Verwirrung in Zollerns A-Jugend-Bezirksstaffel: Kommt nun die Korrektur der Korrektur?

25.07.2020

Von Marcel Schlegel

Verwirrung in Zollerns A-Jugend-Bezirksstaffel: Kommt nun die Korrektur der Korrektur?

© Moschkon

Darf die U18 der TSG Balingen, die von Bernd Bauer trainiert wird (Foto), in die Landesstaffel aufsteigen?

Der Fußballbezirk Zollern korrigierte eine A-Jugend-Spielwertung, die für Verwirrung sorgt. Verflogen ist das Durcheinander weiterhin nicht. Fragen bleiben: Wird die zurückgezogene Wertung erneut korrigiert? Und: Steigt die U18 der TSG Balingen nun auf?

Das Raffinierte an der Quotientenregel ist, dass sie es ermöglicht, selbst dann eine relativ faire Tabelle zu erstellen, wenn die Mannschaften einer Staffel nicht gleich viele Spiele ausgetragen haben. Unter anderem deshalb wählte der Württembergische Fußballverband (WFV) dieselbe, um die Saison 2019/20 nach dem vorzeitigen Corona-Abbruch abzuwickeln.

Bei der besagten Regel werden die gesammelten Punkte durch die Anzahl der ausgetragenen Spiele geteilt und so ein Quotient ermittelt, der letztlich aussagt, wie viele Zähler ein Team im Schnitt pro Spiel eingefahren hat. Und logisch: Die Mannschaft mit dem besten Punkteschnitt steht am Ende an der Spitze.

Von diesem Platz 1 in der Tabelle der zurückliegenden Runde hatten in Zollerns Bezirksstaffel bis vor Kurzem noch drei Teams gethront: die U18 der TSG Balingen gemeinsam mit den A-Junioren der SGM Nusplingen und der SGM Benzingen/Zollernalb-Süd. Der Quotient des Trios nach jeweils sechs Saisonspielen: identisch. Eine einmalige Gelegenheit hatte sich für den kleinen Bezirk Zollern da aufgetan, weil der WFV für den Jugendbereich im Rahmen des Corona-Saisonabbruchs zuvor entschieden hatte, dass bei gleichem Quotienten alle Mannschaften aufsteigen dürfen und nicht die Tordifferenz, der direkte Vergleich oder eine andere nachgeordnete Wertung über die Platzierungen entscheidet, wie das bei den Aktiven geregelt wurde.

Einmalige Chance: drei statt einem Aufsteiger

Heißt: Statt einem regulär vorgesehenen Zollern-Aufsteiger (ohne Corona) konnten nun mutmaßlich drei Zollern-Teams in die Landesstaffel einziehen (wegen Corona). Nachdem die Benzinger, laut Jugendfunktionär Rainer Gaiser aus sportlichen Gründen, freiwillig auf den Aufstieg verzichteten, fragte der Bezirk um Staffelleiter Richard Türk verfahrensgemäß bei den Nusplingern und Balingern an, ob sie Aufstiegsrecht wahrnehmen wollen. Das wollen sie. Beide Vereine gehen nun davon aus, künftig auf Verbandsebene zu kicken.

Und genau das kam manchem aufmerksamen Vereinsfunktionär bis vor wenigen Tagen etwas seltsam vor – Kapitel 1 eines wirren Dschungels: Denn bevor der Spielbetrieb im gesamten WFV-Gebiet Anfang März wegen der Corona-Pandemie zunächst lediglich unterbrochen worden war, waren die Balinger nur Dritte. Ein Spiel fehlte den Kreisstädtern damals in dieser Tabelle – der Quotient zu diesem Zeitpunkt: minimal zwar, aber dennoch schlechter (2,4; zwölf Punkte aus fünf Spielen) als jener des Spitzenduos (2,5; 15/6), der Spielgemeinschaften vom Heuberg respektive der Winterlinger Gemeinden.

Womöglich nicht ganz fair, aber eben eine Folge der Quotientenregelung: Der Aufstieg hätte den Balingern deshalb verwehrt bleiben müssen. Bitter wäre das gewesen für die U18 der TSG, weil diese ihre Gegner zuvor dominierte und mit dem besten Torverhältnis ausgestattet war.

