Bareiß-Reisen nach Aserbaidschan werfen neue Fragen auf

Von Michael Würz

Immer wieder Aserbaidschan: Thomas Bareiß sieht sich erneut Kritik an seinen Reisen ausgesetzt. Der Staatssekretär verspricht „volle Transparenz“.

Bareiß-Reisen nach Aserbaidschan werfen neue Fragen auf

Twitter-Gewitter: Thomas Bareiß wehrt sich über die Ostertage lautstark.

Das dicke Ei haben sie ihm noch vor Ostern gelegt: Journalisten des Magazins VICE beleuchten in einer vielbeachteten Recherche die Aserbaidschan-Reisen von Thomas Bareiß (CDU). In ihrem Artikel – „Die abenteuerlichen Reisen eines deutschen Staatssekretärs“ – tragen sie gleich eine ganze Reihe an Merkwürdigkeiten zusammen: Dass Bareiß sich von Männern mit zweifelhafter Regime-Nähe begleiten lässt, auch solche, gegen die ermittelt wird, etwa. Und auch, dass Bareiß sich auf die Frage nach der Finanzierung der Reisen äußerst zugeknöpft gebe.

Bareiß ringt um Umgang mit Vorwürfen

Der Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Zollernalb-Sigmaringen und parlamentarische Staatssekretär sieht sich dadurch unter Druck – und erneut kritischen Fragen ausgesetzt: „Seit Wochen werden sogar meine Mitarbeiter durchleuchtet.“ Doch Bareiß – erkennbar auf der Suche nach einem Umgang mit den Vorwürfen – vermeidet, allzu wehleidig zu klingen. „Ich bin selbst nicht zimperlich mit Kritik und teile oft aus“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Vorwürfe rückten ihn jedoch in ein völlig falsches Licht, sagt Bareiß. Dem die Brisanz der Fragen zugleich bewusst scheint: „In einer solchen Situation“, sagt er, „hilft jetzt nur volle Transparenz“. Die übt er dann auf ZAK-Nachfrage sogleich, ein wenig: Ja, eine von insgesamt fünf umstrittenen Aserbaidschan-Reisen sei auf Einladung der Gesellschaft zur Förderung der deutsch-aserbaidschanischen Beziehungen erfolgt.

„Vielleicht eine Entscheidung, die man heute so nicht mehr machen würde“

2012 war das, als „generell noch weniger Sensibilität bei diesen Themen“ geherrscht habe, sagt Bareiß. „Vielleicht war das damals eine Entscheidung, die man heute so nicht mehr machen würde. Ich bin da lernfähig.“ Seinerzeit aber habe er da kein Problem gesehen, ganz im Gegenteil: „Ich habe noch gesagt, dann belastet die Reise nicht den Steuerzahler.“ Bareiß betont: „Das sind auch alles ausschließlich dienstliche Reisen, das ist nicht wie Urlaub auf Mallorca.“

Zwielichtige Gesellschaft: Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt

Er spricht von „integren Leuten“ – die Gesellschaft jedoch steht in Zusammenhang mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und Korruptionsvorwürfen. Der Gründer, Eduard Lintner, hatte nachweislich Geld aus Aserbaidschan erhalten, berichtet VICE. Unter anderem nachdem er die aserbaidschanische Präsidentschaftswahl 2013 beobachtete – und als sauber deklarierte. Insgesamt hat Lintner über Briefkastenfirmen mindestens 800.000 Euro aus Aserbaidschan bekommen. Das geht aus den Panama Papers und Recherchen der Süddeutschen Zeitung hervor. Lintner wiederum habe hohe Summen an regimefreundliche Politiker in Deutschland und Belgien überwiesen, schreibt VICE. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen ihn wegen Korruptionsverdachts.

