Meßstetten

Aus dem Waldhorn in Meßstetten ist ein sicherer Ort für Kinder und Jugendliche geworden

28.06.2019

von Volker Schweizer

Aus dem Waldhorn in Meßstetten ist ein sicherer Ort für Kinder und Jugendliche geworden

© Volker Schweizer

Jürgen Naumann, Grit Winger und Robert Kertesz (von links) freuen sich über den erfolgreichen Start der zweiten Wohngruppe des Diasporhauses Bietenhausen im ehemaligen Waldhorn in der Meßstetter Bueloch-Siedlung.

Im ehemaligen Waldhorn in Meßstetten steht nur noch die Theke, ansonsten erinnert nichts mehr an die frühere Gaststätte. Heute befindet sich darin die zweite Wohngruppe des Diasporahauses Bietenhausen.

Das Gebäude am Rande der Wohnsiedlung Bueloch, wo es früher einmal die beste Gulaschsuppe auf dem Heuberg gegeben haben soll, wurde komplett renoviert und ausgebaut. Es wohnen hier Kinder und Jugendliche, die aus verschiedenen Gründen nicht weiter in ihren Familien leben können oder für einen begrenzten Zeitraum einer außerfamiliären Förderung bedürfen.

Bindungsorientierte Traumapädagogik

Jürgen Naumann vom Diasporahaus Bietenhausen freut sich, dass hier ein weiterer „guter und sicherer Ort“ entstanden ist. Die bindungsorientierte Traumapädagogik bilde den Schwerpunkt der Arbeit, informiert der Leiter für den Geschäftsbereich Albstadt. „Nur so können die sozialpädagogischen Fachkräfte das Verhalten jedes einzelnen Betroffenen ‚lesen‘ und somit auch verstehen.“ Daraus resultierend wolle man entsprechende Hilfestellungen geben, dabei aber auch mit der Herkunftsfamilie zusammenarbeiten.

Drei Inobhutnahmeplätze

Die Wohngruppe im Bueloch bietet Platz für sechs Kinder und Jugendliche. Außerdem stehen drei sogenannte Inobhutnahmeplätze zur Verfügung. Bei Inobhutnahmen handelt es sich meist um Kinder und Jugendliche, die schnell ihr Zuhause verlassen müssen, weil sie mit schwerer Gewalt, Missbrauch oder massiver Vernachlässigung konfrontiert sind.

Markenzeichen des Diasporahauses

Die Traumapädagogik sei ein besonderes Markenzeichen des Diasporahauses, betont Jürgen Naumann. Wohl auch deshalb sind die Wohngruppen gut ausgelastet und werden stark nachgefragt. Eine weitere Wohngruppe befindet sich in der Nähe des Lidl-Marktes, in der Straße „Im Grund“.

NPD wollte ins Waldhorn

Das Waldhorn geriet im Jahr 2015 in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Offenkundig plante die NPD in dem Anwesen ein Schulungszentrum einzurichten. Der Kauf kam nicht zustande. Das Gebäude und das 22 Ar große Grundstück gehören seit Januar 2016 dem Diasporahaus Bietenhausen. Im Frühjahr 2016 zogen 14 minderjährige Flüchtlinge, die ohne erwachsene Begleitung nach Deutschland gekommen waren, ein – die Wohngruppe Waldhorn wurde eröffnet.

Ein großer Erfolg

Rückblickend spricht Jürgen Naumann von einem großen Erfolg: „Nahezu alle Jugendlichen haben die deutsche Sprache gelernt, die Deutschprüfung gemeistert und den Hauptschulabschluss geschafft. Viele besuchen derzeit eine weiterführende Schule oder absolvierten eine Ausbildung, unter anderem auch in Meßstetter Betrieben.“

Gruppenleiterin Grit Winger freut sich, dass sich einige der Flüchtlinge heute in der Stadt engagieren, in Vereinen, in der Feuerwehr und im Jugendgemeinderat. „Sie sind voll integriert.“ Weitere minderjährige Flüchtlinge – 63 an der Zahl – wurden von August 2016 bis Ende 2017 in der Erstaufnahmestelle auf dem Geißbühl in einer Notaufnahmegruppe betreut.

Renoviert und umgebaut

Im Herbst 2018 begann das Diasporahaus Bietenhausen unter der Leitung von Jürgen Naumann alle drei Stockwerke des Hauses komplett zu renovieren und auszubauen. Viele Handwerksbetriebe aus Meßstetten und der Umgebung waren daran beteiligt. Seit Anfang dieses Jahres wandelt sich die Wohngruppe konzeptionell. Nur noch zwei Flüchtlinge wohnen im Bueloch, der Rest führt mittlerweile mit Unterstützung des „Mobilen Dienstes“ ein selbstständiges Leben. Alle „Neuen“ seien herzlich aufgenommen worden, betont Grit Winger, „die Flüchtlinge haben die Willkommenskultur weitergegeben“.

In Kontakt mit den Nachbarn

Jürgen Naumann war und ist es wichtig, dass die Bewohner in Kontakt mit den Menschen im Bueloch kommen. Deshalb wird, wie Bereichsleiter Robert Kertesz berichtet, gemeinsam gegrillt oder in der Adventszeit gemütlich zusammengesessen.

Gleich drei Jubiläen

Meßstetten ist für das Diasporahaus Bietenhausen eine gute Adresse. Die erste Wohngruppe wurde vor zehn Jahren ins Leben gerufen, das Jugendbüro vor 20 Jahren und das Netzwerk Soziale Gruppenarbeit vor 25 Jahren. „So ein breites Jugendhilfeangebot gibt es im Zollernalbkreis sonst nirgendwo“, schwärmt Jürgen Naumann. Im Herbst wird gefeiert. Am 14. September, dem „Internationalen Tag der Demokratie“, plant die Einrichtung einen Massen-Luftballonstart.

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