Ein Spiel als Zankapfel

Dieses eine Spiel wurde nun zum Politikum und sorgt seit gut drei Wochen für ein Durcheinander, das noch immer anhält: die Partie der von Bernd Bauer und bis zur letzten Saison von Marc Schuster trainierten Balinger U18 gegen die A-Junioren der SGM Pfeffingen-Onstmettingen, die im Schlusstableau 2019/20 Vorletzte wurden. Jene Jugend-Begegnung war ursprünglich für Anfang Oktober vorgesehen, wurde dann mehrfach verschoben, erst auf Mitte November und schließlich in den April. Mal war Balingens Schuster verhindert, dann sagten die Albstädter um Trainer Andreas Eschment das Spiel ab, laut Schuster einmal wegen Spielermangels des Gegners und schließlich wegen offenbar schlechter Platzverhältnisse. Die TSG stimmte den Verlegungen zu.

Dann kam Corona, der Saisonabbruch, die Nachholpartie im April blieb ungespielt und dürfte, so die Theorie der Quotientenregel, nicht mehr in der Tabelle und dem entsprechenden Quotienten auftauchen; Balingen 2 wäre bei fünf, die anderen Teams bei sechs Spielen stehengeblieben; die Pfeffingen-Partie der Balinger U18 hätte – sofern sie tatsächlich verlegt wurde und die Albstädter nicht auf die Austragung verzichteten – ohne Eintragung bleiben müssen, denn der Quotienten braucht keine Spielgleichheit.

Wertung oder Verzicht?

Und deshalb wunderten sich nicht nur die Pfeffinger, als da vor etwas über drei Wochen plötzlich eine 3:0-Wertung zugunsten der TSG Balingen 2 im DFB-Net aufgetaucht war, wo derlei Ergebnisse eingetragen werden. Die Folge: Die Balinger, die als Dritte mit dem schlechteren Quotienten nicht aufgestiegen wären, hatte der digitale „Dreier“ an die Tabellenspitze gehievt, eben punktgleich mit den SGM aus Nusplingen und Benzingen. Und damit theoretisch zum Aufstieg in die Landesstaffel wegen nun gleichem Quotienten.

Erklären konnte sich diese Wertung Anfang Juli zunächst keiner so recht. Die Balinger sahen womöglich nicht die Wertung, allerdings deren Folge als gerechtfertigt an. Schließlich wären sie für die Auswärtspartie mehrfach bereit und gegen die Albstädter Spielgemeinschaft der klare Favorit gewesen. Die Pfeffinger beteuerten vor ein paar Wochen, sie würden sich gegen eine Wertung nicht zur Wehr setzen, da diese niemandem Schaden bringe. Das taten sie auch nicht. Gleichwohl hätten sie das Spiel nur verlegt, nicht darauf verzichtet.

Und hierin liegt nun das Mysterium, das so ganz auch nach wie vor nicht transparent geworden ist: Absage oder Verzicht – das ist nun die Frage. Denn im Falle einer Absage und Verlegung des Pfeffingen-Balingen-Spiels hätte die Wertung seitens des Bezirks gar nie vorgenommen werden dürfen. Das bestätigte auch WFV-Pressesprecher Heiner Baumeister auf Nachfrage unserer Zeitung.

Warum wurde sie das also? Erlagen die Bezirksfunktionäre der durch Corona ermöglichten Versuchung, durch die Wertung drei statt nur einem Zollern-Team den Aufstieg zu ermöglichen? Dieser Verdacht lag und liegt nahe, weil die ausgefallene Partie vor Corona ja bereits einen Nachholtermin im April erhalten hatte – Verlegung heißt nicht Verzicht. Außerdem erhielt derselbe auch deshalb Fahrtwind, weil sich Zollerns ehrenamtliche Bezirksfunktionäre – zumindest einer öffentlichen – Aufklärung teilweise verwehrten und die Verwirrung damit eher befeuerten.

