Anwohner des Frommerner Schiefersees fordern Hilfe ein: „Sonst eskaliert die Situation“

Von Nicole Leukhardt

Für die einen ist es ein Wochenend-Paradies, für die anderen eine Belastung: Anwohner des Frommerner Schiefersees wandten sich an die Ortschaftsverwaltung. Sie sind nicht gewillt, die „teilweise unerträgliche Belästigung“ weiter auszuhalten. In der Sitzung machten sie dies den Räten bei der Bürgerfragestunde unmissverständlich und mit drastischen Worten deutlich.

Anwohner des Frommerner Schiefersees fordern Hilfe ein: „Sonst eskaliert die Situation“

So leer sieht man den Schiefersee dieser Tage kaum: Für Anwohner ist vor allem der Müll und die nächtliche Ruhestörung ein Ärgernis.

Was die Anwohner schon in einem Brief an Frommerns Ortsvorsteher und an einige Ortschaftsräte, aber auch in der Sitzung am Donnerstagabend schildern, hat mit dem Bild des grünen Naherholungsidylls Schiefersee so gar nichts gemein.

Dass die Gehwege und die Zufahrten verbotenerweise zugeparkt sind, sei längst kein Phänomen mehr, das nur am Wochenende auftrete. „Strafzettel sieht man hier selten“, mokieren sich die Anwohner. Dabei seien konsequente Kontrollen der richtige Ansatz. Besser, als „Steine zur Einfriedung der Wiese setzen, das hält niemanden vom Parken auf dem Gehweg ab“, schreiben sie.

Keine Chance für Rettungswagen und Feuerwehr

Und weisen im selben Atemzug auf die damit verbundene Gefährdung für Kinder und Eltern mit Kinderwagen hin, „die dann auf die eh schon enge Straße ausweichen müssen.“ Die werde für Rettungswagen oder die Feuerwehr dann gänzlich unpassierbar, wenn der Verkehr zu den Bring- und Holzeiten des Kindergartens zunehme.

Doch nicht nur mit dem Verkehr, der offenbar wahre Heerscharen an den Schiefersee bringt, tun sich die Anwohner schwer. Auch das, was jene Menschenmassen hinterlassen, ist ein Ärgernis. Müll und Flaschen, die in den Gärten landen, betreffen die Anlieger direkt. Aber auch rund um den See bleibe einiges liegen, angefangen von Müll über Einweggrills, hin zu Resten von offenem Feuer und Briketts von Shishas, deren Konsumenten wohl deutlich jünger seien, als das Gesetz es erlaube.

Die Mitarbeiter des Bauhofs bemühten sich redlich, die Umgebung des Sees aufzuräumen, schreiben die Anwohner. Doch fehlende Mülleimer müssten auch wieder ersetzt werden.

Menschliche Hinterlassenschaften ärgern die Anwohner

Doch unappetitlicher noch als der Müll seien die menschlichen Hinterlassenschaften: „Die Leute urinieren und verrichten auch größere Geschäfte im Gebüsch um den See“, heißt es in dem Schreiben. Und sogar vor den Gartenzäunen und Gärten der Anwohner machen die Badegäste auf der Suche nach einem stillen Örtchen nicht Halt.

„Der neu gekieste Eingang zum See, wahrscheinlich um das neue Rettungsboot besser ins Wasser zubringen, ist ein ideales Spielzeug, um im Wasser spielende Kinder mit Steinen zu bewerfen“, bemängeln die Anwohner. Unlängst habe die Polizei deswegen ausrücken müssen. Für kleinere Kinder sei der Eingang zum See deutlich gefährlicher geworden, weil das Plateau entfernt worden sei.

„Regeln müssen kontrolliert, Verstöße geahndet werden“

Das Fazit des Schreibens: „Aus unserer Sicht benötigen wir keine weiteren Zäune oder Steine zur Einfriedung oder Absperrung, wir haben existierende Regeln und Gesetze. Diese müssen konsequent kontrolliert, bei Verstoß geahndet und auch dann dementsprechend bestraft werden.“

Die Anlieger sehen die Stadtverwaltung in der Pflicht. Es genüge schlicht nicht, abends einen Sicherheitsdienst vorbeizuschicken, „der sich auch mal, wenn Bekannte am See sind, einfach nur dazu setzt und die Zeit absitzt“, wie die Frommerner ihre Beobachtungen schildern.

In der Sitzung wurde deutlich: Die Zustände um den See gehen weit über tolerierbare Ausnahmen hinaus. „Meine Frau hat seit vier Wochen keine Nacht mehr geschlafen, wir rufen jede Nacht die Polizei an, die uns dann vertröstet oder Stunden später kommt“, sagte einer der Nachbarn.

