Beim Lärmschutz gilt im Stettener Kreisel zweierlei Maß

Von Susanne Grimm

Mit dem Thema Lärmschutz im Bereich der L 218 mit dem Kreisverkehr Reboul Richtung Glashütte bis zur Einfahrt Albkaserne hat sich der Stettener Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung befasst.

Beim Lärmschutz gilt im Stettener Kreisel zweierlei Maß

Kurios: Vom Kreisverkehr in Richtung Kaserne gilt die Lärmschutzrichline RLS-90, in entgegengesetzer Richtung RLS-19.

Grund hierfür war der Antrag angrenzender Anwohner, zwischen dem Kreisverkehr und der Einmündung zur Kaserne eine Geschwindigkeitsbegrenzung einzuführen. Bislang sind dort 80 km/h erlaubt.

Behörden haben ermittelt und geprüft

Bei der ersten Aussprache im Gremium in der Septembersitzung des vorigen Jahres ist auch der Wunsch geäußert worden, den Streckenabschnitt vom Kreisverkehr Richtung Frohnstetten miteinzubeziehen, weil in diesem Bereich das Neubaugebiet Bei der Schelmengrube entstehen soll.

Die Rathausverwaltung hat entsprechende Anträge an das Landratsamt und das Regierungspräsidium Tübingen gestellt, um die Verkehrsfrequenzen und Schallimmissionswerte zu ermitteln. Die Ergebnisse dieser Prüfungen haben in der jüngsten Sitzung Anja Schäfer und Isabell Heinzler von der Unteren Verkehrsbehörde des Sigmaringer Landratsamtes vorgestellt.

Zu wenig Verkehr für Tempolimit

Die beiden Frauen brachten keine guten Nachrichten mit. Für eine Absenkung der Höchstgeschwindigkeit auf dem Abschnitt der Landesstraße 218 seien zu wenig Fahrzeuge unterwegs, auch die Berechnung der Lärmwerte würden sich unterhalb der Höchstgrenze befinden, lautete die Botschaft.

In den Untiefen der Bürokratie

Auf Unverständnis stieß beim Gremium, dass für den Streckenabschnitt vor dem Kreisverkehr, also von Frohnstetten kommend, die Richtlinien für den Lärmschutz (RLS) anders gewichtet werden als die vom Kreisel Richtung Glashütte. Hier gilt die RLS-19, von Frohnstetten kommend die RLS-90. Das heißt, bei der Berechnungsgrundlage RLS 90 liegen die Schallwerte nachts bei 54 Dezibel und tagsüber bei 64 Dezibel. Werte darüber führen zu gesundheitlichen Problemen. Auf dem Streckenabschnitt Kreisverkehr Richtung Kaserneneinfahrt hatten die Berechnungen einen Wert von durchschnittlich 55 Dezibel ergeben.

Neubauten werden anders bewertet

Bei RLS-19 liegen die Orientierungswerte für städtebauliche Planung bei nächtlichen 45 Dezibel und tagsüber bei 55. Die Begründung: In Neubaugebieten werde schon vorbeugend für Schallschutz gesorgt. So müssten sich die „Bestandsanwohner“ mit dem bisherigen Richtlinien begnügen.

Der Einwand von Gemeinderätin Andrea Ruda, die Häuser vom Kreisel Richtung Kaserneneinfahrt seien ebenfalls Neubauten, zählte nicht. Ausschlaggebend seien das Alter des Baugebiets und des Bebauungsplan, der eben schon im Bestand war, informierten die beiden Vertreterinnen des Landratsamtes.

Schultes: Ist nicht nachvollziebar

„Die unterschiedlichen Maßstäbe sind für die Bevölkerung nicht nachvollziehbar“, sagte Bürgermeister Maik Lehn und fügte an: „Auch wir sind nicht begeistert, dass wir wegen dieser RLS für das Neubaugebiet Bei der Schelmengrube eine teure Lärmschutzwand bauen müssen.“

Für Ungläubigkeit sorgte auch die Bewertung des Motorradlärms, den die Anwohner gerade am Wochenende als unerträglich empfinden. Der Geräuschpegel von Motorrädern fließt laut Aussage der beiden Fachfrauen nicht in die Berechnungen ein. Begründung: Motorräder machen keine 50 Prozent des Verkehrsaufkommens aus. Auch wenn diese in der Freizeit in Schwärmen auftreten und wirklich laut sind.

Zudem wurde mitgeteilt, dass Motorräder im RLS-90-Bereich als Kfz zählen, aber im RLS-19-Bereich als Lastwagen. „Hier gibt es unbedingt Handlungsbedarf“, befand der Bürgermeister. Er gab Schäfer und Heinzler mit auf den Weg, Anregungen diesbezüglich „nach oben“ weiterzugeben, denn die Situation sei für alle unbefriedigend“.

Lärm wird berechnet, nicht gemessen

Auf Nachfrage erläuterten die beiden Referentinnen die Lärmwerteermittlungen. Der Lärmpegel sei grundsätzlich zu berechnen und nicht zu messen, da Messungen Momentaufnahmen darstellten und oft nicht repräsentativ für die tatsächliche durchschnittliche Lärmbelastung seien.

„Mit diesen Richtlinien und den Messungen wird eine einheitliche Verfahrensweise erreicht, die bundeseinheitlich gleich ist“, sagte Anja Schäfer. Der Gemeinderat hat die Ausführungen von Anja Schäfer und Isabell Schäfer nicht gerade erfreut zur Kenntnis genommen und will nun über das weitere Vorgehen beraten.