-Vinothek Ca Va in Albstadt, ist die erneute Schließung ein schwerer Schlag. Zwar habe sich ja bereits tags zuvor abgezeichnet, dass mit gravierenden Beschränkungen zu rechnen sei, doch treffe sie die Entscheidung nun dennoch hart. „Hätte ich nicht aktuell noch in eine teure Kaffeemaschine investiert, würde ich mir wirklich überlegen, ob das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt wäre, den Absprung aus der Gastronomie zu machen“, sagt sie.

Nur zwei Prozent Infektionen in der Gastronomie?

Sie sei überzeugt davon, dass die Gastronomen in Deutschland die bisher geltenden Vorgaben in vollem Umfang und sehr konsequent umgesetzt haben, betont Susanne Lebherz.

Soweit sie informiert sei, seien nur sehr wenige Infektionen – „ich habe von zwei Prozent gehört“ ­ – auf Restaurant- und Gaststättenbesuche zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund kann sie nicht verstehen, dass nun die Gastronomie wieder komplett heruntergefahren werde.

Verärgerter Blick in die Großstädte

Der Wirt der Hartheimer Lammstuben hat am TV-Gerät die Entscheidungen mitverfolgt, die aktuell in Berlin getroffen wurden. „Mitgehangen, mitgefangen“, bringt Karl-Heinz Butz die Situation auf den Punkt. Er wie auch die Kollegen in der Region hätten sich an die Vorgaben und Hygienemaßnahmen gehalten.

Auf das Geschehen in Großstädten wie Berlin, München oder Stuttgart habe man keinen Einfluss, müsse nun aber die harten Einschnitte ein zweites Mal mittragen. Der 55-jährige Gastronom, der die Lammstuben seit 30 Jahren führt, hat beim ersten Lockdown im Frühjahr auf einen Abholservice des Essens verzichtet, nun werde man sich in der Familie überlegen, ob der Service angeboten werde. Er könne nur hoffen, dass die Gäste seinem Restaurant die Treue halten und wiederkommen, sobald die Sperre aufgehoben wird.

Wieder auf den Abholservice setzen

„Ich könnte in Tränen ausbrechen“, sagt Manuela Hocke, Inhaberin des „Engel“ in Erlaheim. Sie habe zwar mit Einschränkungen gerechnet, aber nicht in diesem Maße. Man werde nun den Abholservice wieder aktivieren.

Sie sei im Zwiespalt: Einerseits wirtschaftliche Einbußen, andererseits habe sie auch Verständnis für die Maßnahme, gehe es doch um die Gesundheit der Menschen. „Bis Sonntag nutzen wir aber noch aus, viele Gäste haben schon angerufen, um Termine vorzuverlegen; sie wollen unbedingt nochmals zum Essen kommen“, auch dieses herzige Verhalten treibe einem Tränen in die Augen.

Fitnessstudio-Betreiber hat kein Verständnis

Keinerlei Verständnis kann Wolfgang Belser, Betreiber des Injoy-Fitnessstudios in Balingen, für diesen zweiten Lockdown aufbringen. Er habe schon einmal seinen Laden dicht gemacht, damit die Intensivbetten und die Kapazitäten in den Krankenhäusern nicht an ihre Grenzen stoßen. Ein Szenario, das glücklicherweise nicht eingetreten ist. „Jetzt ist der Staat in der Beweispflicht, dass ich mein Studio zumache“, sagt er voller Bitterkeit.

Entscheidungen reichen weit in die Zukunft

Er kann es in keinster Weise nachvollziehen, dass die Bundesregierung diese folgenschweren Entscheidungen am Coronatest festmacht, der nach Ansicht von Belser „höchst umstritten und fehlerhaft ist“. „Von diesem Test machen wir unsere Zukunft abhängig, das kann doch nicht sein“, ist Belser fassungslos. Er ist überzeugt, dass die Schäden, die nun entstehen, weit in die Zukunft reichen werden. „Wir haben einen Auftrag“, betont der Balinger. „Wir wollen die Menschen gesund erhalten.“

Er macht sich größte Sorgen um seine Kunden, die in den kalten und dunklen Monaten keine Alternative mehr haben. „Im Frühjahr konnten wir wenigstens raus in die Natur.“ Für ihn steht fest, dass Depressionen und häusliche Gewalt in den nächsten Wochen zunehmen werden.

Alle rechtlichen Mittel ausschöpfen

Dabei habe sich gezeigt, dass weder die Fitnessbranche noch die Gastronomie Hotspots seien. Jetzt schon hat er zehn Prozent seiner Kunden verloren. „Die Frage am Ende des Tages ist, wie viele aus unserer Branche überleben werden“, sagt er und kündigt an, dass er dieses Mal alle rechtlichen Mittel ausschöpfen werde und nicht so einfach in die Knie gehen wird.