Rechtsstaat und Pressefreiheit: Bareiß will Staaten „mitnehmen“

Generell müsse man die Frage stellen, wie man mit Staaten wie Aserbaidschan umgehe, findet Bareiß. Er wolle sie eher „mitnehmen“, sie von Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit überzeugen. „In den Gesprächen habe ich unsere Werte immer betont“, versichert er. „Und ich überlege auch oft selbstkritisch, was man anders machen könnte.“ Doch Bareiß‘ Begleiter lassen die Reisen durchaus zwielichtig erscheinen. Da ist etwa der CDU-Politiker Otto Hauser, einst selbst Staatssekretär und unter Kohl für wenige Monate Sprecher der Bundesregierung. Hauser wurde 2010 zum Honorarkonsul der Republik Aserbaidschan berufen (und reiste daraufhin direkt mit Bareiß dorthin). Zuvor hatte er sich dort auf eigene Faust als Wahlbeobachter betätigt. Während die OSZE und Reporter ohne Grenzen die Wahlbedingungen kritisierten, bezeichnete Hauser die Wahl als „frei, fair und demokratisch“. Die staatliche Nachrichtenagentur Azertag hatte Hauser mit den Worten zitiert, „2020 sei das beste Jahr in der politischen Karriere des großen Führers“.

Das Zitat soll einer Lobrede entstammen, die Hauser, der Honorarkonsul aus Stuttgart, gehalten hatte, nachdem die aserbaidschanische Armee einen blutigen Krieg in Bergkarabach geführt hatte. Bareiß sagte unserer Zeitung, er glaube Hauser, der ihm gegenüber versichert habe, diese Aussage niemals getätigt zu haben. Auf Twitter hingegen schrieb Bareiß, er wisse nicht, ob Hauser diese Worte gebraucht hat. Bareiß dazu: „Ich würde eine solche Formulierung niemals wählen. Das ist nicht akzeptabel.“ Ebenfalls bereits 2012 war der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte auf Hauser aufmerksam geworden: Markus Löning hatte Hauser kritisiert, weil der eine regimefreundliche Broschüre herausgegeben hatte, deren Vorwort er als „Regierungssprecher a.D.“ unterzeichnet hatte.

Profitierte Hausers Firma von Großprojekt in Aserbaidschan?

Seine vorerst letzte Aserbaidschan-Reise unternahm Thomas Bareiß im Januar 2019 als parlamentarischer Staatssekretär. Den VICE-Recherchen zufolge traf er Präsident Aliyev – man habe das Megaprojekt eines Industrieparks in der Stadt Sumagit, nördlich von Baku, diskutiert. Wieder mit von der Partie war Otto Hauser. Brisant: Hausers Firma „Immens Consulting GmbH“, die er mit seinem Sohn führt, habe offenbar von dem Industriepark profitiert, berichtet VICE. Immens Consulting sei unter anderem beratend am Bau einer Berufsschule beteiligt gewesen. Das gehe aus den Jahresberichten des aserbaidschanischen Wirtschaftsministeriums hervor, die dem Magazin vorliegen. Bareiß schrieb dazu auf Twitter, wo er sich über die Ostertage vehement gegen die Kritik verteidigte: „Ich kenne die erwähnte Consulting nicht.“ Richtig sei jedoch, dass er für Berufsschulen nach deutschem Vorbild geworben habe. Im Gespräch mit unserer Zeitung betont Bareiß: „Ich habe niemals Geld angenommen.“ Und: „Alle Reisen nach Aserbaidschan waren vom Bundestag genehmigt.“

Thomas Bareiß in Aserbaidschan

Eigenen Angaben zufolge war Bareiß fünfmal in Aserbaidschan: 2007 als Mitglied im EU-Ausschuss des Bundestags, 2010 als Mitglied des Ausschusses Wirtschaft und Energie, 2012 als Mitglied des EU-Ausschusses des Bundestags auf Einladung der Gesellschaft zur Förderung der deutsch-aserbaidschanischen Beziehungen. Als parlamentarischer Staatssekretär reiste Bareiß 2018 gemeinsam mit der Bundeskanzlerin nach Aserbaidschan, 2019 mit einer Wirtschaftsdelegation. Einige seiner Reisebegleiter pflegen eine zweifelhafte Regime-Nähe. Fragen gibt es auch zur Finanzierung der Reisen.