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Balingen ist „Streetart Capital“ des Zollernalbkreises – Die Wand beim Aktivpark wird bunt

Von Paul Braun

Der Hip-Hop ist bis auf die andere Seite der Eyach zu hören, überall riecht es nach Farbe, im Hintergrund sind viele junge und ältere Skater zu sehen, wie sie Tricks machen, und im Vordergrund wird gepinselt und gesprayt. Das war der Aktivpark auf der Gartenschau am Dienstag.

Matze „Mad Matze“ Bartl brennt für seine Leidenschaft.

Das Projekt „Die Wand“ wurde ins Leben gerufen, um die circa 200 Quadratmeter große Lärmschutzwand am Skatepark bunt werden zu lassen. Zum Teil weltbekannte Künstler gestalten vor Live-Publikum Abschnitte der Mauer.

Freiraum kreativ gestaltet aktiv Balingens Stadtbild

Entstanden ist das Projekt auf Initiative des Vereins „Freiraum Balingen kreativ“. Ob man den Verein kennt oder nicht – mit seiner Arbeit ist bestimmt jeder schon in Berührung gekommen. Denn die bemalten oder besprayten Stromkästen, die in Balingen viele Blicke auf sich ziehen, würde es ohne Freiraum nicht geben.

Der Vorsitzende, Bernhard Jung, informiert, vor acht Jahren habe man mit den Stromkästen begonnen, die sich dann zur „Gallery 23“ entwickelt haben. Das ist ein gemeinsames Projekt von Freiraum und der Stadt Balingen, um Streetart-Künstlerinnen und -Künstlern eine Plattform zu bieten. Seit 2016 haben also Sprayerinnen und Sprayer die Möglichkeit, unter Brücken und an Gebäuden Kunst zu schaffen, die Balingens Besucher freundlich stimmen und städtische Räume künstlerisch aufwerten soll.

„Bunt und poppig“ – genau wie die Gartenschau

Jung erklärt: „Diese Wand ist der kuratierte Fortlauf der Gallery 23.“ Hanna Keul, ebenfalls Vorsitzende von Freiraum kreativ, sei federführend beim Wettbewerb zur Auswahl der Künstler (es wurden nur nur männliche Künstler ausgewählt) gewesen. 30 Bewerbungen seien eingegangen, wovon eine Fachjury in erster Instanz 15 auswählte. Diese haben jeweils Designs vorgelegt, welche Hanna Keul schließlich auf die finalen sieben reduzierte. Keul habe maßgeblich dazu beigetragen, wie die Wand im Endeffekt aussieht, also wer welchen Platz auf der Wand einnehme. Man habe bei der Auswahl der Künstler besonderes Aufgenmerk auf Künstler gelegt, die „bunt und poppig agieren, genauso bunt wie die Gartenschau und unsere Gesellschaft sein sollen".

Streetartists haben künstlerischen Freiraum

Welche Motive schlussendlich die Wand am Skatepark zieren, sei gänzlich den Künstlern überlassen. Einer von ihnen ist der Stuttgarter Graffiti-Künstler Christoph „Jeroo“ Ganter. Bekannt für seine Naturmotive, belegt er den wahrscheinlich prominentesten Platz auf der Wand, direkt am Eingang zum Skatepark. Der ehemalige Gymnasiallehrer erzählt: „Wir dürfen sprayen, was wir wollen. Freiraum macht seinem Namen alle Ehre.“ Ein überdimensionaler Schwan, umringt von Kristallartefakten und ein paar Fischen, wird sein Beitrag für „Die Wand“.

„Wand hat nach Graffiti geschrien“

Einer, der sich ganz besonders über „Die Wand“ freut, ist Gartenschau-Chef und Balingens Wirtschaftsförderer Niko Skarlatoudis. Er führt aus: „Zu Beginn war dieses Projekt nur ein Kennenlernen zwischen Bernhard Jung und mir.“ Sehr schnell habe man dann begonnen, gemeinsame Pläne für die Gartenschau zu schmieden. Die Wand beim Skatepark habe, so Skarlatoudis, „nach Graffiti geschrien“.

Im Skatepark wird noch einiges geboten

Jeden Dienstagabend ist „Art Night“ – zu deutsch: Kunst-Nacht – auf dem Gartenschaugelände. Da am Dienstag also die erste stattfand, sei das ein super Startschuss für „Die Wand“. Theoretisch haben die Künstler jetzt noch bis Ende Juni Zeit, ihre Werke fertigzustellen, bis am 1. Juli eine Finissage „dem Ganzen einen angemessenen Rahmen geben“ soll, so Skarlatoudis. Außerdem finden am 17. Juni und 16. September sogenannte „Skatejams“ mit Livemusik statt. Das seien quasi Skate-Wettbewerbe, bei denen sich die Skater gegenseitig bewerten, anstatt eines herkömmlichen Wettbewerbs mit Jury, welche zunehmend aus der Mode fallen.

Balingen macht Kunst möglich

Bernhard Jung möchte, dass Balingen, beziehungsweise der Aktivpark, durch die Gallery 23 „zu einem freundlichen und einladenden Ort wird, an dem man sich gern aufhält". Laut Jung sei es einzigartig, dass eine Stadt wie Balingen 10.000 Euro in die Hand nimmt, um ein solches Projekt möglich zu machen. Die professionellen Künstler möchten nämlich (verständlicherweise) von dem leben, was sie tun.

Künstler fühlen sich willkommen

Für Jeroo seien die 62 Euro, die jeder Künstler pro Quadratmeter bekommt, eigentlich zu wenig. „Aber für so eine coole Aktion mach ich das gern.“ Mad Matze Bartl stimmt ihm zu: „Die Gartenschau ist ein Brennglas für unsere Szene.“ Seit 2016 fiebere er deren Eröffnung entgegen, da sie ihm und seinen Kollegen eine sehr gute Möglichkeit biete, sich und die Graffiti-Kunst darzustellen. „Meine Aufgabe ist es, die negative Konnotation vom Wort ‚Graffiti‘ in ‚geilen Scheiß‘ umzuwandeln.“ Zumindest in Balingen habe er das bereits teilweise geschafft. „Man weiß mittlerweile im ganzen Land, dass Balingen das Streetart-Capital des Zollernalbkreises ist.“

Schüler und Künstler arbeiten Hand in Hand

Zeitgleich zu den sieben Künstlern Mad Matze, Milo, Alex B., Yess, Romulo Kuranyi, Janosch Müller und Jeroo gestaltet die Freiraum-Vorsitzende Hanna Keul, gemeinsam mit Schülern der neunten Klasse an der Realschule Balingen, eine Unterführung am Nordende der Gartenschau. Im Austausch mit den Künstlern hätten die Schülerinnen und Schüler viel Inspiration sammeln können, um ihre eigene Wand ebenfalls im Graffiti-Stil gestalten zu können.