2050 Fotos durchkämmt: Zillhausener Bürger katalogisieren den Nachlass von Pfarrer Eckle

Von John Warren

18 Mal hat sich eine Gruppe Bürger aus Zillhausen oder mit Verbindung zum Ort getroffen, um den Fotonachlass des ehemaligen Dorfpfarrers systematisch zu erfassen.

2050 Fotos durchkämmt: Zillhausener Bürger katalogisieren den Nachlass von Pfarrer Eckle

Eine Gruppe Zillhausener Bürger hat am Mittwoch die letzten der 2050 Fotos des ehemaligen Pfarrers Hans Eckle gesichtet und katalogisiert.

Knapp 20 Zillhausener sind in den vergangenen drei Jahren tief in die Geschichte ihres Dorfes eingetaucht. Initiiert hatten das Projekt die ehemalige Kreisrätin Helga Zimmermann-Fütterer, Herbert Lorch und der verstorbene Stadtarchivar Hans Schimpf-Reinhardt.

In regelmäßigen Abständen und insgesamt 18 Mal trafen sich die älteren Mitbürger Zillhausens, um die mehr als 2000 Fotos des ehemaligen Dorfpfarrers Hans Eckle zu sichten und zu katalogisieren. So wurden alle Fotos angeschaut und am Computer mit Datum (falls bekannt), Ort, Anlass, Beschreibung und den darauf gezeigten Personen versehen.

Über drei Jahre hat es gedauert

Zum ersten Mal traf sich die Gruppe, der meistens um die 15 Personen angehörten, im März 2016 im Zillhausener Rathaus. Etwas mehr als drei Jahre später fand am Mittwoch das letzte Treffen statt.

Eine Menge Arbeit, die sich aber gelohnt hat, findet Oberbürgermeister Helmut Reitemann, der zum letzten Treffen persönlich vorbeikam. „Es ist eine tolle Geschichte, dass Sie das gemacht haben, um nachfolgenden Personen diesen archivarischen Schatz zu hinterlassen“, lobte der Bürgermeister und lud die Zillhausener zum Abendessen ins Old Riedi ein.

Viel Arbeit, viel Vergnügen

Es hat lange gedauert, doch bei ihren Treffen hatten die Zillhausener auch eine Menge Spaß: „Wir waren eine vergnügte Runde“, sagt Helga Zimmermann-Fütterer, die selbst ursprünglich aus Zillhausen kommt.

Die alten Fotos zu sichten weckte bei allen die Erinnerungen an die Vergangenheit und so wurden etliche Anekdoten ausgepackt und viel gelacht. „Wir waren auch alle mal auf den Bildern zu sehen“, sagt eine der Zillhausenerinnen. Ein anderer erinnert sich, wie der frühere Pfarrer ein Militärschlauchboot im Garten des Kindergartens, der sich damals im Pfarrhaus befand, aufpumpte und zum Planschbecken für die Kinder umfunktionierte.

Eine weitere Zillhausenerin weiß, dass Eckle sie 1934 taufte, bei seinem ersten Gottesdienst in Zillhausen.

Eckle - ein Original

Eckle, geboren 1908 in Geislingen an der Steige, war von 1934 bis zu seinem Ruhestand 1978 Pfarrer in Zillhausen. Doch auch als Rentner blieb der Geistliche bis zu seinem Tod im Jahr 1996 in Zillhausen wohnen.

So drehten sich viele der Geschichten, die die Zillhausener Bürger bei ihrer Foto-Entdeckungsreise sammelten, um den ehemaligen Pfarrer. Ein besonderer Charakter sei Eckle gewesen, darin sind sich alle einig.

Bekannt – weit über die Grenzen der Region

Hans Eckle dürfte wohl einer der Menschen sein, die Zillhausen im vergangenen Jahrhundert am meisten geprägt haben. In einer Zeit, in der die Rolle des Pfarrers in einer kleinen Gemeinde wie Zillhausen noch viel bedeutender war, als sie es heute ist, nahm Eckle an sämtlichen Aktivitäten im Dorf teil, war immer ein Ansprechpartner im Ort.

Vielen Gläubigen in Zillhausen dürfte der Pfarrer in Erinnerung geblieben sein für seine bildhaften aber langen Predigten.

Legendäre Ausflüge

Besonders bekannt war Eckle dafür, Ausflüge mit seiner Gemeinde zu unternehmen: mal für die Kirchgänger spontan nach dem Gottesdienst am Sonntagnachmittag, mal von langer Hand geplant mit dem Reisebus über den Landweg nach Jerusalem. Viele Zillhausener und Bürger der heutigen Kreisstadt Balingen waren bei diesen Exkursionen dabei.

Durch diese erlangte Eckle auch bundesdeutsche Aufmerksamkeit durch einen Artikel im Spiegel im Juni 1957. In diesem Bericht ließ die Wochenzeitung Vertreter der westdeutschen Reisebüro-Chefs zu Wort kommen, die sich darüber beklagten dass Pfarrer mit ihrer Organisation von Gemeinde-Fahrten ihr Geschäft schädigten. Einer davon: Hans Eckle, der Omnibusse charterte, und Reisen veranstaltete, „von denen einige nach Rom, die meisten jedoch nach Lugano, Venedig, Sizilien, Spanien und Nordafrika führten.“

Der Geistliche in Stalingrad

Wie viele weitere Männer seines Alters war Eckle Soldat im zweiten Weltkrieg, kämpfte an der Ostfront in der Sowjetunion in Stalingrad.

Dort, 1942 und 1943, machte der Pfarrer viele Fotografien, die er zurück nach Deutschland zum entwickeln schickte – eine gefährliche Aktion zu dieser Zeit.

Als Verwundeter wurde Eckle nach Deutschland zurück geschickt, bevor das deutsche Nazireich die Schlacht um Stalingrad verlor und tausende Wehrmachtssoldaten in Kriegsgefangenschaft kamen.

Kaum zurück in Deutschland, zeigte Eckle seine Fotografien von der Front öffentlich und wurde deshalb von der Gestapo verhaftet und wegen „Verächtlichmachung der Wehrmacht und Zersetzung der Wehrkraft des deutschen Volkes“ angeklagt. Doch Eckle hatte Glück, wurde vor Gericht freigesprochen.

Gegner der deutschen Wiederbewaffnung

Mutmaßlich aufgrund seiner Erfahrungen im Krieg war Eckle zudem in den frühen 1950er-Jahren ein entschiedener Gegner der deutschen Wiederbewaffnung. Damit schaffte sich der Geistliche auch Gegner, wurde beispielsweise 1954 in der Tübinger Monatsschrift „Volk und Freiheit“ als „Sendbote der wehrlosen Unterwerfung unter den Kommunismus“ denunziert.

Nicht nur deshalb hatte Eckle auch Gegner im Ort, erinnern sich die Zillhausener. So gebe es auch Charakterzüge des ehemaligen Pfarrers, die man heute sicher mehr als kritisch sehen würde, beispielsweise die körperliche Züchtigung der Dorfjugend. Damals schon für Aufsehen sorgte, dass Eckle eine seiner ehemaligen Konfirmandinnen heiratete.

Insgesamt jedoch, darin sind sich die Zillhausener, die den Fotonachlass durchkämmten, einig, sei der ehemalige Pfarrer Eckle ein beeindruckender Mann gewesen, ein besonderer Charakter, der das Leben im Dorf positiv beeinflusste.

Und mit seinen Fotografien einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung der Dorfgeschichte leistete.