Bio-Wurst, die keine war: Zwei Landwirte aus dem Kreis Rottweil betrieben Etikettenschwindel

Von Peter Arnegger

Einfach das Etikett geändert, schon wird Wurst aus konventioneller Landwirtschaft zu Wurst aus biologischer Landwirtschaft: So geschehen im Landkreis Rottweil mit Produkten, die ein Metzger aus dem Zollernalbkreis – von dem Schwindel nichts ahnend – geliefert hatte. Der Fall landete nun vor Gericht.

Bio-Wurst, die keine war: Zwei Landwirte aus dem Kreis Rottweil betrieben Etikettenschwindel

Ein Etikettenschwindel im wahrsten Sinn des Wortes kam vor Gericht (Symbolfoto).

Weil sie herkömmliche Metzgerei-Wurst auf ihrem Hof als Bioware verkauft haben, hatten sich zwei Landwirte aus einer Gemeinde bei Rottweil am Montag vor dem Amtsgericht zu verantworten. Zwar züchten sie in einem ihrer Betriebe Bio-Schweine, haben tatsächlich aber in großen Mengen Wurst hinzugekauft und dann falsch etikettiert. Das flog bei einer Kontrolle auf.

Anwälte sprachen

Die Landwirte schwiegen beim Prozess zunächst zu den Vorwürfen, ließen ihre Anwälte sprechen. Diese wiederum nutzten eine überraschende Vorlage durch die Richterin, das Verfahren wurde gegen eine Geldbuße eingestellt. Doch von vorn: Die beiden Angeklagten sind Landwirte in einer Rottweiler Kreisgemeinde. Sie betreiben seit gut zehn Jahren einen inzwischen bio-zertifizierten Bauernhof samt Laden und kleiner Gastronomie.

Im September 2019 kam es zu einer Lebensmittelkontrolle bei einer Metzgerei im Zollernalbkreis. Der Kontrolleur fand eine Wurstdose, die offenkundig falsch etikettiert war. Darauf: ein Bio-Label. Drin: ganz gewöhnliche Wurst, so sein Verdacht. Er begann, dem nachzugehen.

Massive Kontrolle

Die Spur führte in die Nähe von Rottweil, denn die Zollernalb-Metzgerei belieferte damals den Betrieb der angeklagten Landwirte. Nur Tage später ist deshalb deren Bauernhof von Lebensmittelkontrolleuren durchforstet worden. Man wurde laut der Behörde auch fündig: Mindestens 20 Bratwurstdosen mit je 300 Gramm, gekauft von der Metzgerei, sollen die Landwirte mit eigener Banderole beklebt haben. Bio, statt konventionell. Diese Dosen sollten auf dem eigenen Hof verkauft werden. Und zwar in einer zum Betrieb gehörenden Gastronomie, so die Aussage der Landwirte.

Etliche Wurstwaren „falsch“

Wie sich herausstellen sollte, blieb es aber offensichtlich nicht bei den umetikettierten Bratwurstdosen. Auch gerauchte Würste und Landjäger, die zunächst konventionell von der Metzgerei im Zollernalbkreis hergestellt wurden, sind demnach mit einer Bio-Banderole versehen worden. Und auch Schwarz- und Leberwurst, Bierschinken, Landjäger und Speck haben die Landwirte falsch gekennzeichnet, um sie als Bioware zu verkaufen.

So soll es seit Dezember 2018 gelaufen und auf der Hofladen-Website beworben worden sein, erklärte der Vertreter der Staatsanwaltschaft. Der juristische Vorwurf: Das seien jeweils Verstöße gegen Paragraf 11, Absatz 1, Nummer 1 des Lebensmittel- und Futtergesetzes.

Zeuge aus dem Zollernalbkreis

Die beiden sollen Lebensmittelkennzeichnungen verfälscht haben, die so veränderten Lebensmittel in Verkehr gebracht und dafür auf ihrer Website geworben haben. Mithin geht es auch um Urkundenfälschung. Im Juli 2021 erhielten die Hofbetreiber Strafbefehle, gegen die sie jedoch Einspruch einlegten, weshalb es jetzt zu der öffentlichen Gerichtsverhandlung kam. Als Zeuge geladen war dabei auch der Fleischermeisters aus dem Zollernalbkreis.

Schweine aus Zweigbetrieb

Er kenne die Angeklagten „durch die Geschäftsbeziehung“, die inzwischen beendet, die ausgelaufen sei. Zuvor hatte er vertraglich als Subunternehmer für das Landwirtspaar gearbeitet. Anfänglich seien beide gemeinsam aufgetreten, dann habe der Landwirt Schweine aus einem Zweigbetrieb seines Hofs bei ihm schlachten lassen und zudem wöchentlich wohl für seinen Hofladen Wurstwaren gekauft.

