Albstadt

Kampfrichter beim Turnen: die entscheidende Note

08.01.2019

von Anna Wittmershaus

Die Kampfrichter haben beim Turnen eine wichtige Rolle.  Sie bestimmen welche Wetrung eine Athletin an einem Gerät bekommt und wer am Ende gewinnt. Alexandra Jetter vom TSV Ebingen ist seit neun Jahren Kampfrichterin und gibt Einblicke in die Welt eines solchen Jurymitglieds.

Auf dem Notizblock von Alexandra Jetter wimmelt es von kryptischen Zeichen. Jedes einzelne stehe für ein Turnelement, erklärt die Kampfrichterin des TSV Ebingen. So symbolisiere ein umgedrehtes Y für die Radwende und ein X für ein Rad. „Man muss die Übungen der Turnerinnen im Nachhinein noch nachvollziehen können, aber um die einzelnen Elemente auszuschreiben ist viel zu wenig Zeit“, erklärt Jetter, warum mit solchen Zeichen gearbeitet wird.

Kampfrichter beim Turnen: die entscheidende Note

© Moschkon

Alexandra Jetter (Mitte) fungiert für den TSV Ebingen bei Turnwettkämpfen als Kampfrichterin. Bei Liga-Wettbewerben oder Veranstaltungen wie dem Silberdistel-Cup sitzt sie in der Jury.

Wer eine Kampfrichterlizenz haben möchte, muss sich diese Symbole einprägen. „Manche entwickeln mit der Zeit aber auch ihre eigenen Zeichen“, berichtet die Ebingerin.

Am Anfang ist es schwer, vor allem sich nicht von den erfahrenen Richtern am Tisch unterbuttern zu lassen.

Jetter ist seit neun Jahren Kampfrichterin, erwarb 2010 die D-Lizenz. „Es ist beim TSV Ebingen Standard, sich dazu ausbilden zu lassen, wenn man ein bestimmtes Alter erreicht hat“, sagt die 24-Jährige. Ein Verein wie der TSV brauche viele Kampfrichter, um selbst an Turnwettkämpfen teilnehmen zu können, so Jetter. Denn bei jedem Wettbewerb müssen die Teilnehmer auch selbst Jurymitglieder stellen. „Auf Gau-Ebene muss man zum Beispiel bei bis zu fünf Tielnehmer einen Kmapfrichter stellen und bei sechss dann schon zwei und so weiter“, so die Studentin der Fachrichtung Textil- und Bekleidungstechnologie.

So wuchs Jetter in ihre Rolle als Kampfrichterin hinein. „Am Anfang ist es schwer, vor allem sich nicht von den erfahrenen Richtern am Tisch unterbuttern zu lassen“, weiß die Ebingerin. Doch sie ließ sich davon nicht abschrecken und besitzt mittlerweile die B-Lizenz, die zweithöchste in Deutschland.

Damit darf Jetter Frauenwettkämpfe bis zur Oberliga bewerten. Außerdem kann sie bei Regionalliga-Wettkämpfen beispielsweise als Zeitnehmerin eingesetzt werden. Mit einer A-Lizenz dürfte sie in dieser und auch in den Bundesligen selbst in der Jury sitzen. Darüber hinaus gibt es auch noch eine internationale Lizenz die Kampfrichterinnen für Wettbewerbe wie beispielsweise Olympia benötigen.  

Jetter strebt derzeit keine höhere Lizenz an. „Für unseren Verein reicht das, was ich habe aus“, sagt die 24-Jährige. Ebingens erste Frauenmannschaft turnt in dieser Runde in der Landesliga, war aber auch schon in der Oberliga aktiv. Vor vier Jahren zog der TSV seine Mannschaft zurück. Damals auch schon mit dabei – Alexandra Jetter. Aber nicht nur als Kampfrichterin, sondern auch als Turnerin.

Als Kind hatte sich die Ebingerin ursprünglich als Handballerin versucht. „Mein Sportlehrer Günther Bitzer, war gleichzeitig auch Trainer beim TSV Ebingen. Er meinte ich sollte es mal mit Turnen versuchen“, beschreibt Jetter, wie sie zum Geräteturnen kam. Offensichtlich hat es ihr beim TSV gefallen, sodass sie sich selbst einbrachte, später auch als Trainerin und eben als Kampfrichterin.

Auch beim hauseigenen Wettbewerb, dem Silberdistel-Cup, saß die 24-Jährige im vergangenen Jahr am Jurytisch. Gleichzeitig turnte sich auch noch für den TSV. „Das ist dann ganz schön anstrengend, vor allem für den Kopf“, findet Jetter.

Es mache ihr aber viel Spaß Kampfrichterin zu sein, sagt sie. Außer man bekomme die Härtefälle. Damit meint sie Turnerinnen die schwer zu bewerten sind „weil sie so viele Fehler machen, dass man gar nicht mehr hinterherkommt mit schreiben“, so die Studentin. Oder eben jene Fälle, bei denen man sich mit den Kollegen des Kampfgerichts nicht einig ist oder ein Trainer mit der Wertung so gar nicht einverstanden ist.