Schweigen sorgt für Intransparenz

Denn Nachfragen verhallten, das ging zulasten der Transparenz: Zollerns Bezirksjugendleiter Jürgen Ratzke verwies auf den zuständigen Staffelleiter Richard Türk, der ließ Anfragen unserer Zeitung bis zuletzt unbeantwortet. Dann erklärte vor gut zwei Wochen Bezirksvorstand Wolfgang Haug auf schriftliche Nachfrage, die Wertung sei laut Türk „versehentlich“ vorgenommen worden. Dies sei auch bemerkt worden.

Fehler korrigiert – Kapitel zwei und damit der Krimi beendet? Ganz und gar nicht. Zwar machte der Bezirk die Wertung zwischenzeitlich tatsächlich rückgängig, dennoch hielt man zuerst am Landesstaffel-Aufstieg der TSG fest, obwohl die Korrektur der Wertung bedeuten würde, dass die Balinger aufgrund des nun wieder schlechteren Quotienten nicht hochdürften. Dennoch schrieb Haug zuerst, im Zuge seiner ersten und einzigen inhaltlich konkreten Antwort, eben vor nun gut zwei Wochen: „Für den Aufstieg hat dies keine Auswirkung. Nusplingen und Balingen 2 sind aufgestiegen, da Benzingen verzichtet.“

TSG-Trainer Schuster reichte daraufhin die Erklärung, dass Balingen 2 das Aufstiegsrecht wahrnehmen wird, bei Horst Dürr ein, dem zuständigen Funktionär beim WFV. Und der sagte zunächst, er könne sich all das nicht erklären. „Es geschehen Dinge, die mir auch nicht klar sind“, so Dürr, nachdem die Wertung Ende vorletzter Woche wieder verschwunden war. „Die TSG Balingen 2 hat auf einmal nur noch zwölf Punkte und wäre bei der jetzigen Tabelle kein Aufsteiger.“ Mit der Pfeffingen-Wertung, so legte der WFV-Funktionär nach, derweil schon. Offizielle Tabelle und übermittelte Zollern-Aufsteiger widersprachen sich nun wieder, wie Dürr bestätigte: „Bei mir ist Balingen 2 noch als Aufsteiger geführt, sofern kein Fehler in der Sportgerichtsbarkeit vorliegt.“

Balingen 2: Erst aufgestiegen, dann doch nicht?

Dass dieser allerdings vorzuliegen schien und die Wertung im Falle einer so auch formal eingetragenen Spielverlegung nicht in Ordnung gewesen wäre oder ist, zog man nun auch beim Bezirk in Erwägung, der dies durch die Rücknahme der Wertung zunächst auch indirekt eingestand. Nach außen hin blieben Türk und Ratzke jedoch stumm. Sie beantworteten auch in der Folge keine Anfragen unserer Zeitung, reagierten erst gar nicht darauf oder verwiesen aufeinander.

Stattdessen läutete man Kapitel drei ein: So war den Balingern zwischendurch offenbar mitgeteilt worden, dass das mit dem Aufstieg doch nichts werden würde. Die wiederum sahen sich irritiert: Erst einige Verlegungen, dann Corona, dann ein Sieg am Grünen Tisch und aufgestiegen, schon den Kader für die Landesstaffel geplant, nun der überraschende Rückzug der Wertung, trotzdem aufgestiegen und schließlich abermals Kommando zurück: keine Wertung, kein Aufstieg?

Es wurde nachgeforscht: Wie war das noch mal vor einigen Monaten mit dem Spiel der SGM Pfeffingen-Onstmettingen gegen Balingen 2? Wurde das Duell zuletzt nun erneut abgesagt und verlegt (kein Aufstieg für die TSG) oder verzichteten die Albstädter am Ende auf die Partie, die dann tatsächlich gewertet werden dürfte (Aufstieg der TSG aufgrund von Quotientengleichheit)?

Formal eigentlich ersteres, denn ein Termin für das Nachholspiel im April war schon angelegt. Mündlich wohl aber letzteres: Die Onstmettinger, so sagten die Pfeffinger nun vor wenigen Tagen nach abermaliger interner Recherche, hätten die Partie ursprünglich telefonisch bei Staffelleiter Richard Türk abgesagt und dem Bezirksfunktionär irgendwann Anfang März zudem auch mitgeteilt, dass man auf dessen Austragung gänzlich verzichte. Nur: Ihren Kooperationspartner hatten sie bis vor wenigen Tagen darüber nicht informiert. Die Pfeffinger waren deswegen über die Wertung verwundert gewesen. Unglücklich gelaufen also? Onstmettingens Vorstand Marvin Liener verwies auf Nachfrage auf den Verband, der in Wertungsfragen zuständig sei.

