Dotternhausen

Bürgerinitiative will Klage einreichen

29.03.2017

von Maya Maser

Holcim erhöht seine Ersatzbrennstoffe von 60 auf 100 Prozent. Dabei müsste nach Auffassung einiger kritischer Dotternhausener erst eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht werden.

Bürgerinitiative will Klage einreichen

© Maya Maser

Fast alle Plätze waren beim Bürgertreff im Gasthaus Plettenberg in Schömberg besetzt. Jedoch erschienen nur zwei Endinger – für die diese Veranstaltung ursprünglich gedacht war. Organisator Siegfried Rall war trotzdem zufrieden mit der Resonanz.

Die Wut auf den Zementhersteller Holcim, auf das Regierungspräsidium Tübingen und auf das Landratsamt ist groß. Das war beim Bürgertreffen am Montagabend im Gasthaus Plettenberg in Schömberg deutlich zu spüren. Der ehemalige Gemeinderat und Organisator des Treffens, Siegfried Rall, macht sogar den Bürgerentscheid in Dotternhausen für seinen Schlaganfall am Tag danach verantwortlich. „Das haben wir den unfairen Methoden zu verdanken“, betont Rall bei der Eröffnung. „Es wird eine kleine Gruppe niedergemacht – das sitzt tief.“

Doch worum geht es überhaupt? Erst vor zwei Wochen erhielt Holcim vom Regierungspräsidium Tübingen die Genehmigung zur Erhöhung der Ersatzbrennstoffe von 60 auf 100 Prozent. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung wurde zuvor nicht gemacht. Diese würde aufzeigen, ob gesundheitliche Beeinträchtigungen für Mensch, Tier, Pflanzen, Wasser und Böden, aber auch Lärm des Straßenverkehrs vorliegen oder zu erwarten sind.

Ein Unding, dass diese Prüfung nicht angeordnet wurde, so die Auffassung des BUND, des Landesnaturschutzverbandes (LVN), der BI und 16 Kritikern, die Einspruch erheben. „Als nur ein Brennstoff – bis jetzt Kohle – zum Einsatz kam, waren die Abgasströme weitestgehend bekannt“, lauten die Worte von Siegfried Rall. „Wenn jetzt aber über zehn verschiedene Ersatzbrennstoffe und giftiger Sondermüll zum Einsatz kommt, werden die Emissionen nicht mehr vorhersehbar und die Umwelt eklatant geschädigt.“

Dieses und die Gefahren eines Dioxinunfalls würde das Regierungspräsidium in seiner Genehmigung nicht berücksichtigen, so Ralls Vorwurf. „Deshalb ist ein Umweltverträglichkeitsgutachten unbedingt erforderlich und muss eingeklagt werden. Man kann es nicht fassen, dass man eine Behörde, deren Pflicht es ist, Bürger vor Gesundheitsgefahren zu schützen, verklagen muss“, betont er.

Rall wirft zudem dem Zementwerk vor, beim sogenannten „Direktbetrieb“ den Filter für vier Stunden täglich abzuschalten. „Die können dann alles in die Luft blasen, was sie wollen.“

Der ehemalige Dotternhausener Bürgermeister Norbert Majer legt das Augenmerk besonders auf die Kosten, die eine solche Klage verursachen würde. „Da hier eventuell Kosten von 30.000 bis 50.000 Euro entstehen können, sind wir auf jede kleine und größere Spende angewiesen“, so Majers Appell.

„Da die Klagefrist in einer Woche abläuft, muss die Bürgerinitiative jetzt sofort Spendengelder einsammeln. Und dies nur, damit man größere Umweltschäden verhindert“, fügt Siegfried Rall hinzu.

Ein weiteres Thema, das bei dem Bürgertreffen thematisiert wird, ist Balingen. Die Kreisstadt liegt nämlich in der Hauptwindrichtung des Zementwerks. Für die Bürgerinitiative ist es daher möglich, dass die Schadstoffe, die in Dotternhausen aus den Kaminen des Zementwerkes hochsteigen, bei Balingen zurück zur Erde gelangen und eventuell die Böden belasten. Um dies beweisen zu können, ließ Martin Stussak, Sprecher der BI Pro Plettenberg, Bodenproben veranlassen. Dabei sei vor allem der Hungerberg in Erzingen negativ aufgefallen: „Als ich die Ergebnisse gesehen habe, hat es mich gelupft“, so Stussak. Die Proben würden unglaubliche Überschreitungen von Giftstoffen zeigen. Um die Endinger und Erzinger Bürger eben über diese Ergebnisse in Kenntnis zu setzen, hatte Siegfried Rall das Treffen organisiert. Doch gerade einmal zwei Anwesende stammten aus Endingen.

Stussak fordert die Zuhörer auf, auch auf ihrem Grundstück Bodenproben zu nehmen und einzuschicken. „Vielleicht können wir dann eine Art Karte mit den Bodengiftstoffen zeichnen“, erklärt er sein Vorhaben.

Norbert Majer fordert, dass das Regierungspräsidium dem Zementhersteller die Auflage stellen soll, eine Katalysatorenanlage (SCR) einzubauen. Damit sei es möglich, die Schadstoffbelastung um 50 Prozent zu senken. Doch weder Holcim noch das Regierungspräsidium Tübingen seien darauf bisher eingegangen, meint der ehemalige Bürgermeister. „Es ist schon komisch, dass sich kleine Zementwerke diesen SCR-Filter leisten können, Dotternhausen aber nicht“, behauptete zuvor Martin Stussak. „Wir haben nur einen Hauptverschmutzer hier in der Region, aber der tut dafür sein Ganzes – wie man an meinen Zahlen erkennen kann“, erklärte er.

 

Und was sagt Holcim zu den Vorwürfen?

Stellungnahme Holcim äußert sich auf Nachfrage des ZAK wie folgt: „Das Zementwerk hat die aktuelle Technologie und verschiedene Abgasminderungen im Einsatz, was die niedrigen Emissionswerte auch zeigen. Es ist genau die Technologie, die für die Prozesse im Zementwerk Dotternhausen auch Sinn macht. So zum Beispiel feuerungstechnische Maßnahmen, wie sehr hohe Verbrennungstemperaturen und lange Verweilzeiten der Abgase im Hochtemperaturbereich, in dem organische Verbindungen zerstört werden. Darüber hinaus eine mehrstufige Absorption im Wärmetauscherturm, Rohmühle und Filter zur Minderung von sauren Bestandteilen – wie zum Beispiel Schwefeloxide, Fluorverbindungen, Chlorverbindungen – und von Schwermetallen. Des Weiteren eine SNCR-Anlage zur Minderung von Stickoxiden und schließlich noch einen hochmodernen Gewebeschlauchfilter zur Minderung von Staubemissionen und gleichzeitig Adsorption von Schwermetallen und organischen Stoffen. Aufgrund unserer Rohstoffsituation, unserer ausgewählten Ersatzbrennstoffe und unserer Anlagentechnik sind wir in der Lage, alle Grenzwerte nicht nur einzuhalten, sondern diese größtenteils deutlich zu unterschreiten.“

Filter „Die Behauptung, dass für vier Stunden am Tag ein Filter ausgeschalten wird, ist falsch. Wir haben sechs verschiedene Filterstufen im Klinkerbrennprozess an verschiedenen Stellen, die während des Regelbetriebs immer aktiv sind. Nur in Ausnahmefällen der Wartung ist es technisch vorgesehen, eine dieser Filterstufen zu deaktivieren – die anderen fünf sind davon unberührt weiter aktiv.“

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