Ray Wilson gewinnt die Herzen der Fans im Thalia-Theater in Tailfingen im Sturm

Von Holger Much

Was für ein faszinierender Abend: Der schottische Sänger und ehemalige Genesis-Frontman verschafft den Besuchern im Tailfinger Thalia-Theater zahlreiche Gänsehautmomente.

 Ray Wilson gewinnt die Herzen der Fans im Thalia-Theater in Tailfingen im Sturm

Es waren auch gerade die ganz stillen, intimen Momente, die Wilsons Konzert so berührend machten.

Wenn es das Publikum im komplett ausverkauften Thalia-Theater aus den Sitzen reißt, um tanzend und singend jenen Mann zu feiern, der dort oben auf der Bühne voller Seele Musik macht, dann kann man wohl nur von einem legendären Abend in Tailfingen sprechen. Vom ersten Augenblick an begrüßten die Zuschauer den schottischen Musiker, früheren Genesis- und Stilskin-Sänger Ray Wilson mit warmherzigen Applaus und zahlreichen Vorschusslorbeeren, die sich zu verdienen Wilson ein Leichtes sowie ein spürbares Vergnügen war.

In T-Shirt und schlichter Jeans

Wenn der stets etwas schluffig wirkende, langhaarige Sänger auf die Bühne kommt, um mit freundlich-schüchternem Lächeln das Publikum zu begrüßen, dann mag man ob seiner Optik – schlichte Jeans und T-Shirt – fast nicht glauben, dass da eigentlich einer der ganz Großen der Musikszene auf den Bühnenbrettern des Thalia-Theaters steht. Wilsons enorme Bühnenpräsenz, sein natürlicher schottischer Charme samt Akzent und die unbedingte tiefe Liebe zur Musik, die ihm und seiner ganzen Truppe an hervorragenden Musikern anzumerken ist, verbreiten im Thalia sofort eine herrliche Wohlfühlatmosphäre. Und dann natürlich die Musik – wow!

Eine grandiose Darbietung

Ein Abend mit Genesis-Klassikern war angekündigt, und deshalb war das Publikum auch da. Denn wenn nicht Wilson, wer dann hätte das Recht, sich die Songs der weltbekannten Band zu eigen zu machen, stand Wilson doch von 1996 als Nachfolger von Phil Collins und dann bis zur endgültigen Auflösung der Band 1999 am Mikro der Supergroup.

Dabei gelang es Wilson und seiner hervorragenden Band samt Bruder Steven, das Hauptaugenmerk der Arrangements selbst bei den „neueren“ Genesis-Stücken musikalisch eher auf die Stilistik der seelenvolle Prog-Phase der Anfangsjahre zu konzentrieren – das voll besetzte Thalia honorierte die grandiose Darbietung mit begeistertem Applaus nach jedem einzelnen Stück.

Gänsehautmomente en masse

Ray Wilson und seine Band sind weit davon entfernt, Genesis im Wortsinn zu covern. Sie machen sich die Stücke zu eigen, arrangieren sie zärtlich neu und lassen sie atmen – für Gänsehautmomente en masse war gesorgt. Flöte, Violine, Saxofon, natürlich Gitarren und Keyboards – Wilsons virtuose Truppe flocht ein faszinierendes Netz aus feinen Klängen, betörenden Melodien und dieser warmen und doch auch rau-rockigen Stimme Ray Wilsons, deren Zauber nicht nur Rutherford und Banks beeindruckte, sondern auch zahlreiche andere große Namen, mit denen Wilson seither auftrat. Es ist eine Stimme, die jeden Ton trifft, und die die Magie besitzt, Geschichten zu erzählen. Steve Hacket, der frühere Genesis-Gitarrist, lud Ray Wilson vor einigen Jahren zum mittlerweile legendären „Genesis-Revisited“-Konzert in einer vollbesetzten Royal-Albert-Hall ein. Und nun eben das Thalia. Die Passion blieb dieselbe.

Erinnerung an David Bowie

„Calling all stations“, ein berührendes „In your eyes“, das unglaublich intensive „Carpet crawlers“, „In the air tonight“ in faszinierend neuem Arrangement oder, ach, natürlich „Solsbury Hill“ – in der Songauswahl fanden sich auch Collins- wie Gabriel-Solo-Stücke, die jeder wahre Fan aber ohne Probleme in den Genesis-Musikkosmos einzuordnen weiß. Schön war, dass Wilson auch zahlreiche eigene Kompositionen einstreute, die sich natlos in die Songausewahl einreihten. Mit „Heroes“ lieferte die Band sogar eine Verbeugung an den verstorbenen David Bowie.

Tränchen der Rührung

Es gab wohl mehr als nur ein paar Fans, die im Laufe dieses einzigartigen Abends ein paar Tränchen der Rührung verdrückt hatten. Und auch der Sänger selbst zeigte sich sichtlich dankbar und gerührt ob der Begeisterung, die ihm am Ende eines wunderbaren, reichen Konzertes das Publikum entgegenbrachte. Und Wilson wäre nicht er, wenn er nicht sofort nach dem Konzert im Foyer zahlreiche CDs und Eintrittskarten signiert und so freudig wie geduldig für Selfies zur Verfügung gestanden hätte.