Balingen

Balingen will Klage zurückziehen: Zankapfel Zensus ist gegessen

19.02.2019

von Nicole Leukhardt

Die Volkszählung 2011 hatte ihre Macken, ist aber verfassungsgemäß. Die Balinger Verwaltung entscheidet am Dienstag über ihre Klage.

Die Balinger Gemeinderäte werden sich am kommenden Dienstag mit einer Klage befassen, die seit Jahren in den Schubladen des Verwaltungsgerichts Sigmaringen liegt.

Balingen will Klage zurückziehen: Zankapfel Zensus ist gegessen

© Nicole Leukhardt

Der Zensus 2011 steht im Februar 2019 auf der Tagesordnung des Balinger Gemeinderates.

Genauer gesagt – mit dem Rückzug der Klage.

Stadt hatte wegen Verfassungsmäßigkeit geklagt

Die Stadt hatte, wie weitere 144 Städte und Gemeinden allein in Baden-Württemberg auch, im Jahr 2014 gegen Einwohnerfeststellungs- und Widerspruchsbescheid des Zensus, also der Volkszählung 2011, geklagt.

Die Gemeinderäte hatten sich in einer Sitzung vor fünf Jahren zu diesem Schritt entschieden, da sie Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zählung des Statistischen Landesamtes hatten.

Was war geschehen? 2011 hatten Zähler Balinger Haushalte aufgesucht und die dort lebenden Menschen dokumentiert. Jedoch nicht alle: Beim Zensus war nur ein Teil der Bevölkerung tatsächlich gezählt worden, der größere Teil war auf Basis dieser Erhebung einfach statistisch hochgerechnet worden.

Bundesverfassungsgericht hält Hochrechnung für nicht bedenklich

Eine Methode, die rechtsstaatlich bedenklich sei, hatten die Kläger damals formuliert. Die Hochrechnungen seien aus unzuverlässigen Stichproben erstellt worden, hatte Städtetags-Geschäftsführerin Gudrun Heute-Bluhm im April 2015 gesagt.

Auch in anderen Städten war dies so gehandhabt worden. Im September 2018 hat das Bundesverfassungsgericht den Zensus trotz dieser „projektbedingten Unzulänglichkeiten“, wie es in der Vorlage heißt, als insgesamt verfassungsgemäß bewertet.

Die Gemeinderäte sollen nun kommenden Dienstag den Rückzug der Klage beschließen, dies hatte der Rechts- und Verfassungsausschuss des baden-württembergischen Städtetags empfohlen.

Das Ergebnis der Zählung: Balingen ist kleiner, als gedacht. Denn während der Zensus eine Bevölkerungszahl von 33 318 Personen ergab, verbuchte das Melderegister der Stadt im Mai 2011 33 828 Einwohner, also gut 500 Balinger mehr.

Mehr Balinger, mehr Geld

Warum es bei der großen Kreisstadt aber sehr wohl auf genau diese 500 Bewohner ankommt, zeigt sich beim Blick in die Finanzen der Verwaltung. Denn von der Zahl der Einwohner hängt die Höhe der Landeszuweisungen ab. Je mehr Balinger es gibt, desto mehr Geld fließt.

„Die geringeren Zuweisungen aus dem Finanzausgleich beruhen auf Landesrecht“, schreibt Balingens Hauptamtsleiter Markus Beilharz in der Gemeinderatsvorlage.

Und das Land habe bereits reagiert. Um die Auswirkungen der geringeren Einwohnerzahlen auf die Kassen der Städte und Gemeinden ein wenig abzufedern, wurde als Resultat auf die wahre Klagewelle die Berechnung der Zuwendungen angepasst.

Im Jahr 2014 wurde das Zensusergebnis nur zu 50 Prozent als Grundlage für die Auszahlung verwendet. Die übrigen 50 Prozent basierte auf der Grundlage einer echten Volkszählung im Jahr 1987 und deren Fortschreibung. Im Jahr 2015 zählte der Zensus 75 Prozent. Erst seit 2016 wird die Zahl der Einwohner ausschließlich auf Grundlage der Zensusergebnisse aus dem Jahr 2011 ermittelt.

Ein weiteres Ergebnis der Klagen: Beim nächsten Zensus, der im Jahr 2021 ansteht, sollen die Kommunen stärker in die Vorbereitung einbezogen werden. „Der Bund muss sich mit den kommunalen Anliegen und Vorschlägen zur Verbesserung der Zensusgesetzgebung intensiv befassen und entsprechend reagieren“, schreibt Markus Beilharz.

Der Städtetag habe hierzu bereits einen Maßnahmenkatalog erstellt und in seiner Stellungnahme an das Finanzministerium des Landes die Verbesserung der Zensuserhebung nachdrücklich gefordert.

 

510

Menschen So groß war die Diskrepanz zwischen dem Ergebnis des Zensus 2011 und den Zahlen des Melderegisters von Balingen im Mai 2011. Der Zensus war nach Stichprobenzählungen und Hochrechnungen auf 33 318 Personen gekommen, bei der Verwaltung waren jedoch 33 828 Balinger gemeldet.

Diesen Artikel teilen: