Albstadt

„Dem Schicksal den Mittelfinger gezeigt“: Stefan Rimmele referierte in Truchtelfingen

18.04.2019

Von Jasmin Alber

„Dem Schicksal den Mittelfinger gezeigt“: Stefan Rimmele referierte in Truchtelfingen

© Jasmin Alber

Stefan Rimmele hielt in der Acura-Klinik in Truchtelfingen einen motivierenden Vortrag. Er gab Einblicke in sein bewegtes Leben.

Stefan Rimmele – vielen als „Eventroller“ auf den Messen in der Region bekannt – ist seit einem Unfall vor knapp 24 Jahren auf den Rollstuhl angewiesen. Warum Aufgeben keine Option für ihn war und was andere von seinem Lebensweg lernen können, zeigte der 37-Jährige in einem motivierenden Vortrag.

Seine Botschaft lässt sich einfach zusammenfassen: „Kämpft für euch und euer Leben.“ Das gab Stefan Rimmele den Zuhörern seines Vortrags mit auf den Weg. Den Zollernälblern ist der 37-Jährige als „Eventroller“, wie er sich selbst nennt, von diversen Messen bekannt.

Rimmele nimmt kein Blatt vor den Mund

Dort hat er immer einen Spruch auf Lager und mit seiner lockeren, lebensfrohen Art schnell das Eis gebrochen – sei es im direkten Kontakt mit Ausstellern oder Besuchern. Der Titel „Sehnsucht Leben! Die Frage ist nicht ob, sondern wie“ kommt nicht von ungefähr: In seinem Leben hat der aus dem Allgäu stammende Rimmele schon viele Höhen und Tiefen erlebt. Diese schilderte er im Vortragsraum der Acura-Klinik in Truchtelfingen eindrücklich – mal kritisch, selbstironisch und nachdenklich, mal humorvoll und anspornend, aber immer schonungslos ehrlich. Eben so, wie man Rimmele kennt.

Ein Unfall änderte schlagartig alles

Stefan Rimmeles ständiger Begleiter ist der Rollstuhl, den rechten Arm kann er nicht benutzen. Der Grund dafür ist tragisch: Am 27. Juli 1995, einem Donnerstag, um 13.32 Uhr änderte sich schlagartig alles. Der damals 13-Jährige wurde, als er mit dem Fahrrad eine Kreuzung in der Nähe des elterlichen Hofs überqueren wollte, von einem Auto erfasst. Der Fahrer, laut Rimmele ein älterer, betrunkener Mann, war mit 100 Stundenkilometern unterwegs. Es folgte ein Kampf ums Überleben. Koma, Wachkoma, der Platz im Pflegeheim war schon reserviert – doch stattdessen hat Rimmele noch im Wachkoma den Entschluss gefasst zu leben. Im Vortrag untermalte er den Rückblick auf diese wegweisende Entscheidung mit Falcos „Out of the dark“.

Reha statt Pflegeheim

In der darauffolgenden Reha hat er wieder gelernt, zu reden, zu sitzen, auf die Toilette zu gehen oder sich selbst anzuziehen. „Da habe ich erfahren, dass man mit 13 schon erwachsen sein kann und muss“, sagt er rückblickend. Es folgten weitere monatelange Klinikaufenthalte und Therapien, auch in der Ukraine.

„Dem Schicksal den Mittelfinger gezeigt“: Stefan Rimmele referierte in Truchtelfingen

© Jasmin Alber

Vielen Bilder und Kartenausschnitte in der Präsentation: Anschaulich schilderte Stefan Rimmele seinen Lebensweg.

Zielstrebigkeit zeichneten den Kaufmann schon immer aus. Ein Beispiel: Als er dem Versicherungsvertreter als Teenager sagte, er werde auch einmal Auto fahren, habe dieser wegen der körperlichen Behinderung seine Zweifel gehabt. Drei Jahre später hatte Rimmele den Führerschein. „Ich liebe es, anderen Leuten zu beweisen, dass ich es trotzdem kann“, betonte er. So auch, als er vor einigen Jahren durch die USA reiste. Dort legte der Allgäuer bei seinem Roadtrip – übrigens ohne Begleitung – 26000 Kilometer im Mietwagen zurück. Voller Stolz kehrte er danach wieder in die Heimat. Seine kritische Erkenntnis: Während in Deutschland kranke und behinderte Menschen am Rand der Gesellschaft stehen, seien sie in den Staaten voll integriert.

Die ganze Familie verarbeitet das Erlebte bis heute

Abgesehen vom eigenen Schicksal, mit dem der junge Mann zu kämpfen hatte, gibt es noch zwei weitere Aspekte, die der Unfall nach sich zog. Die ganzen Jahre seien für die ganze Familie, insbesondere für den etwa zehn Jahre jüngeren Bruder, belastend gewesen. Bis heute verarbeite man die Erlebnisse. Auf der anderen Seite das Finanzielle: Von der Versicherung gab es 40000 DM, berichtete Rimmele – ein Tropfen auf dem heißen Stein, wusste man zum damaligen Zeitpunkt doch nicht, ob Rimmele jemals ein eigenes Einkommen haben wird.

Arbeitssuche gestaltete sich schwierig

Arbeitsstellen zu finden, hat Stefan Rimmele nach seinem Hauptschulabschluss und dem Abschluss an einer weiterführenden kaufmännischen Schule übrigens geschafft. Allerdings war auch dieser Weg von Aufs und Abs gesäumt. Auf Bewerbungen folgten Dutzende Absagen. Hatte er eine Anstellung gefunden, waren mal widrige, nicht beeinflussbare Umstände der Grund, mal die emotionale Belastung, dass er erneut auf Arbeitssuche gehen musste. Auch von Kollegen wurden ihm teils Steine in den Weg gelegt.

Doch hatte sich Rimmele eine Arbeitsstelle gesichert, überzeugte er mit Leistung. Heute ist er angekommen. Nach Stationen in verschiedenen Branchen arbeitet der gelernte Kaufmann heute beim Allgäu-Eventzentrum und organisiert dort unter anderem die Gesundheitstage in Balingen und Albstadt, die Messe Neckar-Alb regenerativ oder die Immobilientage in Balingen mit. Stolz ist er darauf, ein selbstbestimmtes Leben in der – wie er mehrfach betonte – selbst finanzierten und abbezahlten Eigentumswohnung zu führen.

Worte des Dalai Lama wiesen stets den Weg

Ein Mann, der ihn stets wieder auf den richtigen Weg gebracht hat, war der Dalai Lama. Seine inspirierenden Zitate prägten Stefan Rimmeles Leben und spornten ihn immer wieder an, „dem Schicksal den Mittelfinger“ zu zeigen. Nicht verwunderlich also, dass der 37-Jährige den Zuhörern diese Zitate nicht vorenthielt. Ebenso der Appell, an die eigenen Fähigkeiten zu glauben – ganz gleich, wie widrig die Umstände sind oder erscheinen.

„Dem Schicksal den Mittelfinger gezeigt“: Stefan Rimmele referierte in Truchtelfingen

© Jasmin Alber

Nach dem Vortrag konnten die Zuhörer Fragen stellen, die Stefan Rimmele gerne beantwortete.

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