Telefonat schafft keine Aufklärung

Staffelleiter Türk nahm daraufhin wohl die Wertung vor, was eigentlich dem Sportgericht obliegt respektive eine Prüfung durch dieses voraussetzt. Schon bei der Absetzung bewegte er sich wohl in einer Grauzone, wie Verbandspressesprecher Baumeister erklärt: „Spielverzichte oder ähnliches können nur per Mail ins E-Postfach verbindlich erklärt werden. Ausnahme: Der Staffelleiter kann seinen Gesprächspartner am Telefon eindeutig als Verantwortlichen des verzichtenden Vereins identifizieren.“ Nun soll es aber zwischen Türk und den Onstmettingern nur Telefonate gegeben haben. Ob dem so war, bleibt ungewiss, da beide Parteien nichts Konkretes dazu sagen.

Im letzten Kapitel, das aktuell läuft, müssen nun die Fragen geklärt werden, ob die Wertung in Ordnung war, die Korrektur der Wertung abermals korrigiert wird und die TSG Balingen 2 in die Landesstaffel aufsteigen darf. Und: Ob die Wertung das Motiv hatte, möglichst viele Zollern-Teams den Aufstieg zu ermöglichen, oder einfach aus Unachtsamkeit geschah.

Der Zwischenstand: Bezirksvorstand Haug bittet bei Bezirksjugendleiter Ratzke nachzufragen, der aber nicht antwortet. WFV-Funktionär Dürr teilt mit, dass die Sache für ihn noch nicht final entschieden sei: „Nähere Infos wie gesagt beim Bezirk.“ Und die Balinger? Die rechnen mit dem Aufstieg, weil der Albstädter Gegner den Verzicht auf das Spiel ja zwischenzeitlich erklärte respektive erinnerte. In der Bezirksstaffel-Tabelle von 2019/20 stehen sie aber nun wieder ohne Wertung auf dem dritten Platz, der eigentlich nicht zum Aufstieg berechtigt.

Am Samstag im Finale: Top-Duo dominiert auch Bezirkspokal:
Die SGM Nusplingen und die TSG Balingen 2 bestreiten am Samstag (25. Juli, Bizerba-Arena) das Endspiel um Zollerns Fußball-Bezirkspokal der 2019/20 A-Junioren. Die U18 aus der Kreisstadt setzte sich am Sonntag im Halbfinale mit 4:0 beim FV Rot-Weiß Ebingen. Tags zuvor hatten die Nusplinger ihr Halbfinale gegen die SGM Benzingen/Zollernalb Süd mit 5:2 nach Elfmeterschießen gewonnen. Nach der regulären Spielzeit hatte es 1:1 gestanden.

Die Balinger U18 wird vom früheren Regionalliga-Coach Bernd Bauer und von Marc Schuster gecoacht. Schuster war zuvor von allen Balinger Ämtern zurückgetreten, will die U18 aber noch im Pokalfinale betreuen. Im Endspiel stehen sich damit jene Teams gegenüber, die auch die Bezirksstaffel bis zum Corona-Saisonabbruch dominiert hatten. Die A-Jugenden der SGM Nusplingen und der SGM Benzingen stellten die Mannschaften mit dem besten Quotienten dar, Balingen 2 folgte, soll aber – trotz anders lautendem Regelwerk – dennoch aufsteigen dürfen, weil die Benzinger auf den Landesstaffel-Einzug verzichtet haben.

Hinweis, 28. Juli, 17.55 Uhr: In einer vorherigen Version des Artikels haben wir Jugend-Bezirksspielleiter Richard Türk fälschlicherweise einmal beim Namen „Türke“ genannt. Wir bitten den Tippfehler im Satz "Nach außen hin blieben Türk und Ratzke jedoch stumm" zu entschuldigen!

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