Geislingen

Das bange Hoffen geht weiter: Heute wird der schwerkranke, kleine Tiago aus Binsdorf zwei

14.01.2020

Von Rosalinde Conzelmann

Das bange Hoffen geht weiter: Heute wird der schwerkranke, kleine Tiago aus Binsdorf zwei

© Rosalinde Conzelmann

Am Dienstag feiert Tiago seinen zweiten Geburtstag. Seine Eltern hoffen weiter, dass ein kleines Wunder geschieht.

Das schönste Geburtstagsgeschenk bleibt dem an Muskelschwund erkrankten Binsdorfer Jungen und seinen Eltern versagt: Die Zusage der AOK, dass sie die Kosten für die Millionenspritze Zolgensma übernimmt. Auch wenn ihnen die Zeit davon läuft, ist der Geburtstag ein Freudentag für die ganze Familie, den sie gemeinsam feiern werden.

Die Stille über die Feiertage war trügerisch; die Hoffnung der Eltern auf eine Nachricht von der Krankenkasse wurde nicht erfüllt, aber die Familie hat die Feiertage genutzt, um Kraft zu tanken für den weiteren Kampf, den „Kampf für die Hoffnung“, der vor ihnen liegt.

Ein wenig Zeit füreinander

Vater Jens Hafner hatte frei und konnte seine Lebenspartnerin bei der Betreuung ihres kleinen Sohnes, der im Rollstuhl sitzt, unterstützen. Zudem nahmen sich die Eltern Zeit für sich und Tiago. „Wir konnten uns erholen“, sagt Tiagos Mama.

Tiago ist der Sonnenschein der ganzen Familie, die seit der Diagnose noch enger zusammensteht. Vor allem seine Nichten und seine beiden Omas sind ganz vernarrt in den kleinen Kerl.

Tiago musste in die Notaufnahme

Dennoch gab es zwischen den Jahren auch Kummer. Nachdem Tiago, der an der lebensbedrohlichen Erkrankung spinale Muskelatrophie Typ 2 leidet, Anfang Dezember 2019 in der Uniklinik Freiburg mit dem Medikament Spinraza, das ihm alle vier Monate verabreicht wird, behandelt worden ist, wurde er im Januar sehr krank.

„Er war richtig schlapp, wollte weder essen noch trinken und war sehr verschleimt“, berichtet seine Mutter. Nachdem es schlimmer wurde, machten sich die Eltern große Sorgen, weil sie Schäden an der Lunge befürchteten und gingen mit Tiago in der Samstagnacht in die Notaufnahme des Balinger Krankenhauses.

Nebenwirkungen von Spinraza?

Eine Diagnose habe der behandelnde Arzt nicht gestellt; er habe aber die Vermutung der Eltern bestätigt, dass es ich bei den Syptomen um Nebenwirkungen des Medikaments Spinraza handeln könnte, erzählt Stephanie de Freitas.

Er ist wieder ganz der Alte

Sie und ihr Mann befolgten den Rat des Arztes und brachten Tiago in die Uniklinik Tübingen. Dort wurde er erneut untersucht und ein viraler Infekt diagnostiziert. Der dortige Mediziner habe Rücksprache mit der Freiburger Kinderklinik gehalten, wo Tiago regelmäßig behandelt wird. Es ging dann schnell wieder aufwärts. „Er ist wieder ganz der Alte“, sagt seine Mama.

Am Montag war ein Tag des Wartens

Am Montag noch haben die Eltern mit Bangen auf den erlösenden Anruf der AOK gewartet. „Wir hatten gehofft, dass es schneller gehen wird und wir nach der Ablehnung der Behandlungskosten bis zum Geburtstag eine Nachricht erhalten“, sagt die 31-Jährige.

Der zweite Geburtstag ist deshalb ein Schicksalstag für die Familie, weil die einmalige Injektion mit Zolgensma, die 1,9 Millionen Euro kostet, in den Vereinigten Staaten erkrankten Kinder bis zu zwei Jahren verabreicht wird.

Die Zeit wird knapper

Dennoch verfällt die Familie jetzt nicht in Panik, weil diese Vorgabe vor allem aus juristischer Sicht eine Rolle spielt. Eine medizinische Behandlung ist auch für Kinder über zwei Jahren möglich.

Allerdings nicht unendlich, wie Stephanie de Freitas betont. Aber Tiago könnte auch noch in einigen Wochen die Spritze bekommen, auf die seine Eltern so große Hoffnungen setzen.

Dies bestätigt auch Johannes Kaiser, der Anwalt der Familie. Die Behandlungsgrenze von 24 Monaten spiele vor allem bei Babys, die an der spinalen Muskelatrophie Typ 1 leiden, eine größere Rolle, sagt er. Hier verläuft die Krankheit meist tödlich. Die betroffenen Kinder sterben oft vor Erreichen des zweiten Lebensjahres an Lungenversagen.

„Beim Typ 2 kann man ein anderes Zeitfenster bekommen“, betont der Jurist.

Gespräche mit der Klinik laufen

Kaiser war nach der Ablehnung der Behandlungskosten nicht untätig. Es gab zwischenzeitlich Gespräche mit Tiagos behandelndem Arzt in der Freiburger Klinik. Vorsichtig formuliert es Kaiser: „Wir nähern uns an“. Die Klinik habe mit der Behandlung der Millionenspritze bereits Erfahrung. Einer seiner weiteren Mandanten, bei dem die Kasse die Kosten übernommen habe, sei an dieser Klinik.

Diese Annäherung ist insofern von großer Bedeutung, da die AOK den Eltern eine erneute Prüfung des Falles zugesagt hatte, sollte eine neue ärztliche Einschätzung (Gutachten) vorliegen, in der bestätigt wird, dass Zolgensma für Tiago wirksamer ist als Spinraza.

AOK bekräftigt ihr Angebot

Darauf weist auch die Pressesprecherin der AOK auf ZAK-Nachfrage am Montag nochmals hin: „Das Angebot auf eine Zweitmeinung steht.“ Ansonsten gebe es von ihrer Seite keine Neuigkeiten zu dem Fall Tiago.

Auch ohne die sehnlichst erwartete gute Nachricht wird die Familie Tiagos zweiten Geburtstag am Dienstag groß feiern und weiter auf eine doch noch gute Wendung hoffen.

Das bange Hoffen geht weiter: Heute wird der schwerkranke, kleine Tiago aus Binsdorf zwei

© Privat

Für Tiago setzten seine Eltern den „Kampf für Hoffnung“ fort.

Der große Rückhalt, den sie seit Monaten erfahren, gibt ihnen Kraft und Zuversicht. „Wir sind so froh, dass die Menschen uns nicht vergessen haben und weiter spenden“, sagt Stephanie de Freitas, die täglich von Menschen aus dem ganzen Landkreis angeschrieben oder angerufen wird, die mit einer Spende helfen wollen.

An die 800.000 Euro haben die Menschen schon für Tiago gespendet. Das ist unglaublich und macht den Eltern Hoffnung, dass die 1,9 Millionen, die die Spritze kostet, keine Utopie sind.

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