Albstadt

Soldaten und Polizisten planten in Albstädter Schützenhaus den Tag X

17.03.2019

von Michael Würz

Ein dubioses Treffen mit rund 30 Teilnehmern in Albstadt, Ermittlungen des Bundeskriminalamts: KSK-Soldat „Hannibal“ und Franco A. waren auch im Zollernalbkreis aktiv.

Soldaten und Polizisten planten in Albstädter Schützenhaus den Tag X

© Uniter e.V.

Tatkräftig vorbereitet für die Krise: So präsentiert sich der Verein Uniter – wie hier auf diesem offiziellen Pressefoto – am liebsten. Doch Uniter hat zuletzt unter anderem Nutzungsverbot auf einem Übungsgelände in Mosbach erhalten, weil der ehemalige Elite-Soldat „Hannibal“ dort ein paramilitärisches Training angeleitet hatte.

Wenn das Parlamentarische Kontrollgremium in dieser Woche im Landtag zusammenkommt, geht es um Vorgänge rund um den Verein Uniter – in dem sich vor allem Elitesoldaten, Polizisten und andere Sicherheitskräfte organisieren. Der undurchsichtige Verein war unter anderem aufgrund einer umfangreichen Recherche der Zeitung taz in die Kritik geraten – das Blatt geht nach monatelangen Recherchen davon aus, dass es sich bei Uniter nicht um einen harmlosen Verein handelt, sondern vielmehr um eine dubiose Gruppierung. Sie könnte in Zusammenhang mit rechtsextremen Strukturen in der Bundeswehr stehen. Ein Schattennetzwerk gewissermaßen, das sich auf einen Tag X vorbereitet, denjenigen Tag, an dem die staatliche Ordnung zusammenbricht.

Das Treffen in Albstadt

Bei der politischen Aufarbeitung des Falles führt eine Spur auch in den Zollernalbkreis – denn hier, in einem Schützenhaus in Albstadt, kam es 2016 zu einem konspirativen Treffen von Soldaten, Polizisten und anderen Teilnehmern. Bei der Recherche zu diesem Treffen erfuhr der ZOLLERN-ALB-KURIER: Die Teilnehmer hatten sich an jenem Tag ursprünglich bei der Polizei in Göppingen treffen wollen. Stattdessen organisierte schließlich ein Geschäftsmann aus dem Zollernalbkreis, der Verbindungen zu Uniter gepflegt hatte, die Örtlichkeit für das Treffen. Und öffnete rund 30 Teilnehmern dafür ein Schützenhaus in Albstadt.

Die Handys bleiben in den Autos  

Das Treffen fand unter großen Vorsichtsmaßnahmen statt. „Die Handys blieben in den Autos“, wusste die taz bereits Ende vergangenen Jahres aus guter Quelle zu berichten. Bei dem Treffen in Albstadt tauschten sich die Teilnehmer unter anderem über Waffen aus. Das erfahren Ermittler des Bundeskriminalamts, als sie 2017 den KSK-Soldaten André S. vernehmen.

Der ehemalige, einst in Calw stationierte Elite-Soldat ist Schatzmeister und führender Kopf von Uniter. Vor allem aber war er Administrator mehrerer Chat-Gruppen in ganz Deutschland, in denen sich vor allem Soldaten, Polizisten und Reservisten auf besagten Tag X vorbereiteten. André S. agierte hier unter dem Namen Hannibal. Nicht nur „Hannibal“ hatte 2016 am Treffen in Albstadt teilgenommen, auch Franco A. aus Illkirch war in dem Schützenhaus anwesend. Bei Franco A. handelt es sich um denjenigen Soldaten, der sich als syrischer Flüchtling ausgegeben hatte und möglicherweise einen rechtsterroristischen Terroranschlag „unter falscher Flagge“ geplant hatte.

Er war im Februar 2017 verhaftet worden, als er am Wiener Flughafen eine Waffe abholen wollte, die er dort versteckt hatte. Franco A. hatte seinerzeit angegeben, seine Waffen den Behörden übergeben zu wollen. Beim BKA vermuteten die Ermittler hingegen, dass Franco A. – unter seiner falschen Identität als Flüchtling – einen Anschlag verüben wollte. Ermittler fanden bei ihm eine Liste mit Namen zahlreicher Politiker – mögliche Anschlagsopfer. Die Bundesanwaltschaft klagte Franco A. Ende 2017 wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat an. Das Oberlandesgericht Frankfurt sah allerdings keinen hinreichenden Verdacht für die Vorbereitung eines Anschlags. Die Richter lehnten die Eröffnung eines Hauptverfahrens vor dem Staatsschutzsenat ab.

Bei internen Untersuchungen in der Bundeswehr kam jedoch heraus: Bei Schießübungen, die Franco A. geleitet hatte, war Munition verschwunden. Außerdem hatte sich bei den internen Ermittlungen abgezeichnet, dass es um Franco A. ein rechtsextremes Netzwerk an Unterstützern gibt. Als der in Calw stationierte KSK-Soldat „Hannibal“ von den Ermittlungen gegen Franco A. erfährt, weist er die Mitglieder des „Schattennetzwerks“ an, alle Chatgruppen sofort zu löschen.

Zwei Safe-Houses in Albstadt

In einer süddeutschen Chatgruppe des Hannibal-Netzwerks war es seit 2015 auch darum gegangen, mehrere Safe-Houses, sichere Orte für einen Tag X, zu benennen. Albstadt tauchte hier gleich zweimal im Chatverlauf auf. Ermittler des Bundeskriminalamts wollen von KSK-Soldat „Hannibal“ später wissen, ob an diesen Orten Waffen, Munition oder Sprengstoff gelagert ist. Der sagt, es habe sich lediglich um Planspiele gehandelt.

Die politische Dimension

Nicht nur das BKA interessiert sich für den Verein Uniter, auch die Politik ist hellhörig geworden. Seit wenigen Tagen ist bekannt: Der Gründungsvorsitzende des Vereins ist ausgerechnet Mitarbeiter des baden-württembergischen Verfassungsschutzes. Dies hat das Innenministerium dieser Tage bestätigt. Die Affäre um das Hannibal-Netzwerk erhält damit eine neue Dimension. Nicht zuletzt deshalb, weil Verfassungsschützer Ringo M. einst bei einer Böblinger Polizeieinheit Kollege des NSU-Mordopfers Michelle Kiesewetter war.

 

Soldaten und Polizisten in zweifelhaftem Verein

Uniter e.V. Der Verein entstand eigenen Angaben zufolge als Zusammenschluss von Angehörigen von Spezialeinheiten aus Bund, Ländern und der Polizei. „Wir beraten nach Ende der Dienstzeit, nach langen Auslandsaufenthalten oder beim wunschgemäßen Wechsel der Branche“, heißt es auf der Website. Mehrere Vorstandsmitglieder von Uniter e.V. hatten sich zuletzt allerdings von dem Stuttgarter Verein distanziert. Das Netzwerk sei nicht mehr zu durchschauen, sagen sie. Recherchen der taz zufolge sind zahlreiche KSK-Soldaten und Polizisten, die in den Chatgruppen von André S. („Hannibal“) aktiv waren, auch Mitglieder bei Uniter.

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