Bisinger Ausstellung zeigt: Die Grenzen zwischen Dorf und KZ verschwimmen zum Ende des Krieges

Von Dr. Ines Mayer

Nach 14 Monaten Planung und sieben Monaten Umbau wird das Museum KZ Bisingen am 2. Juni mit einer neuen Ausstellung wiedereröffnet. In fünf Themenräumen und einem Introraum wird die Geschichte des KZ Bisingen mit verschiedenen Medien vermittelt. In den Vorwochen ging es um die Themenbereiche „Häftlinge“ und „Täter“. Heute wird ein Exponat aus dem Raum „KZ und Dorf“ vorgestellt.

Bisinger Ausstellung zeigt: Die Grenzen zwischen Dorf und KZ verschwimmen zum Ende des Krieges

Im Raum „Das KZ und das Dorf“ wird mit einem Paar Schnürstiefel an den „Häftlingsverleih“ erinnert.

Im Heimatbuch der Gemeinde Bisingen-Steinhofen von 1953 wird behauptet, dass sich „das Leben im KZ in völliger Abgeschlossenheit von der Gemeinde (vollzog)“. Das Gegenteil ist der Fall. Wie in den anderen Arbeitslagern der letzten Kriegsphase verschwammen die Grenzen zwischen KZ und Dorf. Die Häftlinge des KZ waren fast täglich im Ort zu sehen, auf ihrem Weg zum Ölschieferwerk Engstlatt, bei Aufräumungsarbeiten nach Bombenangriffen oder in ortsansässigen Firmen. Wie in anderen Konzentrationslagern wurden auch in Bisingen Häftlinge als billige Arbeitskräfte an Firmen oder Privatpersonen „verliehen“.

„Wir forderten Fachkräfte an“

Der damalige Mitinhaber der Schuhfabrik Keller gab nach Kriegsende ganz offen zu, wie selbstverständlich dies praktiziert worden war: „Gegen Ende des Krieges war ein großer Teil unserer Fachkräfte zum Wehrdienst eingezogen worden. Um unseren Betrieb fortsetzen zu können, wandten wir uns verschiedentlich an die Lagerleitung des KZ Bisingen mit der Bitte um Überlassung von Häftlingen. Wir forderten hauptsächlich Fachkräfte an, wie zum Beispiel Mechaniker, Schreiner, Modelleure und so weiter. Unserer Bitte wurde von Seiten der Lagerleitung entsprochen und uns wurden verschiedentlich Häftlinge zugeteilt. Diese kamen jeweils mit einem SS-Angehörigen des Lagers oder mit einem Mann der Bewachungsmannschaft.“

Meist im Maschinensaal der Schuhfabrik tätig

Die meisten Häftlinge wurden im Maschinensaal der Schuhfabrik eingesetzt; einzelne Gefangene wurden für das Büro der Firma angefordert, um Schreibmaschinen zu reinigen und zu reparieren. Durch diesen „Häftlingsverleih“ kamen Bisinger Bürger in direkten Kontakt zu Wachmännern und zu den KZ-Häftlingen. Es sind einzelne Fälle belegt, in denen Angestellte der Keller’schen Schuhfabrik Lebensmittel an die Gefangenen abgaben. Außerdem lieh eine Mitarbeiterin einem Wachmann, den sie öfter im Büro traf, ihr Akkordeon aus.

Schnürstiefel erinnern an den Häftlingsverleih

Der Betreiber einer Schuhgroßhandlung in Bisingen, bei dem die Lagerleitung Schuhcreme und ähnliches einkaufte, machte die Bekanntschaft des stellvertretenden Lagerführers Franz Ehrmanntraut. In mehreren Fällen forderte der Geschäftsmann Häftlinge vom KZ an, „und zwar zwei bis drei Mann jeweils, die für Gartenarbeiten und anderes eingesetzt wurden“.

Im Raum „Das KZ und das Dorf“ wird mit einem Paar Schnürstiefel an diesen „Häftlingsverleih“ erinnert. Sie stammen aus der Keller’schen Schuhfabrik und werden dem Gedenkstättenverein freundlicherweise vom Heimatverein Bisingen-Steinhofen als Leihgabe für die neue Ausstellung im Bisinger KZ Museum überlassen.

Eröffnungsfeier ist am 2. Juni

Die Gemeinde Bisingen und der Verein Gedenkstätten KZ Bisingen laden ein zur Wiedereröffnung der neuen Dauerausstellung im Museum KZ Bisingen. Die Feier findet am 2. Juni, 11 Uhr, in der Hohenzollernhalle Bisingen statt. Den Festvortrag hält Jens-Christian Wagner, Leiter der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten.