Balingen

Ausraster im Alkoholrausch: Balinger steht wegen Angriffen auf Polizisten vor Gericht

09.05.2019

Von Benno Haile

Ausraster im Alkoholrausch: Balinger steht wegen Angriffen auf Polizisten vor Gericht

© Pascal Tonnemacher

Das Amtsgericht in Balingen.

Innerhalb von wenigen Monaten geriet ein 45-Jähriger aus einem Balinger Teilort gleich zweimal mit denselben Polizisten aneinander. Er schlug und trat bei der Festnahme um sich, bespuckte, bedrohte und beleidigte die Beamten und Rettungssanitäter aufs Übelste.

Viele Gäste sind es nicht mehr, die sich in den frühen Morgenstunden des 29. April im Balinger „Sonnenkeller“ befinden: „So etwa 30 Leute“, schätzt der Angeklagte.

Er muss sich seit Donnerstag wegen Körperverletzung, Beleidigung und Bedrohung sowie Angriff auf Polizeibeamte vor dem Amtsgericht verantworten – nicht nur wegen des Vorfalls vor dem „Sonnenkeller“, sondern auch im August desselben Jahres vor der „Krone“ in Heselwangen.

Der 45-Jährige sei an diesem frühen Aprilmorgen eigentlich schon zu müde gewesen, um noch in das Lokal zu gehen, aber ein Bekannter, den er erst an diesem Abend kennengelernt hatte, überredete ihn dazu.

Andere Gäste beschwerten sich

Von langer Dauer war der Besuch jedoch nicht – denn nachdem er Frauen belästigt haben soll, wurde er vom Inhaber des Lokals und dem Türsteher nach draußen begleitet. Der Angeklagte behauptet dagegen, freiwillig gegangen zu sein. Er bestreitet, jemanden belästigt zu haben.

Nach einem kurzen Gespräch vor der Tür hätten der Kneipenwirt und sein Kollege entschieden, den alkoholisierten Besucher nicht wieder reinzulassen.

„Er war ruhig, und wirkte nicht aggressiv“, erzählt der Mann, der seit vielen Jahren im Lokal arbeitet. „Ich habe ihm noch einen schönen Abend gewünscht und dachte, die Sache sei erledigt.“

Doch dann habe er plötzlich im Augenwinkel einen Faustschlag wahrgenommen, dem er gerade noch ausweichen konnte, so dass dieser ihn nur leicht streifte. Beim zweiten Schlag habe der Angeklagte das Gleichgewicht verloren und sei mit dem Kopf gegen einen Pfosten geknallt, wobei er sich eine Platzwunde zugezogen habe.

Angeklagter beschuldigt Türsteher

Dieser schildert den Hergang etwas anders. Beim Verlassen der Kneipe habe der Türsteher ihn provoziert und „Wird auch Zeit, dass du Drecksack verschwindest!“ hinterhergerufen. Er sei dann ausgetickt und wollte dem Mitarbeiter des Lokals einen Schlag verpassen. Dieser sei ausgewichen und habe ihn dann selbst geschlagen.

Der verteidigt sich: „Ich gebe jedem, der rausfliegt, die Chance, sein Gesicht zu wahren, auch wenn an dem Abend etwas schief gelaufen ist.“ Der Kneipeninhaber ergänzt: „So eine Äußerung habe ich in 20 Jahren, seit ich ihn kenne, noch nie von ihm gehört.“ Zudem sei er hautnah dabei gewesen: „Da war nichts, es war bis zu dem völlig überraschenden Schlag alles total harmlos.“

Nach dem verunglückten Faustschlag fixierten die beiden Männer den Angreifer am Boden und riefen noch einen Gast dazu, weil sich der Angeklagte, in dessen Blut rund 2 Promille Alkohol, Rückstände von Cannabis und einem Antidepressivum gefunden wurden, wehrte wie ein wildes Tier.

Auch die alarmierten Polizisten hatten große Mühe, den Mann, der alle um sich herum aufs Übelste beleidigte, bespuckte und bedrohte, in den Griff zu bekommen.

Tritte gegen Polizisten und Sanitäter

Auf dem Weg zum Streifenwagen trat der Angeklagte wild um sich und traf einen der Beamten am Knie. Als er schließlich auf einer Trage in den Rettungswagen gebracht werden sollte, traf er auch die zwei Sanitäterinnen mit Tritten. Eine erlitt dabei eine Kapselprellung an der Hand und war zwei Wochen dienstunfähig.

Im Krankenhaus und auf dem Weg dorthin gingen die Beleidigungen und Drohungen gerade so weiter.

Nur knapp vier Monate später geriet der Angeklagte erneut in eine Auseinandersetzung mit der Polizei – wie es der Zufall wollte, waren es auch noch größtenteils die selben Beamten wie beim ersten Aufeinandertreffen.

Wilde Fahrt auf Feldwegen

Diese war von einer Fußgängerin alarmiert worden, weil ein Unbekannter mit seinem Geländewagen mit überhöhter Geschwindigkeit auf den Wegchen zwischen Engstlatt und Heselwangen unterwegs war und auf Feldern sogenannte Donuts drehte.

Bei der Überprüfung des Halters über das Kennzeichen stellten die Beamten fest, dass es sich um einen „alten Bekannten“ handelte und riefen sicherheitshalber gleich Verstärkung.

An seiner Anschrift fanden ihn die Beamten nicht, jedoch in der nahegelegenen „Krone“ in Heselwangen. Dort wollten die Beamten eine Alkoholkontrolle vornehmen, was der Angeklagte trotz mehrfacher Belehrungen strikt ablehnte.

Wiedersehen in Wirtshaus

Als die Polizisten ankündigten, notfalls Gewalt anzuwenden, habe er mit „Na versucht‘s doch, dann wehre ich mich“, geantwortet. Und er ließ seinen Worten Taten folgen: Als die Polizisten zugreifen wollten, habe er mit dem Ellbogen ausgeholt und dabei einen Polizisten im Gesicht getroffen. Die Folge: Nasen- und Jochbeinprellung, eine Woche Dienstausfall.

Der Angeklagte behauptet hingegen, der Schlag sei lediglich aus Reflex erfolgt, als die Polizisten ihn festnehmen wollten.

Auch für den Anlass der zweiten Festnahme, die vermeintliche Alkoholfahrt auf den Feldwegen, hat er eine Erklärung: Er habe lediglich zwei Bier getrunken und das sei ja noch okay.

Den gemessenen Wert von rund 1,7 Promille habe er größtenteils zuhause zusammengetrunken – Nachtrunk geltend machen, nennen sowas die Juristen.

Doch für diesen Nachtrunk hätte es nur ein sehr kleines Zeitfenster gegeben – um 20.15 Uhr alarmierte die Zeugin auf dem Feldweg die Polizei, wenig später saß er bereits in der Wirtschaft. Dazwischen will er zwei Halbe und zwei große Schnäpse hinuntergestürzt haben.

Sachverständiger schätzt ihn für schuldfähig ein

Mit dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen endete der erste Verhandlungstag. Dieser attestiert dem Angeklagten zwar, Alkohol missbräuchlich zu verwenden, alkoholabhängig sei er aber nicht. Auch sprechen die Zeugenaussagen dafür, dass sich der Mann bei seinen Ausraster noch bei Sinnen und keineswegs im Vollrausch befand. Er schätzt ihn daher für schuldfähig ein.

Der Prozess wird am Dienstag, 21. Mai, fortgesetzt.

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