Zollernalbkreis

Chefarzt im Zollernalb-Klinikum: „Impfen ist immer die bessere Wahl als eine Infektion“

16.11.2021

Von Pascal Tonnemacher

Chefarzt im Zollernalb-Klinikum: „Impfen ist immer die bessere Wahl als eine Infektion“

© Landratsamt

Professor Dr. Boris Nohé, Chefarzt der Intensivstation, (links) war zum Online-Bürgerdialog von Landrat Günther-Martin Pauli eingeladen.

Der Online-Bürgerdialog von Landrat Günther-Martin Pauli ist zurück – mitten in der vierten Welle. Was Professor Dr. Boris Nohé, Chefarzt im Zollernalb-Klinikum, zur aktuellen Lage in seiner Intensivstation sagt und welche Rolle die niedrige Impfquote dabei spielt.

Deutschland und auch der Zollernalbkreis stecken mitten in der vierten Welle der Corona-Pandemie und eilen von einem traurigen Rekord zum anderen: Wer wie Landrat Günther-Martin Pauli zu Beginn der Pandemie dachte, „wir hätten das nach ein paar Monaten im Griff“ und „der Chefarzt übertreibt vielleicht ein bisschen“, ist seither bereits mehrfach enttäuscht worden.

So auch Professor Dr. Boris Nohé, ebendieser Chefarzt der zunehmend gefüllten Intensivstation am Zollernalb-Klinikum, der zum reaktivierten Online-Bürgerdialog des Landrats eingeladen wurde.

Hoffnung auf guten Winter längst aufgegeben

Denn Nohé hatte die Hoffnung auf einen guten Winter, die er im Interview mit dem ZOLLERN-ALB-KURIER im August noch begründet hatte, schon Ende September verloren, wie er sagt.

„Es wäre vermeidbar gewesen“, sagte Nohé. Und spielt damit nicht nur auf die zu niedrige Impfquote und die vielen Infektionsfälle aktuell an, sondern auch auf die Schicksale, die er und seine Kolleginnen und Kollegen auf der Intensivstation Tag für Tag erleben müssen.

Arbeit auf der Intensivstation fordert auf mehrere Weisen

Das nehme sie mit, das fasse sie an, vor allem im Wissen: Das hätte nicht sein müssen. Das drücke die Stimmung. Nohé erzählt exemplarisch von einem 40-jährigen Familienvater, der die Covid-19-Erkrankung höchstwahrscheinlich nicht überleben wird, und mit dessen Teenager-Kindern darüber geredet werden muss. Und dass die andauernde Arbeit auf den Intensivstationen unter Corona-Bedingungen besonders fordernd ist, ist keine Nachricht mehr.

Gar eine Falschnachricht, oder Quatsch wie es Landrat Pauli klar benennt, ist der Vorwurf, Intensivbetten seien im Verlauf der Pandemie im Zollernalb-Klinikum abgebaut worden.

Keine Betten auf der Intensivstation abgebaut

Professor Nohé erläutert die Lage: Es gebe weiterhin 26 Intensivbetten, davon 14 in Albstadt und 12 in Balingen. Diese könnten auf 28 ausgeweitet werden. Seit der Pandemie gebe es dort auch jeweils Beatmungsgeräte.

Nohé stellt klar: „Ein Bett ist nicht gleich ein Bett, ein Bett braucht Technik und Personal.“ Und weil eben ein Teil dieses Personals im Laufe der Pandemie den Beruf nicht mehr machen konnte oder wollte, mussten Betten deutschlandweit reduziert werden, sagte der Intensivmediziner.

Nur noch ein freies Bett

Ein freies Bett gibt es Stand Dienstagabend auf der Intensivstation im Zollernalb-Klinikum. 8 Covid-Patienten belegen Intensivbetten, vier davon werden invasiv beatmet. „Zwei Patienten geht‘s besser, die konnten wir noch nicht verlegen, wir hoffen, dass wir das in dieser Woche noch hinbekommen“, sagte Nohé.

Dass die Situation kein Problem darstellt, weil nur ein Teil der Intensivbetten von Corona-Patienten belegt ist, sei ein Trugschluss. „Wir haben Menschen mit schweren Erkrankungen, die auch behandelt werden müssen und auch die füllen Intensivbetten“, sagte Nohé.

