Der Zollernalbkreis vor dem Katastrophenfall: Feldbetten und Corona-Quarantäne in Turnhallen

Von Johannes Klomfaß

Im Zollernalbkreis gibt es aktuell 33 bestätigte Covid-19-Fälle. Am Montagabend hat der Kreistag ein Szenario vorgestellt. Bis 31. März könnte es im Kreis 1300 Infizierte geben. Der Kreistag stellt nun seinen Betrieb ein. Die Sitzung in Geislingen war die vorläufig letzte bis voraussichtlich Mai.

Der Zollernalbkreis vor dem Katastrophenfall: Feldbetten und Corona-Quarantäne in Turnhallen

Großflächig verteilt tagten die Kreisräte am Montagabend in der Geislinger Schlossparkhalle.

500 Feldbetten sollen bereit gestellt werden, Sporthallen könnten zu Quarantäne-Zentren werden. Der Landrat spricht von Katastrophenschutz-Maßnahme.

Bei der letzten Kreistagssitzung am Montagabend in Geislingens Schlossparkhalle, machte der seit Aschermittwoch kontinuierlich tagende Krisenstab des Landkreises in aller Sachlichkeit einige Zahlen öffentlich.

Prognose: Bis Ende März bis zu 1344 Infiziete im Zollernalbkreis

Rechnet man die aktuellen Fallzahlen an Infektionen hoch und nimmt Vergleichszahlen, etwa aus China, wo es gelungen ist, die Epidemie einzudämmen, oder aus Italien, wo sie unvermindert grassiert, könnten die Zahlen im Zollernalbkreis bis zum Monatsende auf 1344 Infizierte steigen. Dieser Prognose liegt die Annahme zugrunde, dass sich die Anzahl der Infizierten alle drei Tage verdoppelt.

Dies ist ein Weckruf an alle Abwiegler, die Corona munter ignorieren

Unter den 1344 Infizierten würden mindestens 34, möglicherweise aber auch bis zu 200 Personen in den Kliniken in Balingen und Albstadt stationär betreut werden müssen.Diese Zahlen sind erschreckend. Und erschrecken sollen sie auch all jene, die immer noch Konzertabsagen, Ladenschließungen und Versammlungsverbote als übertrieben erachten.

Das Tempo der Ausbreitung kann gebremst werden

Jetzt geht es darum, das Tempo der Virus-Ausbreitung zu verlangsamen. Aufhalten lässt sich die Epidemie nicht. Das Virus wird sich weiter verbreiten. Aber das Tempo kann gebremst werden. Es macht einen Unterschied, ob ein Infizierter zehn Personen ansteckt oder lediglich eine. Es geht darum, die expotentielle Kurve zu verlangsamen, das heißt: den rasanten Anstieg an Infektionen zu drosseln. Wenn sich nur noch alle vier Tage die Zahl der Infizierten verdoppelt, kommen nicht mehr so viele Kranke auf einmal in die Klinik.

Die Kliniken haben nur begrenzte Kapazitäten an Intensivbetten

Ziel ist Zeitgewinn. Ziel ist es den Strom an Patienten zu kanalsisieren. Vor dem Balinger Klinikum soll ein Zelt mit Platz für bis zu 35 Personen erstellt werden, in dem entschieden werden soll, wie die Patienten behandelt werden sollen.

Ziel ist es zusätzliche Betten und Fachkräfte zu schaffen. Drum werden von heute an nicht lebensnotwendige Operationen verschoben. In Balingen stehen zur Zeit 35 Intensivbetten zur Verfügung. Weitere Beamtungsgeräte sind bestellt.

Zwölf weitere Corona-Infektionen im Kreis

Im Zollernalbkreis gibt es zwölf weitere bestätigte Covid-19-Fälle. Betroffen sind laut Landratsamt acht Frauen und vier Männer im Alter zwischen 27 und 70 Jahren.

