FUSSBALL

Bezirksjugendleiter Jürgen Ratzke im Interview: „Die Entwicklung ist beunruhigend“

04.01.2021

Von Marcel Schlegel

Bezirksjugendleiter Jürgen Ratzke im Interview: „Die Entwicklung ist beunruhigend“

© Archiv/Moschkon

Bezirksjugendleiter Jürgen Ratzke warnt wegen sinkender Mannschaftszahlen.

Seit rund fünf Jahren organisiert Jürgen Ratzke im Bezirk Zollern federführend den Jugendfußball. Im Interview spricht der Haigerlocher über Wege, den Trend sinkender Mannschaftszahlen aufzuhalten.

Auch in Zollern nehmen immer weniger Jugendfußballer am Spielbetrieb teil. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Jürgen Ratzke: Es sieht im Vergleich zu anderen Bezirken noch etwas besser aus, aber der Trend ist auch bei uns eindeutig. Aufgefangen wird das Ganze nur durch eine Zunahme bei den jüngsten Kickern. Dort gibt es viele neue Mannschaften, allerdings sind die Mannschaftsgröße bei den Bambini mit 3er- und den F-Junioren mit 5er-Teams natürlich kleiner. In der A-Jugend stellen wir nur noch eine Staffel.

Muss man sich Sorgen machen?

Die Entwicklung bei uns ist noch nicht dramatisch, aber beunruhigend. Es gibt viele Vereine, die keine eigenen Jugendmannschaften mehr stellen können – meistens sind die Bambini- und F-Juniorenmannschaften dann die Ausnahmen. Aber selbst bei den jüngsten Kickern kommt es immer öfter zu vereinsübergreifender Zusammenarbeit, um überhaupt Mannschaften zusammen zu bringen. Dies, obwohl in diesen Altersstufen noch gar keine Spielgemeinschaften gibt.

Spielgemeinschaften werden zusehends zur Primäroption ...

Ja, die wachsende Anzahl von SGM gerade in den älteren Jahrgangsstufen spricht für sich. Es kommen zunehmend Anträge für Spielgemeinschaften, die aus mehr als drei oder sogar vier Vereinen bestehen.

Sind SGM die einzige Möglichkeit, den Abwärtsspirale zu stoppen?

SGM sind eine notwendige Möglichkeit, um den Jugendspielbetrieb und zunehmend auch den Aktivenspielbetrieb aufrechtzuerhalten. Ideal sind sie aus Sicht des Verbandes und des Bezirks aber nicht, da es in den überwiegenden Fällen die Anzahl der spielenden Mannschaften reduziert und in den Vereinen selbst noch weitere, andere Probleme aufwerfen kann. Aber es ist sicher besser, eine Mannschaft aus zwei Vereinen zu bilden, als dass zwei Mannschaften ganz wegfallen.

Die Gründe in ländlichen Bereichen sind hinlänglich beschrieben: demografischer Wandel, Konkurrenzangebote, weniger Interesse an Vereinen, an Sport, am Ehrenamt. Was kann man dagegen machen?

Seit Jahren bemühen sich alle Verantwortliche, dem Trend entgegenzuwirken und gehen dafür auch neue Wege. Dazu gehören etwa die Anpassung von Spielfeldgrößen und Mannschaftsstärken für die jüngsten Kicker, neue Spielangebote wie das Norweger-Modell (Mannschaftsgrößen können flexibel verkleinert werden, wenn Spieler fehlen; d. Red.), eine attraktive Leistungsförderung und natürlich auch das neue Jugendspielsystem, das im neuen Spieljahr aller Corona-Widrigkeiten zum Trotz im gesamten WFV-Gebiet starten wird.

Der SC Concordia Zollern hat nun den Hut in den Ring geworfen und will ein reiner Ausbildungsverein sein – sozusagen eine fixierte, große SGM. Was halten Sie davon?

Ich bin der Meinung, dass alles, was dem Jugendfußball dient und diesen in irgendeiner Weise fördert, für die Kinder und Jugendlichen positiv zu bewerten ist. Oft fehlen Trainer und Betreuer bei den Vereinen aus ihren eigenen Reihen, wenn diese Lücke durch einen Ausbildungsverein geschlossen werden kann, zudem mit gut qualifizierten Trainern, wäre allen geholfen. Der Start ist jedoch in der momentanen Situation sicher nicht einfach, ich hoffe und wünsche, dass alle Kinder und Jugendlichen bald wieder auf dem Platz trainieren und spätestens im Frühjahr 2021 dann auch wieder Fußball spielen können.

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