Kommentar: Ich bin stolz auf die Mörikes

16.01.2019

Kennen Sie Wilhelm Heinrich Murschel und Johann Friedrich Nagel? Man muss schon tief in die Lokalhistorie eintauchen, um ihre Spuren von ihnen zu finden.

Murschel war Rechtsanwalt in Stuttgart und von Mai 1848 bis Januar 1849 Abgeordneter für Balingen im demokratisch gewählten deutschen Parlament in der Frankfurter Paulskirche. Dort gehörte er den Liberalen an. Nagel arbeitete von 1833 bis 1869 als Rechtsanwalt in Balingen und war als Abgeordneter Nachfolger Murschels bis Juni 1849. Nagel rechnete sich der Linken zu und setzte sich für eine demokratische Verfassung ein.

Murschel und Nagel sind im öffentlichen Balingen nicht präsent. Dieses Schicksal teilen sie mit dem früheren Dürrwanger Pfarrer Otto Mörike und seiner Frau Gertrud. Die Frommerner Ortschaftsrätin Dr. Ingrid Helber hatte diese kirchlichen Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.

Der Ortschaftsrat scheute sich 2017, den Schulverbund Frommern nach den Mörikes zu benennen. Nun verzichtet auch die fusionierte evangelische Kirchengemeinde Frommern, Dürrwangen, Stockenhausen, Zillhausen und Streichen darauf, Otto Mörike im Namen zu führen.

Umstrittene Persönlichkeiten haben es da einfacher. Der ehemalige Reichspräsident Paul von Hindenburg war in seinen letzten Lebensjahren zwar alt, aber keineswegs tüdelig, wie immer wieder kolportiert wird. Er war in der Lage, seinen Amtsgeschäften nachzugehen.

Das konnte man erst kürzlich in einem Beitrag von Dr. Michael Walther in den Heimatkundlichen Blättern nachlesen, die im ZOLLERN-ALB-KURIER erscheinen. Hindenburg war deutschnationaler Steigbügelhalter Hitlers. Nach ihm ist eine Balinger Straße benannt.

Bis 2001 trug der Kleine Saal der Stadthalle den Namen des Heimatdichters Karl Hötzer. Wegen seiner Nähe zum Nationalsozialismus änderte man das nach langen Diskussionen.

Die Mörikes waren damals in Balingen vergessen und bleiben wohl weiter außen vor. Nicht so in Israel. Dort wurden sie für ihren Mut bei der Rettung von Juden mit dem Ehrentitel Gerechter unter den Völkern ausgezeichnet. In der Allee der Gerechten unter den Völkern in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem wurde für sie ein Baum gepflanzt.

Soll es wirklich nicht möglich sein, dass die fusionierten Kirchengemeinden über ihren Schatten springen und die Vorbehalte gegenüber personenbezogener Namen für Gemeinden vom Tisch wischen, um für eine wie auch immer geartete Heiligenverehrung keinen Vorschub zu leisten?

Das Argument von Dekan Beatus Widmann geht ins Leere, der mit der Christozentrik in der evangelischen Kirche argumentiert. Ansonsten müsste man die die Täbinger Kirche, die den Reformator Karsthans im Namen führt, beispielsweise in Erlöserkirche umbenennen.

Wer seine Heimat liebt, möchte stolz auf sie sein. Auf Demokraten wie die Mörikes, Murschel und Nagel bin ich stolz. Aber ich schäme mich dafür, dass man den Monarchisten und Antidemokraten Hindenburg nicht endlich aus der Stadt jagt.

Kommentar: Ich bin stolz auf die Mörikes

ZAK-Redakteur Daniel Seeburger.

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