Albstadt

Albstädter Literaturtage: Dem Himmel so nah - Gotteserfahrung in der Wüste

18.11.2019

Von Tobias Göttling

Albstädter Literaturtage: Dem Himmel so nah - Gotteserfahrung in der Wüste

© Tobias Göttling

Literaturgottesdienst in der Martinskirche: Pfarrer Walter Schwaiger und Thorsten Rach.

Der Literaturgottesdienst in der Martinskirche berührte die Zuhörer auf ganz besondere Weise.

Im gut besuchten Literaturgottesdienst in der Martinskirche hörten die etwa 150 Besucher Textpassagen aus dem Werk „Nachtfeuer. Was ich in der Wüste erlebte“: ein Buch des bekannten französischen und belgischen Romanciers, Dramatikers und Filmregisseurs Eric-Emmanuel Schmitt, der sich in seinem Leben vielfach religiös wandelte und schließlich vom Atheismus zum Christentum konvertierte.

Erster autobiografischer Roman

In seinem ersten autobiografischen Roman erzählt Schmitt, von dem auch das weltbekannte Werk „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ stammt, wie er als junger Student eine Nacht in größter Gefahr in der Wüste Algeriens verbrachte und nicht wusste, ob er überleben wird.

Lieder passen zu den Szenen im Buch

Pfarrer Walter Schwaiger und Thorsten Rach von der Martinskirchengemeinde nahmen ihre Zuhörer mit einem ganz besonderen, erst zum zweiten Mal durchgeführten Format, mit kurzen Passagen abwechselnd gelesen und sehr ansprechend vorgetragen, hinein in das Werk. Dazwischen sang die Gemeinde Lieder, die zu den jeweiligen Szenen aus dem Buch passten.

Auseinandersetzung mit den Weltreligionen

Die mystische Erfahrung in der Wüste legte den Grundstein für Schmitts Auseinandersetzung mit den Weltreligionen und beeinflusst seither sein Schreiben und Denken. In „Nachtfeuer“ gibt Schmitt Zugang zu seinen eigenen religiösen Erfahrungen. Als junger Philosophiestudent folgte er den Spuren eines französischen Mystikers, Charles de Foucauld, der einst bei den Tuareg in der Sahara lebte.

Allein und schutzlos in der Wüste

Nachdem er bei einer Bergbesteigung seine Gruppe verloren hatte, verbrachte er die Nacht alleine und schutzlos. Auf die gelesenen Szenen folgten die Kirchenlieder „Himmel, Erde, Luft und Meer“ und „Der Mond ist aufgegangen.“

Schmitt gräbt sich in den Sand, um nicht zu erfrieren, das Sternenzelt über ihm, er spürt den Tod, hat aber keine Angst.

Übersinnliche Kraft

In dieser existentiellen Not erfährt er eine übersinnliche Kraft, die ihn überleben lässt und symbolisch wie auch ganz wörtlich „zum frischen Wasser“ führt. Passend dazu begann die Orgel, grandios gespielt von Steffen Mark Schwarz, mit dem nächsten Lied: „Ins Wasser fällt ein Stein …“.

Hinweis auf die Ewigkeit

Das Werk weckte auch die Sehnsucht einiger Zuhörer nach „mehr“: wie manche nach dem Gottesdienst bekundeten, würden sie gerne weitere Stellen lesen. Das freute Pfarrer Schwaiger, der darauf hofft, das Interesse für die Lektüre, auf die er im Sommer in einer Buchhandlung stieß, geweckt zu haben. Die Sehnsucht nach „mehr“ steckt aber viel tiefer im Menschsein.

Freude reicht für ein ganzes Leben

Schmitts Sehnsucht lässt sich im Naturerlebnis stillen, durch das er sich auf den Frieden Gottes und auf Zeichen der Ewigkeit hingewiesen sieht. Passend lautete die letzte Passage der Lesung: „Eine Nacht auf Erden hat mir so viel Freude bereitet, dass es für ein ganzes Leben reicht. Eine Nacht auf Erden hat mich die Ewigkeit erahnen lassen.“

Hemmungen gegenüber religiösem Staunen

In seiner Kurzpredigt knüpfte der Pfarrer an die religiösen Erfahrungen des Autors an, die gemeinsam mit dem Thema „Wie erfahre ich Gott – was hilft dazu, was hindert uns daran?“ im Mittelpunkt des Gottesdienstes standen. Schwaiger kritisierte Hemmungen in der modernen Gesellschaft gegenüber religiösem Staunen und Wundererleben. Der Pfarrer verglich Schmitts besondere Erlebnisse in der Wüste mit denen Moses‘, als dieser eine Gottesbegegnung gehabt habe.

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