Besuch aus Bangladesch: „Mati“-Gründer Lenen Rahaman zu Gast in Balingen

Von Dennis Breisinger

Seit 25 Jahren arbeiten die in Bangladesch beheimatete Organisation „Mati“ und ihre lokalen Ableger in zwei Distrikten im Norden des Landes, um die Lebensbedingungen sowie die Selbstbestimmung der Menschen dort zu verbessern und zu wahren. Dr. Gisela Swoboda, Förderverein „Brücke Balingen-Bangladesch“, lud jüngst den Gründer und Leiter von „Mati“ zum persönlichen Austausch nach Balingen ein.

Besuch aus Bangladesch: „Mati“-Gründer Lenen Rahaman zu Gast in Balingen

Lenen Rahaman, Leiter und Gründer von „Mati“, im Austausch mit Dr. Gisela Swoboda vom Förderverein „Brücke Balingen-Bangladesch“.

Der Gründer und Leiter von „Mati“, Lenen Rahaman, war kürzlich auf Einladung von Dr. Gisela Swoboda, die die Organisation seit 2016 durch Spendensammlungen sowie organisatorisch unterstützt, zu Gast in Balingen. Er berichtete auf dem Marktplatz und bei einem anschließenden kleinen Fest in der Schlossstraße von seiner Arbeit und dem Leben in Bangladesch. „So viele Leute haben darauf gewartet, dass sie Herrn Rahaman endlich wieder einmal treffen können“, meint Dr. Swoboda.

Hilfe gilt besonders Frauen und Kindern

„In den 1990ern studierte ich Bauingenieurwesen in Mainz und sah in welchem Reichtum die Deutschen leben, wohingegen in Bangladesch die Menschen hungern, leiden und mit Ungerechtigkeiten zu kämpfen haben“, so Rahaman. „1998 gründete ich ‚MATI‘ mit der Motivation, an der Situation etwas zu ändern und wollte Menschen finden, die mir dabei helfen, was mir auch gelungen ist“, erklärt er. Mit seinem mittlerweile 80-köpfigen Team, das tatkräftig von Volontären aus Deutschland unterstützt wird, widmet er sich besonders der Hilfe von Frauen und Kindern.

„Frauen werden in der Bildung vernachlässigt, bekommen oft nicht die medizinische Behandlung wie Männer, haben deshalb, und auch aufgrund der generellen Nahrungsmittelknappheit, häufiger mit Krankheiten zu kämpfen und sind zudem oftmals abhängig vom Mann“, so Rahaman. Die beiden aktuellen Projekte seien deshalb besonders auf die Frauen bezogen: zum einen wird eine eigene landschaftliche Genossenschaft im Lebensmittelsektor aufgebaut, zum anderen wird die paramedizinische Ausbildung von Frauen unterstützt. Vor allem auf dem Land sei eine medizinische Versorgung überhaupt nicht oder nur unzureichend gegeben.

„Diese Ausbildung entspricht in etwa unserer Krankenschwesternausbildung und die spätere Tätigkeit ist eine Mischung aus Sanitäterin, Arzthelferin und Krankenschwester“, erklärt Dr. Swoboda. „Knapp 2000 Euro kostet solch eine Ausbildung mit allem Drum und Dran für eine Person, die Praxis findet in Healthcare-Centern vor Ort statt“, erläutert Rahaman. „Für viele gemeinsame Projekte bekommen wir zur Hälfte staatliche Fördergelder als Unterstützung, die andere Hälfte müssen wir aus Spenden zusammenbekommen“, so Dr. Swoboda. Die paramedizinische Ausbildung werde beispielsweise überhaupt nicht von der Regierung unterstützt.

Medizinische Unterversorgung und Armut

„Wir haben es mit einer Zwei-Klassen-Medizin in Bangladesch zu tun: Bei Privatkliniken, die sich fast niemand leisten kann, ist die Versorgung sehr gut, seitens der Regierung ist das Gesundheitssystem aber sehr schlecht“, erklärt Rahaman.

Doch nicht nur die mangelhafte medizinische Grundversorgung ist momentan ein Problem in Bangladesch: mindestens 30 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. „Die Lebensmittelpreise sind knapp“, so Rahaman. Die Regierung rate aufgrund der Knappheit bereits zum Energiesparen: „Wir haben aufgrund des Klimawandels mit einer extremen Flut- und Hitzewelle zu kämpfen und die Coronazahlen sind auch wieder leicht gestiegen. Noch gibt es aber keinerlei Beschränkungen, so dass wir unsere Arbeit weiterführen können.“

Faire Arbeitsbedingungen und keine finanzielle Ausbeutung

In Bangladesch ist die Textilbranche der wirtschaftliche Hauptmotor. Aber auch die Herstellung von medizinischen Geräten, die Stahlverarbeitung und, aufgrund der enorm fruchtbaren Böden, auch der Nahrungsmittelanbau sowie der IT-Sektor spielen eine wichtige Rolle. Der Unterstützung des Textilsektors zu fairen Arbeitsbedingungen und ohne finanzielle Ausbeutung widmet sich auch „MATI“: Sie greifen bei der Herstellung und dem Vertrieb von Waren wie Taschen, der Native American Flute, Kokosschalen oder Salatbestecken unter die Arme.

„Alles Unikate in einer geringen Stückzahl“, weiß Dr. Swoboda zu berichten. Nicht nur Dr. Swoboda hat es Bangladesch angetan, sondern auch dem Schriftführer des Fördervereins „Brücke Balingen-Bangladesch“, Dieter Renner, der seit 30 Jahren regelmäßig das Land besucht. „Obwohl viele von ihnen quasi von der Hand in den Mund leben, ist der Bangladescher an sich sehr hilfsbereit und sehr aufgeschlossen. Laut einer Studie leben die freundlichsten Menschen der Welt dort und das kann ich nur bestätigen“, sagt Renner.