Auf dem Meßstetter Geißbühl sollen im ganz großen Stil Bioabfälle vergären

Von Gudrun Stoll

Der Zweckverband steckt noch in den Planungen, hat aber ein erstes Unternehmen an der Angel, das im Industrie- und Gewerbepark Zollernalb in Meßstetten ansiedeln möchte.

Auf dem Meßstetter Geißbühl sollen im ganz großen Stil Bioabfälle vergären

So ähnlich wie die derzeit in Bau befindliche Bioabfallvergärungsanlage der MVV in Bernburg/Saale in Sachsen-Anhalt könnte auch die Anlage in Meßstetten einmal aussehen. Das Computerbild zeigt die wesentlichen Bestandteile einer solchen Anlage.

An die Tür geklopft hat mit der MVV Unternehmensgruppe eine Firma, die auf dem Konversionsgelände der ehemaligen Zollernalbkaserne den Bau einer Bioabfallvergärungsanlage plant. Meßstettens Rathauschef Frank Schroft, er ist zugleich Vorsitzender des im vorigen Jahren gegründeten Zweckverbandes Industrie- und Gewerbepark Zollernalb, spricht von einem Glücksfall.

Für Frank Schroft ein Glücksfall

Denn die MVV Energie AG mit Sitz in Mannheim verarbeitet den Bioabfall aus der Region in Energie und kann den gesamten Gewerbepark mit Wärme und Strom versorgen. Das Projekt habe Signalwirkung weit über Meßstetten hinaus, betont Schroft. Transparent und offen wolle der Zweckverband über das Vorhaben informieren, wohl wissend, wie sensibel die Bürger auf den Lärmpegel des Truppenübungsplatzes reagieren und wie kritisch die Pläne von Korn Recycling und Groz-Beckert zum Bau eine Heizkraftwerks im nahen Albstadt begleitet werden.

Start ist für 2024 geplant

Im Zweckverband IIG Zollernalb herrscht Einvernehmen über ein gutes und zukunftsweisendes Projekt. Die Stadt Meßstetten trägt gemeinsam mit Albstadt, Balingen, Nusplingen und Obernheim den Zweckverband. Die MVV Energie AG hat ihr Vorhaben in einer Gesprächsrunde vorgestellt, an der alle Verbandsmiglieder, die Rathauschefs plus Vertreter der jeweiligen Gemeinderatsfraktionen teilgenommen haben. Das 21-Millionen-Projekt sei einvernehmlich auf Zustimmung gestoßen, betont Schroft.

Zustimmung quer durch alle Fraktionen

Denn im Prinzip wird auf dem Geißbühl-Gelände umgesetzt, was Klimaschützer ebenso fordern wie die Vorkämpfer und Unterstützer der Energiewende: MVV verarbeitet Biomüll aus der Region in Biogas und speist die Energie ins Erdgasnetz ein. Das Biomethan eignet sich für die dezentrale Wärme- und Stromproduktion, dient als Treibstoff für Laster, Müllfahrzeuge und Omnibusse und wird als grünes Gas in Industrie und Gewerbe eingesetzt. Als Restprodukt aus dem Gärprozess verbleibt Naturdünger, der in Landwirtschaft und Garten Abnehmer finden soll.

Anlage arbeitet geruchsfrei

Wenn die Anlage keinen Lärm produziert, dann aber bestimmt ein „Gschmäckle“? Roland Kress, Öffentlichkeitsreferent der MVV-Gruppe, verneint. Die Vergärung laufe ohne Geruchsbelästigung, verweist er auf Erfahrungswerte aus einer Anlage, die inmitten eines Wohngebietes in Zürich betrieben werde. Auch in Dresden, Sinsheim oder Bernburg betreibt das börsennotierte Unternehmen solche Anlagen.

Für OB Reitemann eine tolle Sache

Sobald feststeht, auf welchem Grundstück innerhalb des Gewerbeparks die MVV Energie AG bauen kann, erfolgt die Entwurfs- und Genehmigungsplanung. Auf dieser Grundlage wird das Unternehmen den erforderlichen Genehmigungsantrag gemäß des Bundesimmissionsschutzgesetzes einreichen. „Aktuell streben wir, wenn alles optimal verläuft, eine Inbetriebnahme der Anlage im Laufe des Jahres 2024 an“, informiert Kress.

Balingens OB Helmut Reitemann möchte das Projekt am kommenden Dienstag im Gemeinderat offiziell bekanntgeben. „Wenn das mit dem Projekt klappen würde, wäre das eine ganz tolle Sache.“ Schließlich müsse der gesamte Biomüll auch jetzt schon irgendwo hin. „Da ist es doch allemal besser, er wird in der Region entsorgt und genutzt.“ Sei es zur Energiegewinnung oder zum Betreiben von Blockheizkraftwerken.

Für OB Konzelmann ein Projekt der Zukunft

„Wir haben hochgradig Interesse an dieser Biomüllvergärung“, sagt auch Albstadts Oberbürgermeister Klaus Konzelmann, der seinen Gemeinderat am Donnerstag informieren wird. Schon lange vor Gründung des Zweckverbands hätten Landkreis und MVV das Gespräch mit der Stadt gesucht. Bislang werde der Biomüll verbrannt. Im Zuge des Projekts sei vorgesehen, in der geplanten Anlage Bioabfall aus mehreren Landkreisen zu vergären, wobei geruchsneutrales Biogas entstehe.

MVV und Landkreis testen schon aus

„Das ist ein Projekt mit Zukunft“, sagt Konzelmann. An dieser Zukunft basteln MVV und der Landkreis schon seit geraumer Zeit. Auf der Anlage in Dresden werden Großteile des Bioabfalls aus dem Zollernalbkreis verarbeitet, um festzustellen, ob und wie dieser Bioabfall sich während des Vergärungsvorgangs konkret in dem von der MVV verwendeten Anlagentyp verhält.

Kosten sinken

Der Landkreis geht von jährlich 300.000 Euro Ersparnis an Transport- und Umschlagkosten aus, wenn der Biomüll regional in Meßstetten entsorgt und verwertet wird - im Schnitt würden dann unter der Woche täglich zehn Sammelfahrzeuge die Anlage anfahren. Derzeit wird der Bioabfall von Hechingen aus in Anlagen außerhalb Baden-Württembergs gebracht.

Gesamte Region soll mit ins Boot

MVV richtet das Projekt auf den Zollernalbkreis und die umliegende Region aus und möchte weitere Partner ins Boot holen. Tübingen und Reutlingen gelten als potenzielle Partner, ebenso der Kreis Sigmaringen, der erst 2024 die Biotonne einführt und eventuell auch der Kreis Tuttlingen. Im Zollernalbkreis erfolgte die flächendeckende Einführung der Biotonne bereits im Jahr 1991. Jährlich werden über die braunen Tonnen 10.000 Tonnen Bioabfall gesammelt.