Zollernalbkreis

Corona: Antikörper-Studie belegt Infektionsrisiko für Beschäftigte am Zollernalb-Klinikum

13.09.2021

Von Pascal Tonnemacher

Corona: Antikörper-Studie belegt Infektionsrisiko für Beschäftigte am Zollernalb-Klinikum

© Zollernalb-Klinikum

Blut abnehmen für die Studie: Sind beim Probanden Antikörper gegen das Coronavirus nachweisbar?

Nach der Gesamtauswertung der Antikörper-Studie des Zollernalb-Klinikums ist klar, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der ersten Corona-Welle einem erheblichen Infektionsrisiko ausgesetzt waren. Wie lange die Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachweisbar sind und was hinter den Ergebnissen steckt, erläutert Studienleiter Dr. Otto Tschritter unserer Zeitung.

Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zollernalb-Klinikums haben in der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020 Antikörper gegen SARS-CoV-2 gebildet? Und lässt sich so abschätzen, wie viele tatsächlich mit dem Coronavirus infiziert waren?

Dr. Otto Tschritter, Studienleiter und Chefarzt der Zentralen Notaufnahme, hat im Gespräch mit unserer Zeitung die Gesamtauswertung der Studie erläutert.

Tschritter spricht von einem „sehr hohen Rücklauf“ bei der Studie. 853 von rund 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter auch Dienstleister, nahmen über beide Standorte und Abteilungen des Klinikums hinweg teil, sagt er. 80 Prozent der Teilnehmenden waren Frauen.

16,8 Prozent der Teilnehmer mit Antikörpern

Es wurden nur Teilnehmende untersucht, die zum Zeitpunkt der Studienteilnahme gesund waren und in den 14 Tagen zuvor keinerlei Covid-19-Syptome hatten.

Das Hauptergebnis: Antikörper (also sowohl vom Typ IgG, IgM oder IgA) gegen das Coronavirus konnten bei 16,8 Prozent der Teilnehmenden in den Blutproben eindeutig nachgewiesen werden.

Corona: Antikörper-Studie belegt Infektionsrisiko für Beschäftigte am Zollernalb-Klinikum

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Ergebnisse der Antikörper-Studie: Hier noch aufgeteilt nach Geschlecht und Klinikstandort.

„Diese 16,8 Prozent sind mehr als man so als Durchseuchungsrate in der Bevölkerung, nach den Daten, die erhoben wurde, erwartet hätte,“ meint Tschritter.

Lässt sich die hohe Rate an Antikörpern allein dadurch erklären, dass im Gegensatz zum PCR-Test auch viele asymptomatische Infektionen nachgewiesen werden können?

Risiko müsse tatsächlich höher gewesen sein

Das sei eher nicht der Fall, meint er. In einer Teilauswertung (wir berichteten) der Antikörper-Studie am Zollernalb-Klinikum „haben wir ja gesehen, dass nicht jeder Infizierte auch Antikörper gebildet hat. Man muss davon ausgehen, dass die Mitarbeiter in der ersten Welle tatsächlich einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt waren“.

Das bestätigt auch der Blick auf die Covid-19-Kontakte der Studienteilnehmer. Im Fragebogen wurde abgefragt, ob Mitarbeiter Kontakte zu infizierten Personen hatten, sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich.

Corona: Antikörper-Studie belegt Infektionsrisiko für Beschäftigte am Zollernalb-Klinikum

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Welche Art der Kontakte hatten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Infizierten?

Bei Teilnehmern, die wissentlich keinen Kontakt hatten, wurden nur in 8 Prozent Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachgewiesen. Wer dagegen nur berufliche Kontakte hatte, hatte mit 19,8 Prozent am häufigsten einen positiven Antikörperbefund.

Das spreche dafür, dass die beruflichen Kontakte sehr viel stärker zu der hohen Rate an Antikörpern und damit auch zum Infektionsrisiko der Mitarbeiter beigetragen haben als private Kontakte.

Kontaktschwere spielt eine Rolle

Auch die sogenannte Schwere der Kontakte spielt eine Rolle, also wie hoch das Risiko aufgrund des Schutzes war, den der Mitarbeiter beim Kontakt hatte.

Mitarbeiter, die Kontakte mit hohem Risiko (zu wenig Abstand, keine Schutzmaßnahmen, längerer Zeitraum) angaben, haben auch am häufigsten Antikörper gebildet (23,1 Prozent).

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© Zollernalb-Klinikum

Welche „Schwere“ der Kontakte hatten die Studienteilnehmer? Diese Einschätzung beinhaltet beispielsweise die Dauer des Kontakts, den Abstand oder die anderen Schutzmaßnahmen.

Wer gar keine Kontakte hatte oder nur Kontakte mit geringem Risiko (ausreichend Abstand oder Vollschutz), der hatte auch seltener Antikörper im Blut (8 respektive 15,9 Prozent).

