Balingen

Arm im Alter – aber nicht alleingelassen: Die Kümmerer helfen einer Familie in großer Not

17.12.2021

Arm im Alter – aber nicht alleingelassen: Die Kümmerer helfen einer Familie in großer Not

© Privat

Die bisherige Wohnung von Maritta Borchardt ist nach dem Umzug ins Pflegeheim entrümpelt: Ihrer Tochter Manuela Boja (Zweite von links) standen Nathalie Hahn, Kevin Buk und Heinz Weinbuch vom Sozialkaufhaus tatkräftig zur Seite.

„Altersarmut – mitten unter uns“: Dass es das gibt, hat das Team des Sozialkaufhauses Domiziel Zollernalb diesen Sommer hautnah miterlebt. Nathalie Hahn und Peter Blechmann erzählen, wie die Menschen hinter dem Projekt „Die Kümmerer“ einer 81-Jährigen und ihrer Tochter helfen konnten. Auch andere können helfen, indem sie im Rahmen der ZAK-Weihnachtsaktion für das Sozialkaufhaus spenden – und somit die wertvolle Arbeit der engagierten Projektpartner unterstützen.

Maritta Borchardt ist 81 Jahre alt, zu 100 Prozent schwerbehindert und seit 11. Juli 2021 im Pflegegrad 5 eingestuft. Sie ist seit Jahren von Altersarmut betroffen, hat eine kleine Rente mit 721 Euro und ist deshalb fortlaufend auf Grundsicherung angewiesen.

Nathalie Hahn und Peter Blechmann, Leiter des Sozialkaufhauses und Initiatoren des Projekts „Die Kümmerer – helfen – vermitteln – begleiten“, berichten von ihrem Schicksal. Und wie sie der Familie der 81-Jährigen tatkräftig helfen konnten:

Tochter hat Möbel fürs Sozialkaufhaus angeboten

„Vor zwei Wochen nahm die Tochter von Frau Borchardt zu uns Kontakt auf, sie wollte uns Möbel für unser Sozialkaufhaus anbieten. Leider waren diese zu groß und auch nicht mehr wirklich zeitgemäß, so dass wir die Tochter angerufen haben, um abzusagen.

Im Laufe des Gesprächs wurde uns schnell klar, dass hier eine völlig verzweifelte Tochter am anderen Ende des Telefons sitzt. Die Wohnung der Mutter muss bis Ende Dezember leer geräumt sein, die Tochter und ihr Mann sind beide gesundheitlich schwer angeschlagen. Es muss schnellstmöglich entrümpelt werden. Nur wer soll das machen?

„Die Kümmerer“ übernehmen

Da die Kosten über das Sozialamt abgerechnet werden müssen, wurden drei Kostenvoranschläge verlangt, die in der Kürze der Zeit aber nicht beizubringen waren. Wenn das Entrümpeln nicht mehr klappt im Dezember, wird eine weitere Monatsmiete fällig, deren Kostenübernahme auch nicht geklärt war, lautete die Aussage.

Das Telefonat endete in Tränen, so dass wir die Tochter schnell in der zu entrümpelnden Wohnung besucht haben und uns sofort mit dem Sozialamt in Verbindung gesetzt haben.

Ein schwerer Sturz und seine Folgen ...

Maritta Borchardt lebte bis Ende März 2021 in ihrer angemieteten Wohnung. Ein häuslicher Unfall, ein sehr schwerer Sturz, endete mit einer Not-OP an der Wirbelsäule in der BG-Unfallklinik in Tübingen. Nur langsam erholte sie sich von den Folgen des Unfalls, musste Zeiten in Pflegeeinrichtungen verbringen, bis die Reha-Fähigkeit hergestellt war.

Doch bevor diese erreicht war, erlitt Maritta Borchardt in der Pflegeeinrichtung eine schwere Hirnblutung. Wieder eine Not-OP. Eine schwere Hirnschädigung war dennoch die Folge. Trotzdem hatten die Ärzte noch Hoffnung auf Besserung nach der Operation. Ein Arzt meinte, sie hatte Glück im Unglück.

Ab Juli 2021 kam die Mutter dann in Früh-Reha Phase B in der Schmieder-Klinik am Bodensee. Es war ein Auf und Ab, immer wieder Hoffnung auf Besserung. Eine klare Prognose konnten die Ärzte nicht abgeben, aber der Zustand besserte sich, wenn auch sehr langsam.

Nach zweiter Hirnblutung ist die 81-Jährige ein Schwerstpflegefall

Dann erlitt Maritta Borchardt in der Reha aber eine weitere, kleinere Hirnblutung, der Zustand verschlechtert sich rapide und Ende Oktober war klar: Sie ist nicht weiter Reha-fähig und wird nicht mehr nach Hause können, sondern als Schwerstpflegefall in vollstationäre Pflege entlassen. Für die Familie nach all den Wochen der Hoffnung ein Alptraum.

