Amtsgericht Albstadt verhandelt: Erst nach zwei Jahren bricht Opfer das Schweigen

Von Renate Deregowski

Wegen sexuellem Missbrauch an einer Minderjährigen musste sich am Mittwoch ein 57-Jähriger vor dem Albstädter Amtsgericht verantworten. Vier Zeugen wurden gehört, zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ein Urteil ist noch nicht gefallen.

Amtsgericht Albstadt verhandelt: Erst nach zwei Jahren bricht Opfer das Schweigen

Im Sitzungssaal 213 des Amtsgerichts Albstadt wurde der Fall zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt.

Dem Mann, der bereits früher wegen ähnlicher Vergehen verurteilt wurde, wird vorgeworfen, im Sommer 2016 ein Mädchen gegen ihren Willen an ihren Geschlechtsteilen berührt zu haben. Sie kannten sich bereits vorher, denn er war der Vermieter der Wohnung, in dem das Mädchen mit ihren vier Geschwistern, ihrer Mutter und deren Lebensgefährten gewohnt haben. Außerdem trugen sie manchmal zusammen Prospekte aus, gemeinsam mit dessen Frau und ihren Geschwistern.

Mädchen trägt Prospekte mit Angeklagtem aus

Laut Aussagen von Oberkommissarin Müller vom Polizeirevier Balingen, der Mutter und dem Onkel des Mädchens, hatte der Angeklagte dem Mädchen an so einem Tag vorgeschlagen, bei ihm im Haus zu übernachten. Es sei nicht genügend Zeit, die Prospekttour zu beenden, was am nächsten Morgen geschehen solle. Untergebracht war sie in einem der ehemaligen Zimmer der beiden Söhne des Angeklagten. Dort spielte sie vor dem Schlafen gehen noch auf der Playstation, als der Angeklagte zu ihr gekommen sein soll und versucht hatte, sich an ihr zu vergreifen.

Sie wehrte sich, worauf er von ihr abließ. Die Nacht verbrachte sie trotzdem bei ihm. Am nächsten Morgen zwang der Angeklagte sie, mit ihm zu duschen, wobei es laut der Oberkommissarin zu keinen Übergriffen kam, weil sich das Mädchen auch hierbei wehrte. Anschließend trug sie mit ihm trotz der Ereignisse die restlichen Prospekte aus.

Mädchen vertraut sich Onkel an

Rund zwei Jahre dauerte es, bis sich das Mädchen im November 2018 ihrem Onkel anvertraute. Der wandte sich sogleich an ihre Mutter, die unmittelbar danach mit ihrer Tochter zur Polizei fuhr, um Anzeige zu erstatten. Richterin Kalkan wollte von Onkel und Mutter wissen, weshalb das Mädchen so lange gewartet habe, bis sie etwas von dem Vorfall erzählte.

Beide bestätigten, dass die inzwischen 16-Jährige eher zurückhaltend sei, vor allem was Sexualität angehe, und in ihrer Entwicklung nicht so weit wie ihre Altersgenossen. Erst der schmerzliche Verlust zweier Schulkameraden und das Nachhaken des Onkels habe sie sprechen lassen. Laut Onkel hatte das Mädchen nach dem Vorfall keinen Kontakt mehr mit dem Angeklagten. Die Mutter wiederum erzählte, dass nach dem Bekanntwerden sie und zwei ihrer Geschwister zum Angeklagten gegangen waren, um Kuchen zu essen und Kakao zu trinken.

Kontakt war stets gut

Auch legte der Verteidiger WhatsApp-Nachrichten vor, die zwischen beiden ausgetauscht wurden. Das Verhältnis zwischen Familie und Angeklagtem war laut Mutter bis zum Bekanntwerden ein gutes. Die Familie war bei der Verhandlung 2015 dabei, als der Angeklagte sich schon einmal wegen sexuellem Missbrauch Minderjähriger verantworten musste, besuchte ihn anschließend in der Vollzugsanstalt.

Vorfall auf Grundstück

Einen zeitlich nicht festmachbaren Vorfall gab es auf dem Grundstück der Familie: Beim Grillen mit Freunden geriet die Thujahecke in Brand. Der Angeklagte und Vermieter vermutete Brandstiftung, weshalb er Anzeige erstattete. Die Anzeige der Mutter bezeichnete er als „blanken Racheakt“. Auch hätte die Familie bei ihm Mietschulden. In der Vergangenheit habe er der Familie geholfen, zwei Firmenfahrzeuge und Ausstattung für ihren Gastronomiebetrieb zu beschaffen. Sein bitteres Fazit: „Ich bin so bekloppt, ich bin immer nur das Arschloch.“

Im Dunstkreis der „Reichsbürger“

Das Mädchen selbst sagte gestern ebenfalls aus – unter Ausschluss der Öffentlichkeit und zunächst vor dem Angeklagten, dann ohne ihn, auf Antrag des Staatsanwalts. Richterin Kalkan ging anschließend auf die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten ein. „Ich bin Deutscher preußischer Abstammung“, betonte er. Seine Kontakte zu den „Reichsbürgern“ hätten ihm nur Probleme eingebracht, weshalb er die Kontakte abgebrochen hätte. „Ich will einfach nur meine Ruhe“, betonte er.

Urteil fällt am 20. November

Dass er selbst ruhiger geworden sei, bestätigten auch Verteidiger und Staatsanwalt mit einem breiten Grinsen, die ihn von vorherigen Verhandlungen kennen. Abschließend einigten sich Verteidiger, Richterin, Staatsanwalt und Vertreterin der Nebenklage darauf, die Verhandlung zu unterbrechen. Fortgeführt wird sie öffentlich am Mittwoch, 20. November, ab 8 Uhr mit den Plädoyers und der Urteilsverkündung.