Albstädter Literaturtage: Gruselatmosphäre im Lautlinger Stauffenbergschloss

Von Desiree Dietsche

Das Publikum war begeistert: Mit dem Midnight Story Orchestra und seinem Hörspielkonzert „Der Graf“ wurde es herrlich gruselig im Stauffenberg-Schloss.

Albstädter Literaturtage: Gruselatmosphäre im Lautlinger Stauffenbergschloss

Midnight Story Orchestra: Eine atmosphärisch-schauerliche Darbietung.

Vor 10 Jahren gastierte das Midnight Story Orchestra das erste Mal in Albstadt. Stoff war damals ein Klassiker der Weltliteratur – Bram Stokers „Dracula“, in der Manier eines live performten Hörspiels. Zum Jubiläum griff das sechsköpfige Ensemble jenes Programm, das unter dem Titel „Der Graf“ zum Repertoire zählt, in leicht veränderter Fassung wieder auf und entführte den fast voll besetzten Saal des Lautlinger Stauffenberg-Schlosses nach Transsylvanien.

Übersetzung von Emotionen in Musik

Neben der großartigen schauspielerischen Leistung von Erzähler Dr. Jasper Paulus, der nicht nur vorlas, sondern mit hingebungsvoller Variation in der Stimme, Mimik und Gestik authentisch in sämtliche Figuren des Romans schlüpfte, war es die Übersetzung von Emotionen in Musik, welche das Publikum in seinen Bann zog. Von lieblosem Gedudel, wie man es aus schlechteren Hörbüchern kennt, konnte beim Midnight Story Orchestra jedenfalls nicht die Rede sein.

Stimmungsvoll vertont

Beinahe komplett von Gitarrist Andreas Wiersich komponiert, sind die Stücke aus einer Mischung von südosteuropäischer Folklore, Jazzrock und weltlichen Elementen dem Text auf den Leib geschrieben. So ist beispielsweise Jonathan Harkers holperige Kutschfahrt in die Karpaten hinein oder das jagdlustige Wolfsrudel unter der Fuchtel von Graf Dracula stimmungsvoll vertont, nicht zuletzt aufgrund der teils außergewöhnlichen Instrumente, die für sich allein bereits große Mystik heraufbeschwören.

Gänsehaut beim Auftritt von Draculas Bräuten

aToni Hinterholzinger begab sich in Mönchskutte an die elektronische Orgel und Florian Bührich sorgte am Vibraphon für Gänsehaut beim Auftritt von Draculas Bräuten. Alex Bayer am Kontrabass und Stephan Erb am Schlagzeug lieferten die dunklen bis kreischenden Töne, die Harkers Verzweiflung, als er merkt, dass es kein Entkommen aus dem Schloss gibt, auf die Spitze trieben. Ein paar Spezialeffekte durften auch nicht fehlen, so rief beispielsweise Wolfsgeheul die Zuschauer aus der Pause zurück. Auf diese Weise gelang dem Ensemble eine atmosphärisch-schauerliche Darbietung, die definitiv nichts für Kinder war.

Ein Highlight der Literaturtage

„Für mich persönlich ist das Midnight Story Orchestra ein Highlight der Literaturtage, sowohl musikalisch als auch erzähltechnisch“, meinte Kulturamtsleiter Martin Roscher. „Der Erzähler kriecht richtig in die Figuren hinein, wirklich außergewöhnlich“, so Zuschauerin Helga Trojan und Anna Steinhardt fügte ihre Faszination über die Verflechtung von Text und Musik hinzu. Wilfried Neusch warf ein, dass er sich gewünscht hätte, der Applaus wäre bis zum Schluss aufgehoben worden, um die Hörspielatmosphäre nicht zu durchbrechen.

Die Inspiration muss stimmen

Auf die Frage nach der Auswahl der Werke erklärte Wiersich, dass er von einem Buch begeistert sein müsse, damit das Komponieren leichtfällt. Bei Stoker habe er gar nicht mehr aufhören können zu lesen. „Melodie und Rhythmen sind letztendlich Gestalten“, die Inspiration müsse stimmen. Die Profimusiker kennen sich schon seit dem Studium und lehren selbst ihre Kunst. Dr. Jasper Paulus, der als Ingenieur tätig sei, habe lange Improvisationstheater gespielt. „Es gehört viel Technik dazu“, betonte er, „dann kann man die Emotion zulassen.“ Als nächstes nimmt sich die Truppe Goethes „Faust“ vor.