Nach dieser Aussage der Ärzte wurde die Wohnung sofort gekündigt, mit dem Vermieter konnte eine frühere Kündigungsfrist für den Mietvertrag vereinbart werden. Seit 4. November dieses Jahres ist Maritta Borchardt in vollstationärer Pflege im Haus am Neckar in Rottenburg, da hier im Zollernalbkreis kein Pflegeplatz zu bekommen war.

Vor diesem Termin konnte die Wohnung nicht aufgegeben werden, es war ja nicht klar, ob die Mutter wieder nach Hause kann. Es stand erst im Oktober nach der zweiten Hirnblutung fest, dass eine Rückkehr in die eigene Wohnung nicht mehr möglich sein wird.

Es hätte kein Zurück in die eigene Wohnung gegeben

Wäre die barrierefreie Wohnung, in der die Mutter, die auf den Rollstuhl angewiesen ist, schon über 30 Jahre gewohnt hat, aufgegeben worden, wäre es auf dem heutigen Wohnungsmarkt unmöglich gewesen, für die vom Sozialamt bezuschusste Miete eine vergleichbare Wohnung zu finden. Außerdem wären alle Möbel weg gewesen. Dann hätte es kein Zurück in die häusliche Umgebung mehr gegeben. Bei Pflege zu Hause wären – auch für das Sozialamt – geringere Kosten entstanden.

Die immense Anzahl an Formularen, Nachweisen, ärztlichen Atteste, die beizubringen waren, haben die Tochter schwer belastet. Für den Kampf um die Kostenübernahme für die Entrümpelung hat ihr einfach die Kraft gefehlt. Es flossen nur noch Tränen.

Das Einkommen reicht einfach nicht aus

Kosten für die vollstationäre Pflege, dazu die Miete, die kleine Rente, mit der diese Kosten nicht alle bezahlt werden können: Die Kinder sind finanziell nicht in der Lage, diese ganzen Kosten zu tragen. Dazu reicht das Einkommen einfach nicht aus. Besonders belastend ist, dass die Miete zusammengekratzt werden muss, die Kinder haben gerade jetzt vor Weihnachten ihre eigenen wenigen Mittel eingebracht, um den Vermieter nicht im Stich zu lassen.

Wir „Kümmerer“ haben die Not gespürt und konnten zumindest die Kostenübernahme für das Entrümpeln der Wohnung durch das Sozialamt durch unser großes Netzwerk schnell auf den Weg bringen. Am Mittwoch wurde die Entrümpelung durch unser Domiziel-Team durchgeführt.

Maritta Borchardts Tochter schreibt uns: ‚Ich kann mich nur glücklich schätzen dass es so Menschen wie die Kümmerer gibt, die in solch einer Notsituation unbürokratisch und sofort helfen und zur Seite stehen! Ich hätte ohne die Kümmerer die Wohnung nicht auflösen können. Wenn einem selber alles über dem Kopf wächst und man kurz vor dem Zusammenklappen ist, braucht man einfach Hilfe schnell und unbürokratisch. Ich fühle mich zu aller Hilfe von den Kümmerern getragen, verstanden und liebevoll betreut ... das tut einfach gut und hilft, in dieser sehr schweren Zeit weiter zu gehen. Danke, dass es euch gibt!‘

Der aktuelle Spendenstand

Das Projekt „Die Kümmerer“ ist aus der alltäglichen Arbeit im Sozialkaufhaus Domiziel entstanden. Denn dort geht es um viel mehr, als gebrauchte Möbel günstig zu kaufen, Sozialstunden abzuleisten oder einen 2-Euro-Job zu haben.

Wer die Arbeit der „Kümmerer“ unterstützen möchte, kann dies mit einer Spende tun – auch noch nach den Feiertagen. Verwendungszweck: ZAK-Weihnachtsaktion (und der Vermerk, ob der Spender mit der Namensnennung im ZAK einverstanden ist, für eine Spendenbescheinigung bitte Adresse angeben).

Gespendet wurden in der vergangenen Woche – Stand Donnerstag – 5380 Euro von 36 Spendern, darunter zwei Spenden in Höhe von jeweils 1000 Euro, eine 500- und eine 300-Euro-Spende. Die gesamte Spendensumme ist damit auf 7193 Euro angestiegen.

Die Spendenkonten

Sparkasse Zollernalb

IBAN: DE 71 6535 1260 0134 1239 70

BIC: SOLADES1BAL

Volksbank Hohenzollern-Balingen eG

IBAN: DE 17 6416 3225 0417 9170 07

BIC: GENODES1VHZ

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