Balingen

„Ausbilder Schmidt“ zieht in Balingen militärische Register, dass die Panzerketten klirren

19.11.2021

Von Barbara Szymanski

„Ausbilder Schmidt“ zieht in Balingen militärische Register, dass die Panzerketten klirren

© Barbara Szymanski

Sonnenbrille, Militäroutfit und rotes Barett: Das Auftreten von „Ausbilder Schmidt“ ist seit Jahren unverändert.

Der erste Teil des Stadthallen-Gastspiels von „Ausbilder Schmidt“ alias Holger Müller – ziemlich anachronistisch. Im zweiten Teil aber war‘s dann richtig lustig, samt Aliens, die die Welt zerstören wollen. Da zeigte sich dann auch, dass der Künstler, der sein neues Programm „Schackeline, fahr mal der Panzer vor“ nennt, mehr als nur die bekannte Luschen-Frage draufhat.

Haben Sie gedient? Nöö. Haben Sie sich wenigstens amüsiert? Na ja, im zweiten Teil schon. Denn wer sich zum ersten Mal von Ausbilder Schmidt – alias Holger Müller – einen Anschiss abholt, erlebt zwei Seiten in der Ausübung der hohen Kunst der Komik: Das Bedienen von Klischees, viel militärisches und deshalb ziemlich anachronistisches Gedöns und dann wirklich Komisches nach der Pause mit furchtbar bösen Aliens, die ein zuckersüßes Liedlein von der Erde vertreibt.

Nur halbvoll ist der kleine Stadthallensaal. Aber die Hälfte davon sind junge Männer, die auf die Fragen nach dem dienen, stramm mit „Jawoll!“ antworten können. Auch Dirk, der Anwalt in der ersten Reihe. Da muss selbst der ausgebuffte Ausbilder die Notbremse seines Panzers ziehen und die Sonnenbrille sowie das rote Barett zurechtrücken. Doch Dirk wird erst im zweiten Teil seinen Auftritt haben.

„Ausbilder“ zieht alle militärischen Register

Im ersten Teil wird gepöbelt, werden schmuddelige Witze gerissen, alle militärischen Register gezogen und Gemeinplätze gebaut, dass die Panzerketten klirren.

Eine Kostprobe, und zwar eine der wenigen harmlosen: Bewegungsmelder in Ämtern – macht doch eigentlich keinen Sinn. Prima, jetzt sind auch die anderen Staatsdiener gemaßregelt worden. Aber mitunter genügt auch ein Name, um glucksen und kichern auszulösen: Thorben, einer der drei neuen Rekruten des Ausbilders.

Und natürlich Schackeline, die in der Grundausbildung endlich was für Bauch, Beine, Po machen will und ein T-Shirt verlangt, das zu ihrem blauen Nagellack passt. Ein Mannweib geht durch statt über die Kletterwand, Thorben will vegan essen. Der Ausbilder ist am Ende seiner ohnehin kaum vorhandenen Geduld und will Bademeister in Neukölln werden.

Zentrale Frage: Was ist luschig?

Die jungen Männer lachen und die imaginäre Schackeline fragt, wo denn das alte Köln geblieben sei. Die Burschen im Saal beantworten aber brav auf die zentrale Frage: Was ist luschig? Zum Beispiel die Sache mit dem Apfel, den die Partnerin in Stückchen schneidet und ihn so ihrem Herrn offeriert. Einige Hände heben sich, aber eine junge Frau sagt, dass ihr solches geschähe.

Das Mitarbeiten des Publikums gefällt dem Ausbilder Schmidt, der mit dieser Masche seit geschlagenen 20 Jahren durch die Lande tourt. „Schackeline, fahr mal der Panzer vor“ nennt er sein neues Programm, damit man gleich weiß, um was es geht: um gepflegte und gehegte Vorurteile und die üblichen Verdächtigen wie Urologen, den um 100 Kilogramm leichter gewordenen Reiner Calmund, Holländer, Franzosen: „Pommes sind Besatzungsfraß“, zotet der Ausbilder und zeigt beide Zahnreihen.

Der Anwalt wird zum Käuzchen-Lautmaler

Dann der Umschwung im zweiten Set. Jetzt wird’s richtig komisch und Holger Müller verstreut seine überbordende Kreativität. Die Apfelstückchen sowie die drei Rekruten spielen weiter mit und müssen eine Übung im dunklen Tann bewältigen. Und endlich darf auch der Anwalt mitarbeiten.

Ein Käuzchen soll er imitieren, damit es richtig schaurig wird. Das macht er so gut, dass er gar nicht mehr aufhören mag. Doch in der Kaserne ist Schluss mit dem Rumgepfeife. Die IT-Ausstattung besteht aus einem 40 Jahre alten Faxgerät aus 80 Kilogramm echtem Kruppstahl und einem Commodore 64 aus dem Jahr 1982.

„Ein bisschen Frieden“ verscheucht die Außerirdischen

„Reinstes Mittelalter“, wettert der Ausbilder, der dann die gruselige Geschichte erzählt von den Aliens, die die Welt vernichten wollen. Wer rettet diese? Ausbilder Schmidt selbstredend. In die Jahre gekommen greift er zum letzten Mittel.

Mit zusammengekniffenen Lippen, brüchiger, mitunter versagender Stimme und eingehüllt in ein weißes Kleid intoniert er „Ein biss--chen Frie---den“ von ESC-Gewinnerin Nicole. Die Aliens zerreißt es darob in tausend Stücke und das Raumschiff implodiert. Wir, das Publikum, sind nun bedient und haben uns, so gut wir können, amüsiert.

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