Schwarzwurst in Ringen, beispielsweise, Landjäger als Paare, jeweils in Kisten. Die Bestellung sei per Fax gekommen, donnerstags gegen halb Zehn wurde die Ware abgeholt, vom Angeklagten. Die Würste „gingen bei uns von der normalen Produktion weg“. Konventionell hergestellte Wurst. Wer das Bestellfax gesendet, wer es unterschrieben habe, das wisse er nicht.

Verdacht nach Routinekontrolle

Wie aber flog der Etikettenschwindel dann auf. Ein Lebensmittelkontrolleur des Landratsamts Zollernalb fand bei einer Routinekontrolle in der Metzgerei eine nicht korrekt verschlossene Bratwurstdose. Dies hatte der Landwirt angemahnt und die Dose in die Metzgerei zurückgebracht, weil der Metzger sie selbst noch einmal in Augenschein nehmen wollte.

Zu diesem Zeitpunkt war das falsche Bio-Etikett bereits an der Dose angebracht gewesen. Der Lebensmittelkontrolleur veranlasste eine Untersuchung des Produkts, wobei festgestellt wurde, dass es sich um konventionelle Wurst, nicht um Bio-Wurst handelt.

Labor in Freiburg

Der Kontrolleur aus dem Zollernalbkreis meldete den Fall seinen Rottweiler Kollegen. Diese wiederum verfügten eine Überprüfung weiterer Wurstwaren, die die Landwirte auf ihrem Hof anboten. „Bei diversen Würsten haben wir über ein Labor in Freiburg festgestellt, dass darin keine Biowurst enthalten war“, erklärte einer der Rottweiler Lebensmittelkontrolleure nun vor Gericht. Auch habe das Landwirtehpaar auf der eigenen Website den Verbrauchern suggeriert, dass sie Biowurst verkaufen würden.

Die Folge der Laboruntersuchungen: Die Polizei wurde eingeschaltet, es gab eine Hausdurchsuchung bei den beiden Ladwirten. Die Mitarbeiter des Landratsamts Rottweil und die Landwirte kannten sich zu jenem Zeitpunkt laut dem Lebensmittelkontrolleur schon seit Jahren. Die Behörde habe insgesamt viermal versucht, auf die Bauern einzuwirken, die Kennzeichnung ihrer Wurst richtig vorzunehmen.

Tierarzt sagt aus

Unabhängig von der Bio-Labelung soll es schon anderweitig Etikettierprobleme mit dem Betrieb gegeben habe. Es ging dabei, nach Aussage des Kontrolleurs. um die Verwendung von EU-Labeln, die so, wie von den Landwirten an den Waren angebracht, den Metzger als Produzenten ausgewiesen hätten und auch als rechtlich Verantwortlichen. Nicht sie, wie es wohl korrekt gewesen wäre.

Ein weiterer Zeuge, ein 52-jähriger Rottweiler Tierarzt, der den Betrieb in der Kreisgemeinde mit zwei Kolleginnen und einem Kollegen aufgesucht hatte, erinnerte sich vor Gericht daran, dass der landwirtschaftliche Betrieb über die Jahre in mehrere Unternehmensbereiche gewachsen sei.

Knackpunkt Lieferscheine

„Es war uns bekannt, dass nicht alles vor Ort produziert wird, sondern auch im Service beziehungsweise im Einzelhandel bezogen wird“, erklärte der Veterinär. Die Menge an Waren, die im Hofladen später als Bioware verkauft worden sei, sei bei weitem nicht selbst erbracht worden.

Ein Punkt, an dem die Verteidigung ansetzen wollte – denn diese Aussage könne der Veterinär nicht auf Unterlagen stützen, so der Vorwurf eines Verteidigers. Denn es gebe schlicht keine. Der Veterinär zeigte dagegen Lieferscheine vor. Der Knackpunkt: Die vorliegenden Lieferscheine hatte die Metzgerei ausgestellt. Wie viele Schweine gewissermaßen als Rohprodukt der Bio-Mastbetrieb der beiden Landwirte an die Metzgerei geliefert hat, sei aber nicht erfasst.

Senf darf nicht drin sein

Der Veterinär stützte seine Behauptung auf die Laborproben, bei denen etwa die Gewürze bestimmt worden seien, die in den Würsten waren. Es sei Senf darin gewesen, der nur in konventioneller Ware vorkommen dürfe. Der zudem als Allergen gilt, entsprechend ausgewiesen sein müsste. Auch sei Fleisch festgestellt worden, tonnenweise, das aus einem gewöhnlichen Großhandel stammt. Auch dieses könnte als Bio-Ware ausgegeben worden sein, so der Verdacht der Ermittler. Belegen konnten sie das freilich nicht.

