Berufung abgelehnt: Hinter der „Bohrmaschine mit 2500 Dübeln“ steckt eine Maschinenpistole

Von Melanie Steitz

Das Landgericht sah es in einem Berufungsprozess als erwiesen an, dass ein 59-Jähriger eine vollautomatische Waffe erwerben wollte.

Berufung abgelehnt: Hinter der „Bohrmaschine mit 2500 Dübeln“ steckt eine Maschinenpistole

Waffenbesitz: Das Landgericht lehnte die Berufung eines 59-Jährigen ab.

Der Richter des Landgerichts Hechingen entschied sich am Mittwochnachmittag in seinem Urteil dafür, die Berufung auf Kosten des Angeklagten zu verwerfen. Das, was das Amtsgericht Hechingen also am 26. Juli 2019 in erster Instanz beschlossen hatte, wurde damit bekräftigt. Der 59-Jährige wurde im vergangenen Jahr zu sechs Monaten Freiheitsstraße verurteilt, ausgesetzt zur Bewährung, sowie zu einer Geldauflage von 1800 Euro.

Richter glaubt konstruuierte Geschichte nicht

Damit folgte das Landgericht Hechingen der Forderung des Staatsanwalts. Zur Begründung führte der Richter an, es sei unstrittig, dass sich die beiden Männer aus dem Raum Burladingen im April 2016 Schusswaffen besorgen wollten. Es sei sein „gutes Recht“, es zu versuchen, aber diese konstruierte Geschichte „haben wir nicht geglaubt“, sagte der Richter. Die Indizien sprächen eine andere Sprache als die widersprüchlichen Zeugenaussagen, die es im Verlauf des Berufungsprozesses gab.

Feinde aus dem Südsudan

In den Kontaktnachrichten zwischen den Beteiligten durch WhatsApp- und SMS-Verläufe, die die Ermittler ausgewertet hatten, sei es um Maschinenpistolen gegangen. Die Szene der Systemkritiker habe außerdem gewusst, dass der jüngere Komplize des Angeklagten eine MP2 und ähnliche vollautomatische Waffen für richtig hielt, um sich im Falle eines Angriffs verteidigen zu können.

Unabhängig davon, ob der Grund geschäftliche Feinde aus dem Südsudan waren, die „generelle Haltung“ des jüngeren Komplizen sei bekannt gewesen. Daher habe der Mann auch zwei Angebote bekommen, um solche Waffen kaufen zu können.

Deckname muss herhalten

In den Chats sei es um Maschinenpistolen gegangen. Schließlich habe der jüngere Komplize des Angeklagten einen Dealer mit „Brrrt“ eingespeichert. Der Deckname „Bohrmaschine“, der in den Chats als Synonym zur Maschinenpistole fiel, spreche für sich, weil sie ähnlich zu bedienen wäre.

Die Zahl der Dübel, der Tarnname der Munition, passe ebenfalls zu einer Maschinenpistole. Und dann die Gretchenfrage des jüngeren Komplizen zu dem Angeklagten: „Willst du jetzt eine Bohrmaschine mit 2500 Dübeln?“ Die Antwort des Angeklagten war kurz und lautete schlicht: „Ja“.

Kriegswaffenkontrollgesetz umgehen

Die Erzählung des Angeklagten und seines Komplizen, der 59-Jährige habe eine Waffe besitzen wollen, die lange vor dem September 1945 in Gebrauch war und damit nicht unter das Kriegswaffenkontrollgesetz falle, konnte das Gericht nicht überzeugen. Das sei „sehr schön hingezwirbelt“.

Vielmehr hätten die Beteiligten beim Begriff der „Bohrmaschine“ nicht mehr differenziert. Auch in der polizeilichen Vernehmung sei nicht die Rede von einer G43, die nicht unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fällt, gewesen, erst vor dem Gericht.

Gewehre aus dem jugoslawischen Bürgerkrieg

Auch die Zeugenaussagen deckten sich nicht darüber, wie das angebliche „Gespräch über den Halbautomaten ausgefallen“ sei. Daher sei das Gericht der Meinung, diese Geschichte sollte im Nachhinein „so hingezwirbelt“ werden, weil sich der Angeklagte „immer noch Hoffnung“ mache, „um an eine Waffenbesitzkarte heranzukommen“.

Zudem gab der vermeintliche Waffendealer an, Gewehre aus dem Bürgerkrieg in Jugoslawien zu besorgen. Dieser war aber erst Anfang des 21. Jahrhunderts zu Ende, so dass der angebliche Vermittler von dort her keine Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg beschaffen hätte können. Es sei sein „gutes Recht“, es zu versuchen, aber diese „konstruktive Geschichte haben wir nicht geglaubt“, sagte der Vorsitzende Richter.

Nur eine Waffe zum Jagen?

Der Verteidiger hatte einen Freispruch gefordert. Sein Mandant sei nur an einer halbautomatischen Waffe interessiert gewesen. Schon beim ersten Treffen habe dieser dem Rechtsanwalt gesagt, er brauche bei einem Endzeit- Szenario „nur“ eine Waffe zum Jagen und, um zu überleben. Mit einem Vollautomaten sei das für ihn gar nicht möglich gewesen.

Sechs Monate Bewährungshaft ist angemessen

Der Staatsanwalt hielt die bereits vom Amtsgericht Hechingen in erster Instanz verhängte Bewährungsstrafe von sechs Monaten Haft, zur Bewährung ausgesetzt, für angemessen. Es sei von der Höhe her auch „kein Exempel“ wegen Systemkritikern statuiert worden.

Die Berufung des 59-Jährigen wies er als ungenügend zurück. Der Staatsanwalt glaubte, dass der Angeklagte genauso wie der jüngere Komplize auch eine Maschinenpistole besorgen wollte. Der Angeklagte bekräftigte derweil die Aussagen seines Verteidigers und betonte in seinem „letzten Wort“: „Es war so, wie wir es vorgebracht haben.“ Er habe nur eine halbautomatische Waffe gewollt.

Systemkritiker oder braver Steuerzahler?

Vier Zeugen sagten am Mittwochvormittag auch noch vor dem Landgericht aus. Dass der Angeklagte ein Systemkritiker war, kommentierte einer der Zeugen mit: „Eher nicht. Er ist der brave Steuerzahler.“ Tatsächlich hatte der 59-Jährige einen tadellosen Lebenslauf und keine Vorstrafen.

Nur seine Waffen musste er 2015 verkaufen, weil der passionierte Jäger aufgrund seiner zweijährigen Krankheit, einem Burnout, die durch Borreliose verursacht wurde, kein Gutachten zur persönlichen Eignung vorlegen konnte.