Albstadt

70 Jahre Luftbrücke: Der Albstädter LSV-Vorsitzende fliegt als Lotse für Onkel Wackelflügel

18.06.2019

Von Dagmar Stuhrmann

70 Jahre Luftbrücke: Der Albstädter LSV-Vorsitzende fliegt als Lotse für Onkel Wackelflügel

© Hans Scholtens

Erinnerung an die Luftbrücke: Der Albstädter LSV-Vorsitzende Guido Voss war am Steuer einer North American AT 6 Texan dabei (im Vordergrund).

Guido Voss, der Vorsitzende des Albstädter Luftsportvereins Degerfeld, war bei der Rückkehr der Rosinenbomber nach Berlin dabei – am Steuer einer North American AT 6 Texan.

Es war ein besonderer Tag; In Erinnerung an die Rettungsflüge der Amerikaner und Briten vor 70 Jahren kehrten die „Rosinenbomber“ am 15. Juni zu einem Überflug nach Berlin zurück.

Care-Pakete für die eingeschlossenen Berliner

In einer einzigartigen Rettungsaktion versorgten die westlichen Alliierten 1948/49 während der sowjetischen Blockade rund zwei Millionen eingeschlossene Berliner mit Care-Paketen. Aus Besatzern wurden Beschützer, aus Kriegsgegnern Freunde.

Berlin war eine Insel

Berlin war eine Insel, umschlossen von der sowjetischen Besatzungszone und vom Westen abgeschnitten. Der einzige Weg in die Stadt: eine Luftbrücke. Die „Helden“ dieser humanitären Hilfsaktion waren die Flieger und Bodencrews. Von den damals beteiligten Flugzeugen existieren weltweit nur noch wenige.

Gail Halvorsen war als Onkel Wackelflügel der Liebling der Kinder

Ein Mann hat ganz besondere Berühmtheit erlangt: Gail Halvorsen, 1920 in Salt Lake City geboren und ehemaliger Pilot der US Air Force.

Er war der Erste, der im Landeanflug auf den Berliner Flughafen Tempelhof für die auf der Neuköllner Seite auf Erdhügeln wartenden Kinder an kleinen Fallschirmen befestigte Süßigkeiten abwarf. Daher haben die Flugzeuge ihren Namen Candy Bomber, zu Deutsch: Rosinenbomber.

70 Jahre Luftbrücke: Der Albstädter LSV-Vorsitzende fliegt als Lotse für Onkel Wackelflügel

© Privat

Die Albstädter Abordnung: Robert Schiedung, Guido Voss und Kai Scheffold (von links).

Da die Flugzeuge in Tempelhof im 90-Sekunden-Takt einflogen, konnten die wartenden Kinder seine Maschine vom Boden aus nicht von den anderen unterscheiden. Er verabredete deshalb mit ihnen, dass er beim Anflug mit den Tragflächen „wackeln“ würde (daher sein Spitzname „Onkel Wackelflügel“), um sich zu erkennen zu geben.

Immer mehr Crews bastelten Fallschirme für die Süßigkeiten

Immer mehr Crews der „Candy Bombers“ schlossen sich an, bastelten eigenhändig kleine Fallschirme und warfen sie ab. „Das war nicht angeordnet, es war nicht Teil der Propaganda, sondern eine Menschlichkeitsgeschichte, eine spontane eigene Idee“, sagt Guido Voss, der Vorsitzende des Luftsportvereins Degerfeld.

Beim Jubiläum „70 Jahre Luftbrücke“ war Gail Halvorsen natürlich dabei. „Er ist mit seinen 98 Jahren extra über den Atlantik gekommen, um das mitzuerleben“, erzählt Guido Voss.

Perfekte Landung in Wiesbaden

Er hatte nicht nur die Ehre, die Luftbrücken-Legende Halvorsen kennenzulernen, er durfte ihn sogar begleiten: Der Albstädter LSV-Vorsitzende steuerte eines der vier Begleitflugzeuge, die die Aufgabe hatten, Gail Halvorsen, der selbst eine DC 3 flog, Geleitschutz zu geben.

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70 Jahre Luftbrücke: Der Albstädter LSV-Vorsitzende fliegt als Lotse für Onkel Wackelflügel

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Kai Scheffold vom LSV Degerfeld mit der Luftbrücken-Legende Gail Halvorsen.

Die Landung in Wiesbaden klappte perfekt. Gail Halvorsen aber war offenbar nicht so ganz zufrieden. „Er hat gelacht und gemeint, früher seien ihm die Landungen besser gelungen“, erzählt Guido Voss schmunzelnd.

Vier Stunden lang Autogramme geschrieben

Halvorsen erwies sich als äußerst sympathischer Mensch. „Er hat sich viel Zeit genommen, hat sich zum Beispiel auch mit einigen Kindern von damals getroffen, die inzwischen auch fast 90 Jahre alt sind, und hat bereitwillig vier Stunden lang Autogramme gegeben.“

Guido Voss saß am Steuer eines Begleitflugzeugs

Guido Voss flog an diesem Tag eine North American AT 6 Texan. „Das ist ein zweisitziges Flugzeug“, erklärt er, Baujahr 1941. Eine der Begleitmaschinen hat ihre Heimat beim LSV Degerfeld.

Voss hatte Verstärkung vom Luftsportverein dabei: Seinen Pilotenkollegen Robert Schiedung und Fluglehrer Kai Scheffold, der für die Navigation beim Anführungsflugzeug zuständig war.

Den Lotsen kommt eine wichtige Aufgabe zu. Sie müssen die anderen in der Luft befindlichen Flugzeuge im Blick haben, um Probleme zu vermeiden. „Wir sind in Dreier-Formationen geflogen“, sagt er. „Da muss man darauf achten, dass kein anderer in die Formation hineinfliegt.“

Wermutstropfen trübt die Begeisterung

Trotz aller Begeisterung machte sich allerdings bei den Piloten Enttäuschung breit. „Die Jubiläumsveranstaltung ‚70 Jahre Luftbrücke‘ hätte eine Supersache werden können“, sagt Guido Voss, „aber so ist es eigentlich eine Blamage gewesen.“

Tempelhof nicht freigegeben

Die Rosinenbomber durften nämlich weder Süßigkeiten abwerfen noch durften sie auf dem Flughafen Tempelhof landen. Die Politik hatte das verwehrt. Und so blieb es beim Überflug über Berlin.

Ein Armutszeugnis, sagt Guido Voss. „Tempelhof ist natürlich kein aktiver Flughafen mehr, aber wenn man hätte wollen, hätte man ihn sicher für diesen Tag freigeben können. Aber hier hat es an der Unterstützung gefehlt. Das ist schon sehr traurig.“

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