Viele stehen plötzlich vor dem Nichts

Ähnlich gefrustet reagiert auch Matthias Klein, Geschäftsführer der Balinger Stadthalle. „Noch nie hat sich gezeigt, dass eine Kulturveranstaltung wie ein Theater zum Hotspot geworden wäre“, sagt er. Und dennoch: Mit dem Lockdown käme auch das neuerliche Aus für die Kulturschaffenden. „Es gibt Künstler, die ihre Mitarbeiter auch ohne Einkünfte weiter bezahlen können“, sagt Klein. „Aber sehr viele von ihnen stehen plötzlich wieder vor dem Nichts.“

Stadthalle muss zehn Veranstaltungen im November absagen

Er bezweifle, dass die Absage aller kulturellen Veranstaltungen zielführend sei. „Man drängt ja die Leute geradezu wieder in den privaten Bereich, wo die Kontrolle ungleich schwerer ist“, sagt er. Die Hygienekonzepte hätten gut funktioniert. „Die Menschen haben sich an die Maskenpflicht am Platz gehalten“, sagt er. Allein im November müsste die Balinger Stadthalle zehn Veranstaltungen absagen, „wie es mit Tagungen unserer Mieter aussieht, ist noch nicht klar“, sagt Klein.

OB Reitemann: Ein Akt der Verzweiflung

Auch Balingens Oberbürgermeister Helmut Reitemann sieht den radikalen Schritt kritisch. Mit der geplanten Schließung von Freizeiteinrichtungen wären auch die Balinger Bäder betroffen. „Dann müssten wir die Mitarbeiter wieder in Kurzarbeit schicken“, sagt er. Dabei könne man nicht zuordnen, „aus welcher Ecke die Infektionen kommen“, erklärt er. Am ehesten würden sich die Menschen im privaten Bereich infizieren. „Für mich ist der neuerliche Lockdown daher ein Akt der Verzweiflung“, formuliert er.

Harter Schlag für Profi-Handball

Für den HBW Balingen-Weilstetten geht in der Handball-Bundesliga der Spielbetrieb zwar weiter – Zuschauer sind jedoch im gesamten Profisport vorerst untersagt. „Das ist für uns ein harter Schlag, nachdem wir so viel investiert haben“, sagt HBW-Geschäftsführer Wolfgang Strobel. „Nicht nur für uns, sondern für die gesamte Liga. Wir haben ja eigentlich gezeigt, dass die Hygienekonzepte funktionieren.“

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© Gudrun Stoll

Absperrband gibt (hier bei der Eröffnung des Mehrgenerationenspielplatzes in Meßstetten) ein klares Signal: Hier darf – womöglich – ausnahmsweise nicht gespielt werden. Meßstettens Bürgermeister Frank Schroft geht aktuell zumindest davon aus.

Meßstetten hat erst vorige Woche sein neues, hochgelobtes Freizeitgelände auf dem Blumersberg eingeweiht. Was nun? „Wir werden die Verordnung beziehungsweise die Übermittlung der Beschlüsse erst einmal abwarten, da uns der Zeitpunkt des Inkrafttretens der aktuellen Beschlüsse beziehungsweise der dafür notwendigen Verordnung noch nicht bekannt sind“, informiert Bürgermeister Frank Schroft.

Kinder und Jugendliche sind stark betroffen

Da er aber fest davon ausgehe, dass das neue Sport- und Freizeitgelände unter die zur Schließung fallenden (öffentlichen) Freizeiteinrichtungen fällt, werde man sich bereits am Donnerstag geeignete Maßnahmen überlegen, wie man diese Beschlüsse ohne großen Aufwand umsetzen kann. „Mir selbst fällt dieser Schritt sehr schwer, da dies gerade Kinder und Jugendliche, die sowieso schon sehr stark durch die Pandemie seit März in ihrem Spiel- und Freizeitverhalten eingeschränkt sind, sehr schwer treffen wird“, fügt Schroft an.

Angst, dass die Kunden wegbleiben

Friseure bleiben geöffnet, doch Simone Beisel muss ihr Kosmetikstudio in Ebingen wieder schließen. Weil Abstand nicht gehalten werden kann. Dass es nun wie im Frühling erneut ihr Unternehmen trifft, muss die verärgerte Ebingerin zunächst verarbeiten. „Ich halte mich mit meinem Studio strikt an die Hygieneregeln.“ Sie befürchtet zudem, dass deshalb langfristig noch mehr Kunden wegbleiben. Beispielsweise aus Angst.

Ärgern über Verweigerer der Gefahr

„Ich frage mich, wie die kleinen Betriebe das überleben sollen.“ Der finanzielle Schaden für sie ist enorm, befürchtet sie. Beisel ärgert sich über alle, die sich nicht an die Regeln hielten oder das Virus und seine Gefahren leugnen – weil unter anderem sie die Rechnung dafür nun bezahlen müsse.

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