Infizierte schon vor Symptomen ansteckend

In der frühen Phase der ersten Welle stellte sich laut Tschritter heraus, dass die meisten infizierten Personen schon vor dem Auftreten der ersten Symptome ansteckend sind und das Virus auf andere übertragen. So lasse sich auch erklären, dass es beim Krankenhauspersonal zu ungeschützten Kontakten kam.

„Da sind Patienten dabei gewesen, die wegen einer Operation aufgenommen wurden und dann an Covid-19 erkrankt sind“, erzählt Tschritter. Die Infektion war bei der Aufnahme noch nicht erkennbar.

Schutzausrüstung hatte gefehlt

Ein weiterer Grund war der eklatante Mangel an Schutzausrüstung. Dies habe dazu beigetragen, dass in Bereichen, die nicht für Covid-Patienten bestimmt waren, das Personal anfangs zum Teil ohne zertifizierte Schutzausrüstung beziehungsweise nur mit Stoffmasken geschützt gearbeitet hat.

Es sei dann aber sehr schnell entschieden worden, dass die zertifizierten Schutzmasken – obwohl Einmalmaterial – für eine ganze Schicht verwendet werden sollen, damit es für alle Mitarbeiter reicht.

Überraschend: mehr Infektionen in Albstadt

Einen Unterschied machte auch der Einsatzbereich und die Zugehörigkeit zu bestimmten Berufsgruppen, erläutert Tschritter. Aber auch hier gab es Überraschungen.

Obwohl Patienten mit Covid-Symptomen in der sogenannten Corona Decision Unit aufgenommen und am Standort Balingen auf Intensiv- und Isolierstationen behandelt wurden, hatten am Standort Albstadt die Mitarbeiter häufiger nachweisbare Antikörper (Albstadt 21,7 Prozent, Balingen 14,4 Prozent).

Ausschlaggebend: zufällige, unerwartete Kontakte

Das könnte man laut Tschritter so interpretieren, dass zufällige, unerwartete Kontakte mit infizierten aber noch symptomfreien Patienten mehr in Albstadt stattfanden und zu mehr Infektionen führten, als die Tätigkeit in einem Covid-19-Bereich.

„Die wenigen zufälligen ungeschützten Kontakte haben mehr ausgemacht, als die Covid-Patienten an einem Standort unter Schutzmaßnahmen zu konzentrieren“, meint Tschritter zu diesem Ergebnis.

Ärzte häufig betroffen

In den „patientennahen“ Berufsgruppen gab es ebenfalls mehr positive Antikörperbefunde als bei „patientenfernen“ Berufen. Überraschend war jedoch, dass die Gruppe der Ärzte mit 25,7 Prozent noch etwas häufiger betroffen war als die Pflege (19,5 Prozent). Das hätte man eher anders herum erwartet.

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© Zollernalb-Klinikum

Welche Berufsgruppe im Zollernalb-Klinikum weist die meisten Antikörper auf?

Darauf folgen die Funktionsdienste, die ebenfalls Patientenkontakt haben (12,1 Prozent), dann „Sonstige“ wie etwa Reinigungskräfte (7,5 Prozent) sowie die Verwaltung (5,8 Prozent).

Antikörper nach drei Monaten rückläufig

Nach drei Monaten wurden dieselben Mitarbeiter erneut eingeladen. Diese Untersuchungen fanden in einem Zeitraum statt, als die Inzidenzzahlen bereits wieder deutlich gesunken sind. Damals kamen nur wenige Fälle mit Antikörpern dazu, sagt Tschritter.

Überraschend war hier allerdings ein bereits erheblicher Rückgang der Häufigkeit von positiven Antikörperbefunden. Ungefähr ein Drittel derer, die in der ersten Phase Antikörper gebildet hatten, wurden bei der zweiten Untersuchung antikörpernegativ getestet.

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Dr. Otto Tschritter, Studienleiter und Chefarzt der Zentralen Notaufnahme, hat im Gespräch mit unserer Zeitung die Gesamtauswertung der Antikörper-Studie erläutert.

„Das ist relativ viel“, sagt Tschritter. Normal und erwartbar sei bei der aktuellen Studienlage eher 15 bis 20 Prozent. Das alles lasse befürchten, dass es Menschen gebe, die wenige Monate nach der ersten Infektion keinen ausreichenden Schutz mehr haben.

Es sei also individuell gesehen unsicher, ob jemand tatsächlich ein halbes Jahr nach Infektion immer noch geschützt sei. „Da sollte man sich nicht in Sicherheit wiegen“, sagt Tschritter.

Der Studienleiter ist zufrieden mit den Ergebnissen der wissenschaftlichen Arbeit, die er und sein Team in einer Zeit gestartet haben, ganz am Anfang der Pandemie, als es noch wenig Informationen gab. Die Erkenntnisse hätten zudem intern in einigen Unternehmensentscheidungen berücksichtigt werden können, sagt Tschritter.

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