Albstadt

Blick hinter die Kulissen der Machtzentrale: Robin Alexander bei den Albstädter Literaturtagen

25.11.2022

Von Ulrike Zimmermann

Blick hinter die Kulissen der Machtzentrale: Robin Alexander bei den Albstädter Literaturtagen

© Ulrike Zimmermann

Moderator Johannes Riedel (links) entlockte dem stellvertretenden „Welt“-Chefredakteur Robin Alexander im Gespräch interessante Informationen.

Die „Welt“ zu Gast auf dem Europaplatz in Albstadt: Der Journalist Robin Alexander analysiert in seinem neuen Buch „Machtverfall“, das er in Ebingen vorstellte, die letzten Jahre von Angela Merkel als Kanzlerin.

Leichte Kost war das nicht, was Robin Alexander mit seinem Buch „Machtverfall“ dem Publikum im Rahmen der Literaturtage Albstadt in der Volksbank Ebingen präsentierte, dafür aber unglaublich spannend. Seit 20 Jahren ist der Journalist Robin Alexander im politischen Beobachtungsgeschäft.

Regelmäßiger Gast im Fernsehen

Der stellvertretende Chefredakteur der „Welt“ ist regelmäßiger Gast im Fernsehen. Sein Buch „Die Getriebenen. Merkel und die Flüchtlingspolitik“ stand 2017 mehrere Wochen auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste und wurde sogar verfilmt.

Im Mai 2021 veröffentlichte er den Report „Machtverfall“ und blickt dabei hinter die Kulissen der politischen Machtzentrale, den Kampf gegen das Corona-Virus, die Tücken des Föderalismus und die entscheidende Frage: Wer tritt Angela Merkels Erbe an?

Lange ausgebucht

Die Veranstaltung mit dem prominenten Gast war schon sehr früh ausverkauft. Politikmüdigkeit sieht anders aus. Nach der Begrüßung der Gäste im neuen Forum der Volksbank Albstadt durch Benjamin Wurm, Vorstandsmitglied der Volksbank Albstadt, und Martin Roscher vom Kulturamt Albstadt, der die Veranstaltung im Rahmen der diesjährigen Literaturtage als „besonderes Highlight“ ankündigte, übernahm SWR-Journalist Johannes Riedel die Regie.

Locker geplaudert

Locker plauderte er mit Robin Alexander über seinen Arbeitsalltag und seine Familie und entlockte ihm so manches, was zum Schmunzeln anregte. Robin Alexander erzählte über seine abenteuerliche Bahnfahrt nach Albstadt mit dreistündiger Verspätung in Stuttgart.

Sebastian Haffner als Vorbild

Er gab Einblicke in seinen Lebenslauf und verriet, dass er beim Schreiben eines Buches immer acht bis zehn Kilo zunehme. Sein großes Vorbild sei der deutsch-britische Journalist und Schriftsteller Sebastian Haffner. Er outete sich als Schalke-04-Fan und bedauerte, dass die Fußball-WM immer politischer werde und damit einige junge Spieler überfordere.

Streifzug durchs Tagesgeschehen

Die szenische Chronik der letzten Jahre von Kanzlerin Angela Merkel ist kein Geschichtsdokument, eher ein Streifzug durch das Tagesgeschehen, das mit aller Deutlichkeit aufzeigt, warum die einstige „letzte Verteidigerin des freien Westens“ zur ohnmächtigen Coronakanzlerin wird, der „das Ding entglitten“ ist.

Blick hinter die Kulissen der Machtzentrale: Robin Alexander bei den Albstädter Literaturtagen

© Ulrike Zimmermann

Robin Alexander signierte nach der Lesung bereitwillig Bücher.

Robin Alexander setzte bei seiner Lesung aus „Machtverfall“ zwei Schwerpunkte: das Fiasko während der Coronapandemie und das Duell zwischen Armin Laschet und Markus Söder um Merkels Nachfolge, den letztlich der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble entschieden hat. Der war einst als CDU-Vorsitzender von Merkel entmachtet worden, andernfalls wäre er selbst Bundeskanzler geworden. „Schäuble will entscheiden, wer der nächste Kanzler wird. Vor allem: wer es nicht wird.“

Schonungslose Analyse

Schonungslos öffnet der Journalist die Augen über den Kampf um die Kanzlerkandidatur, der in der CDU bis heute nachhallt und sich die Partei nach ihrem herben Profilverlust in der Opposition regenerieren muss. Fasziniert sprachlos ließen sich die Zuhörer in den Sog um Macht und Machtverfall hineinziehen. Sie blickten schaudernd zurück und hatten das Gefühl, als wäre das alles erst gestern gewesen.

Als wäre es gestern gewesen

Robin Alexanders Report geht weit darüber hinaus, was in den Medien durchgesickert ist. Ob dabei tatsächlich alles Geschriebene auf die Goldwaage gelegt werden kann, mag bezweifelt werden. Natürlich gibt er unumwunden zu, habe er sich dabei auf seine Informanten gestützt, aber das sei journalistischer Alltag, dies sorgfältig abzuwägen und genau zu recherchieren.

Wo Robin Alexander Unterschiede zwischen Angela Merkel und Olaf Scholz sehe, wird er aus dem Publikum gefragt. Viele Unterschiede könne er nicht erkennen, nur dass er jetzt angeblich alles schon immer gewusst habe.

Blick hinter die Kulissen der Machtzentrale: Robin Alexander bei den Albstädter Literaturtagen

© Ulrike Zimmermann

Die Veranstaltung mit Robin Alexander war schon lange ausverkauft.

Albschreiber Andreas Steidel setzt nach: „Ist das alles eine Nummer zu groß für ihn?“ Alexander Robin weicht bei dieser Frage aus. Scholz wäre ein sehr erfahrener Politiker, aber er rede wahnsinnig leise.

Rhetorik des Kanzlers wird schärfer

Die letzte Bundestagsdebatte und der Schlagabtausch zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz seien jedoch ein sichtbares Zeichen, dass seine Rhetorik schärfer werde. Bleibt die Frage für die nächste Bundestagswahl, die sich viele Bürger in unserem Land stellen: Welche Partei kann unsere Republik überhaupt in die Zukunft führen? Oder sind wir alle nur ein Spielball im Machtgefüge der Mächtigsten des Landes? Viel Stoff für Robin Alexander. Ob er schon an einem dritten Buch arbeite, lässt er unbeantwortet.

Schlangen am Büchertisch

Man darf gespannt sein. Auch nach der Veranstaltung war Robin Alexander ein gefragter Mann. Schlangen bildeten sich an dem Büchertisch, und beim Signieren freute er sich sichtbar über die große Resonanz.

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