Einige Patienten hätten sich vermutlich im Urlaub angesteckt, dies in europäischen Risikogebieten. Andere dürften sich durch intensiven Kontakt zu bereits Erkrankten mit Covid-19 infiziert haben, meldet das Landratsamt. Nähere Informationen zu den neuen Fällen gab die Behörde am Montag nicht bekannt.

Die aktuelle Fallzahl mit insgesamt 33 Infizierten im Zollernalbkreis wurde am Montag um zwölf Uhr gemeldet. Während der Wochenenden gibt das Landratsamt im Zollernalbkreis grundsätzlich keine bestätigten Neuerkrankungen bekannt. Zuletzt lag die Zahl der bestätigten Fälle im Kreis, Stand Freitag, bei 21 Patienten.

Nun übernehmen die Mediziner

Am Montagabend in Geislingen trat auch die Corona-Task-Force des Zollernalb-Klinikums öffentlich auf. Angeführt von Klinik-Chef Gerhard Hinger und Prof. Noe übernahmen die Mediziner das Wort und die Lage. Die Fragen der Kreisräte richteten sich fortan an die Experten.

Dabei wurde klar: Das Land muss handlungsfähig bleiben. Man kann jetzt nicht zwei Wochen in Generalstreik treten. Kühl rechnete Prof. Noe Sterblichkeitsraten vor. Was vor Wochen noch vermieden wurde, wird nun benannt. Mit 0,2 Prozent ist die Sterblichkeitsrate in Deutschland noch sehr gering, etwa im Vergleich zu Italien. Aber keiner weiß, wie sich das entwickeln wird.

Das Landratsamt ist geschlossen

Um eine (hoffentlich) ausreichende Corona-Distanz zu haben, saß jeder an einem eigenen, großen Einzeltisch und das mit einer Entfernung von gut drei Metern von Stuhl zu Stuhl. Um diese Sicherheit zu erreichen, hieß es für die Kreisräte ausziehen. Raus aus dem eher beengten Tagungsraum im Untergeschoss des Balinger Landratsamtes; rüber nach Geislingen in die Sporthalle. Landrat Günther-Martin Pauli war zur Mittagszeit vor Ort, um die Tischanordnung zu dirigieren und sogar anzupacken. Auch der Corona-Krisenstab des Landkreises soll hier künftig tagen.

Das Landratsamt Zollernalbkreis schließt ab heute und bis auf weiteres zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus seine Dienststellen für den Publikumsverkehr.

Im Vergleich zu manchem privatwirtschaftlichen Unternehmen reagiert die Behörde vorbildlich. Intern gibt es klare Verhaltensregeln. Türklinken werden regelmäßig desinfziert, Infoschilder sind aufgestellt. Bei Sitzungen hockt man nicht eng aufeinander.

Es ehrt Landrat Pauli, dass er in der Sitzung öffentlich einräumte: „Wir lernen alle. Ich habe das auch unterschätzt.“

Der Landrat als Krisenmanager

Am Montagabend gab Pauli den Krisenmanager: „Die Zügel werden jetzt angezogen.“ Was weitere Maßnahmen angehe, sei „der Phantasie keine Grenzen gesetzt“.

Die drei vom Landkreis betriebenen Deponien in Albstadt, Balingen und Hechingen bleiben offen. Die zehn Wertstoffzentren im Kreis sind ab Mittwoch, 18. März geschlossen – auch das Wertstoffzentrum auf der Kreismülldeponie in Hechingen.

Alle persönlichen Gesprächstermine im Landratsamt entfallen. Diese müssen laut Mitteilung aber nicht abgesagt werden. Die Mitarbeiter der Landkreisverwaltung sind weiterhin unter den bekannten Telefonnummern sowie E-Mailadressen zu den üblichen Öffnungszeiten erreichbar. Auch die Sitzungen des Kreistages sowie seiner Ausschüsse sind ab heute ausgesetzt.

Für Fragen rund um das Thema Covid-19 steht das Bürgertelefon unter der Rufnummer 07433 92-1111 zur Verfügung.