Turnen

Das Ende einer Ära: Rudi Bareth blickt zurück auf seine Zeit als Trainer

28.11.2019

Von Larissa Bühler

Das Ende einer Ära: Rudi Bareth blickt zurück auf seine Zeit als Trainer

© Georg Hrivatakis

Rudi Bareth gibt den Posten als Trainer ab.

Am Sonntag endete für die Turnabteilung TSG Balingen nicht nur die Saison in der Regionalliga, sondern auch eine Ära: Für Rudi Bareth war es der letzte Einsatz als Cheftrainer. Nach fast 30 Jahren als Übungsleiter konzentriert sich der Erfolgscoach nun auf das Leben außerhalb der Halle.

Herr Bareth, am vergangenen Wochenende beendeten die Balinger Turnerinnen die Regionalliga-Saison. Dabei stand der dritte Platz zu Buche. Wie fällt Ihr Fazit zum letzten Wettkampf in Gäufelden aus?

Rudi Bareth: Es war unser bester Wettkampf der gesamten vier Jahre in der Regionalliga. Das, was wir uns vorgenommen hatten, haben wir hundertprozentig an die Geräte bekommen. Und dies, obwohl die Anspannung angesichts der besonderen Bedeutung sehr groß war. Dieser finale Wettkampf ist für mein restliches Leben eingespeichert.

Zum Meistertitel hat es nicht ganz gereicht, es ging in der Endabrechnung noch runter auf Rang zwei. Den Einzug in die dritte Bundesliga hatten ihre Turnerinnen jedoch schon vor Wochen perfekt gemacht. Zum Abschied gelang nun noch der Aufstieg – das perfekte Abschiedsgeschenk?

Ja natürlich ist das ein perfektes Abschiedsgeschenk und zwar ein riesengroßes. Zudem hat das Geschenk noch ein wunderbares Schleifchen bekommen, über das ich mich ganz besonders freue. Denn tags zuvor haben unsere D-Jugend-Mädels beim Landesfinale den Meistertitel nach Balingen geholt – und ich war dabei und habe mit großer Freude miterleben dürfen, wie sich unser Nachwuchs bärenstark präsentierte. Und dass dieser Nachwuchs mittlerweile von meiner Tochter Claudia, die als Toppturnerin eine tragende Säule der Erfolge der letzten Jahre war, trainiert wird, ist schon eine besondere Genugtuung. Der Kreis schließt sich.

Eigentlich war Balingen mit dem Ziel Klassenerhalt in die Regionalliga-Runde gestartet, nun darf man sogar noch eine Klasse nach oben. Was hat die TSG diese Saison so stark gemacht?

Unsere Erfolgsformel war die gleiche wie in all den Jahren zuvor: Geschlossenheit! Wir haben es wieder einmal geschafft, an allen vier Geräten fünf bis sechs fast gleich starke Turnerinnen aufzubieten. Wir haben keine absoluten Spitzen in unserem Team, aber unsere Ausgeglichenheit summiert immer wieder erstaunliche Gerätergebnisse. Was uns aber auch stark macht, ist die Tatsache, dass alle unsere Turnerinnen über eine intakte turnerische Grundausbildung verfügen. Beleg dafür ist, dass sie samt und sonders schon in ihrer Jugend unzählige Landestitel in den Pflichtstufen gesammelt haben. Wir haben diese Saison ausschließlich mit Balinger Turnerinnen bestritten, getreu dem Motto: „Wo Balingen draufsteht, ist auch Balingen drin!“

In Gäufelden waren sie zum letzten Mal als Cheftrainer im Einsatz. Was war es für ein Gefühl, in ihren letzten Wettkampf als Trainer zu gehen?

Ja, es war schon ein außergewöhnliches Gefühl - aber es war auf keinen Fall Traurigkeit. Ich möchte nicht überheblich sein, aber ich bin sogar mit einer kleinen Portion Stolz in diesen letzten Wettkampf gegangen. Die Genugtuung darüber, dass ich meine Mädels so weit nach oben gebracht habe und die Gewissheit, dass sie mich im Falle, dass die Emotionen doch mit mir durchgehen, auffangen würden, hat mich ruhig an den Start gehen lassen.

Wann haben Sie entschieden, dass sie zum Ende des Jahres aufhören? Und wieso?

Die endgültige Entscheidung habe ich schon Anfang des Jahres getroffen und die Führung der Turnabteilung und auch meine Turnerinnen darüber informiert. Schon in der Bibel – Prediger Salomo – steht: „Alles hat seine Zeit!“ Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass es jetzt Zeit ist für einen Wechsel. Ich denke, ich habe mein Maß an Ehrenamt geleistet.

Ist Ihnen die Entscheidung schwergefallen?

Die Entscheidung hat einen langen Vorlauf – immer wieder habe ich in den letzten Jahren überlegt, kürzerzutreten, aber der ständige Aufstieg Jahr für Jahr machte ein Kürzertreten unmöglich. Ganz im Gegenteil, der zeitliche Aufwand und auch die mentale Belastung stiegen ständig an. Jetzt habe ich diese rote Linie gezogen, nicht zuletzt auch im Sinne meiner Familie. Meinen beiden Enkelkindern wird diese Entscheidung zugutekommen, leicht gefallen ist sie mir bei Gott nicht.