Einen Bundesliga-Turnerin ist leichter zu bewerten als eine Athletin aus der Kreisliga B.

Um sich auf einen Wettkampf vorzubereiten schaut sich Jetter immer wieder Videos von Wettkämpfen an – zum Beispiel von den Olympischen Spielen. „Ich werte dann mit und vergleiche hinterher mein Ergebnis mit der Note, die die Turnerin tatsächlich bekommen hat“, erklärt sie ihre Vorgehensweise.

Gute Athletinnen, wie bei Olympia oder in der Bundesliga seien einfacher zu bewerten, als eine Kreisliga B-Turnerin, findet Jetter. „Eine Bundesliga-Turnerin kann ihre Übungen im Normalfall und führt sie auch gut aus, das ist in den unteren Klassen nicht immer der Fall.“

Beim Silberdistel-Cup, der dieses Jahr am 16 Februar ausgetragen wird, bewerten pro Gerät vier Kampfrichterinnen die einzelnen Turnerinnen. Zwei bestimmen bei dem den Schwierigkeitsgrad der einzelnen Elemente und addieren die dafür vorgesehenen Punktzahlen zum Ausgangswert (D-Note) zusammen. Wird eines davon nicht korrekt ausgeführt, kann es sein, dass es komplett aus der Wertung fliegt.

Die zwei andren Jurymitglieder bewerten die Ausführung der Übung (E-Note). Hierfür ziehen sie vom Anfangswert zehn immer dann Punkte ab, wenn die Turnerin ein Element unsauber ausführt. Am Ende werden D- und E-Note zusammengezählt und bilden so das Endergebnis. Bei kleineren Wettbewerben kommt es auch schon mal vor, dass nur zwei Kampfrichterinnen pro Gerät am Jurytisch sitzen. Dann bestimmen beide sowohl den Ausgangswert als auch die Höhe der Abzüge.

Da die Kampfrichter bei jedem Wettkampf neun zusammengesetzt werden, gibt es zu Beginn jedes Wettkampfes immer eine kleine Findungsphase. „Nach den ersten ein, zwei Übungen bekommt man ein Gefühl dafür, wie streng der andere wertet und passt sich aneinander an“, sagt Jetter.

Der Ausgangswert sollte immer gleich sein, so die 24-Jährige. Unterscheide sich dieser müsse man sich eben absprechen. „Es kann ja auch mal vorkommen, dass man mal ein Element übersieht, wir sind ja auch nur Menschen“, sagt sie. Die Besprechungen gehen in der Regel schnell. „Man steht auch immer unter einem gewissen Zeitdruck und spürt auch das Publikum im Nacken, dass die Wertung haben möchte“, so die Ebingerin. Bei der E-Note wird der Mittelwert der beiden Noten genommen.

Für Außenstehende seien die Entscheidungen des Kampfgerichtes oft nicht oder nur schwer nachvollziehbar, gibt Jetter zu. Das liege daran, dass Menschen, die sonst nichts mit Turnen zu tun haben, nicht einschätzen könnten, wie schwer ein Element tatsächlich ist. „Ich merke das immer wieder bei unseren Showvorführungen wie zum Beispiel bei unserer Jahresfeier. Da macht eine Turnerin etwas auf dem Balken und die Leute klatschen wie verrückt, dabei war das der einfachste Teil der Übung“, erzählt sie, „dann kommt ein echt schweres Element und keiner applaudiert.“

Bei einem Wettkampf seien die Regularien zudem so, dass eine Athletin, die eine schwere Übung zeigt, aber dabei stürzt, dennoch eine höhere Wertung bekomme als eine, die einfacher Elemente turnt aber sauber durchkommt. So seien eben die Regeln, sagt die 24-Jährige.

„Am Barren muss man sehr gut aufpassen, man kann ja hinterher nicht fragen, ob man es nochmal sehen kann.

Am liebsten ist Jetter Kampfrichterin am Schwebebalken. „Da geht alles schön langsam“, erklärt die Studentin. Schwierig sei hingegen der Stufenbarren, weil die Übungen dort sehr schnell geturnt werden. „Am Barren muss man sehr gut aufpassen, man kann ja hinterher nicht fragen, ob man es nochmal sehen kann“, sagt die Albstädterin.

Den Videobeweis gibt es in den Ligen des Schwäbischen Turnerbundes nämlich nicht, filmen ist den Kampfrichterinnen sogar verboten. Neben einer guten Auffassungsgabe und Sachkenntnis muss man als Kampfrichterin vor allem eines haben: die Fähigkeit leserlich zu schreiben ohne auf das Blatt zuschauen. „Sonst verpasst man womöglich noch einen Sturz, es gibt Turnerinnen, die sind so Flink wieder auf dem Schwebebalken, dass man es bei einem kurzen Blick aufs Papier gar nicht merken würde“.

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