Die Anwohner wünschen sich einen gemeinsamen Vor-Ort-Termin mit den Verantwortlichen, damit sich diese ein Bild der Situation machen können. „Dieser sollte natürlich zu einer relevanten Zeit bei schönem Wetter, am besten Samstag oder Sonntag sein.“

Anwohner wünschen sich schnelles Handeln

Denn keineswegs wollen sie als Spielverderber dastehen, auch dies machen die Nachbarn in ihrem Brief deutlich: „Alle, mit denen wir gesprochen haben, wollen einen attraktiven See, mit Schwimmern, mit der Liegewiese und auch Nicht-Ortsansässigen als Besucher, aber alles im Rahmen einer normalen gesellschaftlichen Ordnung.“ Und weisen vorsichtshalber gleich noch auf die Dringlichkeit hin: „Bitte sehen Sie von wortreichen Versprechungen, die irgendwann umgesetzt werden könnten, ab. Wir brauchen aktive Handlungen im Sommer 2020.“ Dies forderten auch die Frommerner, die in die Sitzung gekommen waren.

Schützenhilfe bekommen sie dabei von den Fischern, die auf der gegenüberliegenden Seite der Badestelle ihr Refugium haben. Oder viel eher hatten, denn auch sie leiden unter dem Tourismus am See. „Wir zahlen Pacht, räumen den Müll weg und können den See höchstens zwei oder drei Monate lang für unser Hobby nutzen“, sagt Holger Kolbus, der Vorsitzende der Fischer.

Die Badegäste, wenn sie sich denn anständig benehmen, seien nicht das größte Problem, sagt er, wenngleich der See das eine oder andere Mal schon fast gekippt wäre und man die Feuerwehr mit Frischwasserzufuhr habe anfordern müssen.

Jugendliche halten sich nicht an Regeln

Die Fischer ärgern sich viel mehr über Jugendliche, die sich in die Hecken der Fischerseite zurückzögen, dort rauchten und ihre großen Hunde baden ließen. „Wenn hier die Stadt nicht endlich durchgreift, wird die Situation eskalieren“, füchtet Kolbus.

Für Frommerns Ortsvorsteher Stephan Reuß ist das Problem nicht neu. Durch die „laufende Berichterstattung in der Presse ist der See bekannt geworden“, nannte er die Ursache für den wachsenden Zulauf in den vergangenen Jahren. „Wir werden eine Nutzungsordnung aufstellen“, versprach er. Darin sollen Dinge wie Alkoholkonsum und Nutzerzonen klar geregelt sein. Ein Betretungsverbot ab 22 Uhr, wie Anwohner es vorgeschlagen hatten, will der Dorfchef nicht. „Das trifft dann nämlich auch die Anständigen.“

Kommentar

Dass die Presse immer alles niederschreibe, weil nur schlechte Nachrichten Gute seien – diesen Vorwurf hören wir Redakteure öfter. Dass wir unsere Neuigkeiten jedoch in solch bunten Farben verpacken, dass zu viele sie gut finden, ist irgendwie neu. Die Berichterstattung über den Schiefersee sei Schuld daran, dass der Besucheransturm in den letzten Jahren so zugenommen habe, klagte Ortsvorsteher Stephan Reuß in der Sitzung am Donnerstag. Zu häufig habe man den kleinen See ins Blatt gerückt, zu malerisch seine idyllischen Ufer beschrieben. Der skurrile Vorwurf bedarf eines Blicks ins Archiv. Tatsächlich, wir haben vom Schiefersee berichtet. In den jüngsten Tagen erst, als ein Fachmann dem Balinger Gemeinderat mitteilte, dass der See als Badestelle zu werten sei. So, wie ihn die LUBW seit Jahren auf ihrer interaktiven Karte führt, Prädikat „ausgezeichnet“. Und ja, auch im Februar war der See schon im Blatt, als nämlich die Stadt ein Rettungsboot anschaffte. Ein weiterer Treffer: Die Frommerner Räte hatten sich für eine Boulebahn ausgesprochen, um auch älteren Bürgern ein attraktives Angebot am See anbieten zu können. Und wir haben berichtet. Und tun dies auch jetzt und geben damit den geplagen Anwohnern eine Plattform. Welche dieser Top-Nachrichten nun für den Besucheransturm gesorgt haben mag, die Antwort blieb Ortsvorsteher Reuß freilich schuldig. Es könnte natürlich auch die Kunde vom installierten Klohäuschen 2018 gewesen sein. Sollte ein einzelner blauer Dixie-Würfel in der Lage sein, einen kleinen See zum Freizeitmekka zu klassifizieren? Wie auch immer: Das Problem ist nun da, die Anwohner haben drastische Worte gefunden und verlangen von der Verwaltung zurecht, dass sie einschreitet. Da reicht es schlicht nicht, den schwarzen Peter umher zu schieben.