Zollernalbkreis

Corona-Forschung in der Region: Wissenschaftler suchen Teilnehmer für Studie

12.03.2021

Von Michael Würz

Corona-Forschung in der Region: Wissenschaftler suchen Teilnehmer für Studie

© Getty Images/iStockphoto

Teilnehmer bekommen ein Pulsoxymeter per Post nach Hause.

Von welchen Faktoren hängt ab, welchen Verlauf eine Covid-19-Erkrankung nimmt? Grundlagenforscher aus Tübingen wollen dies auch im Zollernalbkreis herausfinden.

Die einen überstehen eine Corona-Infektion beinahe symptomlos, andere erkranken schwer. „Alter und Vorerkrankungen gehören zu den bekannten Risikofaktoren“, sagt Linda Behringer, Sprecherin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Tübingen. Dennoch sei bislang wenig darüber wenig bekannt, warum manche Patienten schwer erkranken, während andere noch nicht einmal merken, dass sie mit dem Coronavirus infiziert sind. Besonders treibt Wissenschaftler auf der ganzen Welt die Frage um, wieso immer wieder auch jüngere Menschen ohne bekannte Vorerkrankungen schwere Covid-19-Verläufe erleiden. Sie wollen das nun gemeinsam ändern: Grundlagenforscher am Max-Planck-Institut, Mediziner der Uniklinik Tübingen und die Gesundheitsämter der Landkreise Reutlingen, Tübingen und Zollernalb.

Forscher suchen so viele Freiwillige wie möglich

Für ihre gemeinsame Studie suchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ab sofort möglichst viele Freiwillige, die sich nach einem positiven Coronatest schnellstmöglich melden. Es gelte, erklärt Behringer, herauszufinden, welche Vitalparameter, etwa Puls und Blutdruck, welche Beschwerden und vor allem in welcher Kombination auf einen schweren Krankheitsverlauf hindeuten. Gelingen soll dies mit Hilfe von künstlicher Intelligenz. „Wir nutzen die Angaben der Patienten, um durch statistische Methoden Muster in den Daten zu erkennen“, sagt Behringer, die im Gespräch mit unserer Zeitung betont: „Es geht in der Studie nicht um eine medizinische Begleitung der Patienten, sondern um die Erhebung relevanter Daten, die dann ausgewertet werden.“ Und so werden diese erhoben:

Messgeräte kommen kostenlos per Post

Wer sich nachweislich SARS-CoV-2 eingefangen hat und zur Teilnahme bereit erklärt, erhält postwendend und kostenlos ein Paket nach Hause geschickt, in dem sich ein Blutdruckmessgerät und ein Pulsoxymeter befinden. Die Geräte sollen die heißbegehrten Daten liefern. „Idealerweise melden sich Freiwillige nach ihrem positiven Testergebnis so schnell wie möglich bei uns“, sagt Behringer. Das maschinelle Lernen, ein Teilgebiet der künstlichen Intelligenz, ermögliche schlussendlich Zusammenhänge in großen, komplexen Datenmengen zu erkennen. „Menschen ist dies aufgrund der großen Anzahl von Daten unmöglich“, so Behringer.

Künstliche Intelligenz soll den Wissenschaftlern helfen

Genau diese Fähigkeit soll nun für die Vorhersage des Verlaufs einer Covid-19-Erkrankung genutzt werden. Das Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme gilt auf diesem modernen Forschungsgebiet als weltweit führend. „Obwohl wir nach über einem Jahr Pandemie bereits viele Erkenntnisse über das Virus gewonnen haben, ist es immer noch schwierig, den Krankheitsverlauf vorherzusagen“, klagt Privatdozent Dr. Jürgen Hetzel, Pneumologe in der medizinischen Onkologie und Pneumologie an der Uniklinik Tübingen.

Hetzel, der das Projekt leitet, sagt: „Umso wichtiger ist die Studie, damit in Zukunft Risikopatienten früher identifiziert werden können.“

Bessere Vorhersage, bessere Behandlung

In der Praxis könnte dies bedeuten, dass Ärztinnen und Ärzte Betroffene künftig früher, aber auch individueller behandeln können. „Gleichzeitig könnten die Erkenntnisse dazu dienen, die Ressourcen im Gesundheitswesen gezielter einzusetzen“, sagt der Initiator der Studie, Professor Dr. Bernhard Schölkopf, Direktor der Abteilung für empirische Inferenz am MPI-IS. Was dies bedeutet?

„Das Risiko für Engpässe könnte verringert werden.“ Eng in die Studie eingebunden sind die Gesundheitsämter in den Landkreisen Reutlingen, Tübingen und Zollernalb. Sie wollen die Forscher bei der Suche nach Studienteilnehmern unterstützen. Wer also fortan im Zollernalbkreis positiv auf das neuartige Coronavirus getestet wird, kann der Wissenschaft einen wichtigen Dienst leisten – immerhin.

Dr. Gabriele Wagner: „Ich habe sofort zugesagt“

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie sollen dann etwaige Vorerkrankungen dokumentieren – und täglich ihre Beschwerden während der Covid-19-Erkrankung. Zweimal täglich messen sie ihren Puls, ihren Blutdruck und ihre Sauerstoffsättigung im Blut. Die Daten werden am Ende – pseudonymisiert – in der Studienzentrale gesammelt und analysiert.

Dr. Gabriele Wagner, Chefin des Gesundheitsamts im Zollernalbkreis, sagte auf ZAK-Anfrage: „Ich habe sofort zugesagt.“ Denn: „Es ist hilfreich, mehr über Covid-19 zu erfahren.“ Hinzu komme die Früherkennung schwerer Verläufe: „Das Ziel ist, durch die gewonnenen Erkenntnisse bei Bedarf rechtzeitig gegenzusteuern und damit den Kliniken ein besseres Handwerkszeug an die Hand geben zu können.“

Freiwillige gesucht

Studie Das Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Tübingen will mit Hilfe von künstlicher Intelligenz herausfinden, welche Vitalparameter auf einen schweren Covid-19-Verlauf hindeuten. So sollen künftig bessere Vorhersagen und Behandlungen möglich werden. Außerdem könnten Engpässe im Gesundheitswesen verhindert werden. Die Grundlagenforscher wollen zudem die Frage klären, wieso auch immer wieder junge Menschen, die sich mit SARS-CoV-2 infiziert haben, schwer erkranken.

Aufruf Die Forscher suchen Studienteilnehmer, die eben erst herausgefunden haben, dass sie mit dem Coronavirus infiziert sind. Sie wollen diejenigen Patienten für die Studie gewinnen, die ganz am Anfang der Krankheit stehen.

Kontakt Corona-Infizierte erreichen die Studienzentrale per E-Mail an:

covid19-studie@tuebingen.mpg.de oder telefonisch unter 07071 601 535 (Montag bis Freitag 9 bis 12 und 14 bis 16 Uhr). Alle Informationen finden Interessierte zudem auf der offiziellen Internetseite der Studie: https://ei.is.mpg.de/covid-19-studie. Nach der Anmeldung erhalten die Patientinnen und Patienten weitere Informationen. Die Messgeräte und Dokumentationsbögen sowie eine ausführliche Patienteninformation werden per Post zugesandt.

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