Mit welchen Erwartungen gingen Sie in Ihre letzte Saison?

Ich war der festen Überzeugung, dass wir uns erneut behaupten können und uns sogar besser als bisher Platz fünf positionieren werden. Dass wir allerdings so nah an den Meistertitel rankommen werden, damit habe ich ganz ehrlich nicht gerechnet.

Wie lief die Zusammenarbeit mit ihrer Co-Trainerin Katja Bisinger?

Katja habe ich schon als C-Jugendturnerin trainiert und sie damals schon als äußerst zielstrebig wahrgenommen. Als sie dann aus Gesundheitsgründen ihre aktive Laufbahn früh beenden musste, stieg sie ins Übungsleitergeschäft ein und wurde immer mehr zu meiner linken Hand und letztendlich zu meiner Co-Trainerin. Wir verstehen uns, was das Thema Liga betrifft, blind, und dass wir uns am Boden in den vergangenen zwei Jahren in puncto Choreografie so immens gesteigert haben, ist ihr großer Verdienst.

Wie viele Jahre waren Sie nun Trainer und wie kamen Sie damals dazu?

Ich bin seit 26 Jahren bei der Turnabteilung als Trainer tätig. Ausschlaggebend waren meine beiden Töchter Bettina und Claudia, die, nachdem ihr Papa 1990 mit Turnerinnen der Geislinger Schlossparkschule im Schulwettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“ Bundessieger wurde, diesen Sport auch unbedingt ausüben wollten und bei der TSG das Turnen begannen. Und es dauerte nicht lange, bis die Turnabteilung die Hände nach mir ausstreckte und ich nicht Nein sagen konnte und als Übungsleiter auf unbestimmte Zeit verpflichtet wurde.

Wie beurteilen Sie seither die Entwicklung des Turnsports hier im Zollernalbkreis?

Zunächst hat das männliche Turnen lange Jahre den Turnsport im Kreis dominiert. Mittlerweile hat das Frauenturnen aber klar die Oberhand gewonnen. Die Teilnehmerzahlen bei den Wettkämpfen besonders im Jugendbereich sprechen da eine deutliche Sprache. Leider kämpft der Turnsport immer noch um die entsprechende mediale Aufmerksamkeit, obwohl er die Sportart mit der höchsten Zahl an gemeldeten Mitgliedern ist.

Hätten Sie gedacht, dass die TSG Balingen mal auf so hohem Niveau im Ligabetrieb antritt?

Ein klares Nein!

Was waren die Highlights Ihrer Trainerzeit?

Es waren auf jeden Fall immer die Momente, wenn junge Turnerinnen auf Landes- und Bundesebene ganz oben auf dem Siegertreppchen standen – und damit sind Namen verbunden, die ich zu den Highlights in meiner Trainerzeit zähle: Claudia Bareth, Leonie Stemmer, Janine Kern, Caro Walz und, und, und . . . Im Ligabetrieb reihte sich Aufstieg an Aufstieg – jedes Mal ein weiteres Highlight und ganz aktuell das Highlight „Bundesliga“. Das allererste Highlight, und damit unvergesslich, war der Turnfestsieg meiner Tochter Claudia 1998 beim Deutschen Turnfest in München. Die eigene Tochter, als Jahrgangsjüngste in der C-Jugend, in einem 1600 starken Starterfeld am Ende auf Platz eins zu sehen, das war schon ein ganz besonderer Moment.

Wer wird Ihr Nachfolger?

Einen einzelnen Nachfolger wird es nicht geben. Den Ligabetrieb werden in Zukunft Katja Bisinger, Jessica Bader und Oliver Merz übernehmen. Für den gesamten Nachwuchsbereich wird Claudia Bareth verantwortlich sein.

Welche Chancen rechnen Sie den TSG-Turnerinnen in der neuen Liga aus?

Sich in der dritten Liga zu behaupten, wird enorm schwer werden, denn dort treffen sie auf Vereine, die unter ganz anderen Bedingungen trainieren und finanziell ganz anders ausgestattet sind, um zusätzliche, meist ausländische Spitzenturnerinnen zu verpflichten. Trotzdem bin ich der festen Überzeugung, dass sie sich halten können. Sollte dies aber nicht möglich sein, so sollten sie das einmalige Erlebnis auskosten.

Ihnen tut sich nun viel Zeit auf. Haben Sie schon Pläne für die gewonnene Zeit?

Zunächst werde ich meinen Tagesablauf einmal etwas entschleunigen. Dann fallen mir schon einige Dinge ein: Fahrradfahren, Wohnmobil, Garten, Enkelkinder, Reisen, Skifahren, Meer . . .

Vor 100 Jahren gab es in Balingen die erste Damen-Riege – nun gelang der bislang größte Erfolg in der Geschichte der Turnabteilung.

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