Eine Liste mit mutmaßlich falsch etikettierten Wurstwaren, die bei der knapp zweistündigen, richterlich genehmigten Durchsuchung des Hofs durch die Polizei und das Landratsamt aufgefunden wurden, geht über vier DIN-A-4-Seiten. Nicht verkehrsfähige Ware, wie die Kontrolleure das nennen. Sie sei dann von den Hofbetreibern umetikettiert worden. Einen Tag später sei das erledigt gewesen. Nun wurde die Wurst so verkauft, wie es ihr entspricht: nämlich als landwirtschaftlich konventionell hergestelltes Produkt.

In dubio pro reo

Die wiederum im hofeigenen Bio-Mastbetrieb gehaltenen Schweine seien fast alle an EDEKA gegangen, um dort geschlachtet zu werden. Es gibt da ein Nachverfolgungssystem für Tiere, so die Behördenvertreter unisono.

Im Prozess zeigten die Verteidiger der angeklagten Landwirte ihren Ansatz: nämlich die jeweilige Verantwortung ihrer Mandanten abzugrenzen. Wer wann was unterschrieben habe, wer wann für den jeweiligen Betrieb zuständig gewesen sei, etwa. Welcher Betrieb wann was beauftragte. Der zugrundeliegende Rechtsgrundsatz: In dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten. Einer der kontrollierenden Veterinäre erklärte hierzu: „In der Regel“ seien der Behörde gegenüber beide Angeklagten als Ansprechpartner aufgetreten.

Überraschende Wende

Dann die überraschende Wende Überraschenderweise machte die Richterin in diesem Prozessstadium – die Angeklagten schwiegen beharrlich, die Rechtsanwälte verbissen sich in Details, knapp eine Stunde lang waren prozessrelevante Dokumente wie etwa Rechnungen verlesen worden – ein Angebot: Weil den Kunden des Bauernhofs gesundheitlich nicht geschadet worden sei, könne vielleicht auf ein Urteil verzichtet werde. Weil die beiden Angeklagten zuvor nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren, zudem. Wenngleich sie auch klarmachte, dass sie den vorgeworfenen Straftatbestand verwirklicht sah.

Nie Geschäftsführer

Einer der Prozessbeteiligten fasste sich schnell: „Man kämpft jeden Tag, man hat versucht, durch den Abverkauf der Produkte ein neues Marktfeld aufzumachen. Übrig ist kein Geld.“ So schilderte der Anwalt des Landwirts dessen Situation. Die Zusammenarbeit mit dem Veterinäramt Rottweil sei außerdem nicht immer fruchtbar gewesen, den beiden Bauern nicht immer geholfen worden. Ferner sei sein Mandant „nur der Ehemann“ gewesen, sei nie der Geschäftsführer des Betriebs oder seiner Teile gewesen.

Er bekomme als Angestellter einen monatlichen Nettolohn von 960 Euro.

Ein Minusgeschäft

„Man hat versucht, an die richtigen Infos zur Etikettierung zu kommen“, das EU-Recht sei inzwischen so kompliziert, dass es den beiden Angeklagten schwer gefallen sei, alles richtig zu machen. So ließ sich der Anwalt der Landwirtin ein.

Sie habe durch Corona 15.000 bis 20.000 Euro Minus gemacht, erklärte diese. Nachdem sie, wie auch ihr Ehemann, zuvor beharrlich geschwiegen hatte.

Es wurde noch ein wenig verhandelt. Am Ende stand das Strafangebot für den Landwirt fest: 900 Euro, zahlbar in sechs Raten. Der ursprüngliche Strafbefehl lag bei Weitem darüber, wie hoch genau, war nicht zu erfahren. Die Geldstrafe für die Landwirtin: ein Gesamtbetrag von 1500 Euro, auch in Raten zahlbar.

Verfahren eingestellt

Gegen diese Zahlungen ist in Abstimmung mit der Vertreterin der Staatsanwaltschaft das Verfahren nach Paragraf 153a, Absatz 2 der Strafprozessordnung eingestellt worden. Ein Teil der Summe geht an das DRK Rottweil.

Vielleicht hatte das überraschende Urteil auch damit zu tun, dass die Landwirte ihren Bio-Mastbetrieb inzwischen ausgebaut haben und ihre zugekaufte Ware nach Ansicht des Landratsamts Rottweil nun korrekt ausweisen. Die Wurst stammt nun von einer Metzgerei in der Kreisgemeinde, nicht weitab vom Betrieb der beiden.