Man wolle alles tun, dass „wir auch diese Patienten in der zeitlichen Dimension behandeln können wie wir gerne würden“. Noch gelinge das, in anderen Bundesländern werde das schon schwieriger, meint Nohé.

Wie viele der Patienten geimpft sind

In den vergangenen zwei Monaten seien rund ein Viertel der stationär aufgenommenen Covid-Patienten geimpft gewesen. Auf der Intensivstation sei das Verhältnis von Geimpften zu Ungeimpften 30 zu 70 Prozent.

Die Patienten mit Impfung seien aber ausnahmslos ältere Menschen oder Menschen mit schweren Immundefekten, beispielsweise nach Transplantationen. Zudem sei die Delta-Variante des Coronavirus‘ deutlich infektiöser und deshalb auch Geimpfte vermehrt betroffen.

Selten wird Diagnose Corona verweigert

Die Impfung schütze aber vor schweren Verläufen und sei, so Nohé, immer die bessere Wahl. „Absolut positiv“ stehe er auch zur Drittimpfung. Das Risiko für infizierte Ungeimpfte im Krankenhaus behandelt werden zu müssen, sei sechs Mal so hoch wie bei Geimpften.

Sehr vereinzelt gebe es Patienten, die bis zur Intensivstation die Diagnose Corona ablehnen würden. Ob diese deshalb „Querdenker“ seien, könne er gar nicht so scharf definieren und das hinterfrage er auch nicht, was auch Landrat Pauli befürwortete.

Nur 2G und Impfen hilft

Nur ein flächendeckendes 2G-Vorgehen sowie weitere Impfungen können Nohé zufolge in den nächsten Wochen helfen, die Welle etwas abzudämpfen. „Das Schließen der Impflücke hätte einen erheblichen Effekt“, sagte Nohé.

Landrat Pauli will die Impfangebote, sowohl für Booster- als auch Neuimpfungen, ausbauen. Das Kreisimpfzentrum in Meßstetten hätte zwar geschlossen werden müssen, doch der Landrat kündigte an: „Wir bereiten alles vor, um im Bedarfsfall sehr schnell wieder auch dort für alle verlässlich eine Impfstation einrichten zu können.“

Verantwortliche wollen Impfangebote ausbauen

Das soll mit Veranstaltern, die Impfaktionen durchführen, zusammen organisiert werden. „Weil nicht jede Lokalität, die zum Impfen aufgemacht wurde, die Größe hat und die Abläufe durchführen kann“, sagte Pauli.

Auch im ehemaligen Hechinger Krankenhaus im Fürstengarten plane er, Impfungen künftig anbieten zu können.

Nohé: Auch Masken helfen

Neben Impfungen setzt Nohé, aber auch Pauli, daher auf ein vernünftiges Verhalten. „Eine Maske ist ein Freund“, sagte Nohé. Denn von 36 Patienten, die aktuell in der Klinik behandelt werden, kämen rechnerisch etwa ein Drittel auf die Intensivstation. Diese mögliche Belastung könne man sich vorstellen. Schon jetzt würden Patienten, wie berichtet, verlegt.

Was die Impfquote bei Beschäftigten in Schulen und Kitas angeht, gebe es keine genauen Zahlen, sagt Landrat Pauli. Doch den Trägern zufolge sei diese sehr hoch, skeptische Beschäftigte hätten überzeugt werden können.

Wo es aktuell Ausbrüche gibt

Ausbrüche gebe es in einzelnen Schulen im Landkreis, aber auch in einzelnen Seniorenresidenzen sowie kleinere Ausbrüche in Behinderteneinrichtungen, wobei die Verantwortlichen die Lage sehr gut im Griff hätten, so Pauli.

Die Impfung sei das schärfste Schwert gegen Corona, meinte Nohé. Tests helfen zusätzlich, doch: „Mit täglichem Testen sind wir schlechter dran als mit der Impfung.“ Außerdem sei es nicht umsetzbar. Bei symptomlosen, mit der Delta-Variante Infizierten hätten Schnelltests zudem eine größere Unschärfe als bei anderen Varianten.

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