Balingen

Böden als Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs: Untersuchungen am Schiefermeiler bei Erzingen

12.10.2021

von Pressemitteilung des Landratsamts

Böden als Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs: Untersuchungen am Schiefermeiler bei Erzingen

© Landratsamt Zollernalbkreis

Das Vertikalprofil des ehemaligen Meilers zeigt anschaulich die einzelnen Erdschichten.

Der Bundesverband Boden unter Organisation des vereinsinternen Fachausschusses „Kriegsbeeinflusste Böden“ führte vom 1. bis 3. Oktober eine geschichtliche beziehungsweise geologisch-bodenkundliche Exkursion im Zollernalbkreis durch. Im Fokus stand hierbei das Unternehmen „Wüste“, das von den Nationalsozialisten gegen Ende des Zweiten Weltkriegs zur Gewinnung von Schieferöl aus Ölschiefer im Großraum Balingen beschlossen wurde.

Das Landratsamt Zollernalbkreis beteiligte sich an Teilen der Exkursion: Kreisarchivar Dr. Andreas Zekorn hielt einen Fachbeitrag zur Geschichte und Mitarbeitende der unteren Bodenschutzbehörde nahmen an der bodenkundlichen Aufarbeitung einer ehemaligen Extraktionsanlage teil.

Für letztere wurden die hügelartigen Überreste eines Meilers auf dem Geischberg in Erzingen besichtigt und bodenkundlich erfasst. Bei dem Meilerverfahren wurde der Schiefer ähnlich wie bei der Holzkohleherstellung mit brennbarem Material überdeckt und anschließend verschwelt.

Ölschiefer als Ausgangssubstrat

„Da die Bodenbildung ein sehr langsamer, aber fortwährender Prozess ist, der auch nach Störungen der natürlichen Standortverhältnisse abläuft, ist der Meiler inzwischen in das Landschaftsbild des Geischbergs eingebunden“, fasst Dr. Johannes Scheckenbach vom Amt für Umwelt und Abfallwirtschaft beim Landratsamt die bodenkundliche Untersuchung durch den Bundesverband Boden (BvB) zusammen.

Dies ließe sich am oberflächlichen Bewuchs des Meilers erkennen, welcher sich auf Basis einer jungen Oberbodenschicht auf dem aufgeschichteten, verschwelten Ölschiefer bilden konnte. „Der anthropogen aufgebrachte Ölschiefer stellt hierbei das neue sogenannte Ausgangssubstrat der Bodenbildung dar und zeichnet sich durch leuchtend gelbe, rot bis purpurne Färbungen aus, welche im Zuge der unterschiedlich hohen Hitzeeinwirkung der Verschwelung entstanden“, so Scheckenbach weiter.

Insgesamt ist der Bereich des ehemaligen Meilers ein hervorragendes Beispiel für die im Bundes-Bodenschutzgesetz verankerte Funktion von Böden als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte.

Fachgerechte Bewirtschaftung hat hohen Stellenwert

Im umliegenden Gebiet wurden die natürlich entwickelten Böden des Geischbergs untersucht. Aufgrund des hohen Tongehalts ist eine Bearbeitung dieser Böden nur unter bestimmten Feuchtigkeitsverhältnissen möglich, wodurch sie als „Minutenböden“ bezeichnet werden und der fachgerechten Bewirtschaftung ein hoher Stellenwert zur Erhaltung der natürlichen Bodenfunktionen zukommt.

Während der Exkursion erfolgte durch den lokalen Balinger Arbeitskreis „Wüste“ eine historische Betrachtung der im Zuge des Unternehmens errichteten Konzentrationslager beziehungsweise „Wüste“-Werke und der begangenen Kriegsverbrechen der Nationalsozialisten. Durch das Engagement des Arbeitskreises wurden unter anderem Gedenkstelen errichtet, die sich der Information und dem Gedenken an das Unternehmen Wüste widmen.

Verschiedene Perspektiven führten zu einem Bild

Da sich BvB für eine Verbesserung der fachlichen Grundlagen des Bodenschutzes einsetzt und als Plattform für Einzelpersonen, Organisationen, Firmen und Behörden einen konstruktiven Austausch zum Thema Bodenschutz fördert, ergab sich für die Teilnehmenden außerdem die seltene Möglichkeit der Diskussion von Problemstellungen aus verschiedenen Perspektiven.

Schiefermeiler war dieses Jahr schon Ort von Untersuchungen

Es war nicht das erste Mal, das der Ölschiefermeiler und dessen Umfeld Ort von wissenschaftlichen Untersuchungen war. Das Landesdenkmalamt führte Ende Juni gemeinsam mit der Universität Tübingen ein Projekt zur Erforschung des Erzinger Ölschiefermeilers durch. Die interdisziplinären Wissenschaftler entnahmen Proben, die Aufschluss über die Funktionsweise der Meiler geben sollen.

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