Hausen am Tann

Revierderby in Hausen: getrennt in den Farben, vereint in der Kommunalpolitik

07.12.2018

von Daniel Seeburger

Beim heutigen Revierderby feuert Hausens Gemeinderätin Ruth Egelkamp (67) Schalke 04, ihr Ratskollege Martin Beck (34) Borussia Dortmund an.

Im Ruhrgebiet gibt es neben Weihnachten, Ostern und Pfingsten noch ein weiteres Hochfest, das gleich zweimal im Jahr gefeiert wird: das Derby.

Revierderby in Hausen: getrennt in den Farben, vereint in der Kommunalpolitik

Zuviel des guten: Den königsblauen Schalke-Eisbär will der schwarz-gelb gewandete Martin Beck dann doch nicht von Ruth Egekamp annehmen. Aber ansonsten sind sich die beiden Fußballfans durchaus grün. Foto: Daniel Seeburger

Wenn Borussia Dortmund (BVB) gegen seinen Erzrivalen Schalke 04 antritt, ist das gelebte deutsche Fußballkulturgeschichte.

Heute Nachmittag ist es soweit: Um 15.30 Uhr wird das Spiel in der Veltins-Arena in Gelsenkirchen angepfiffen.

Sie ist Gelsenkirchenerin, er ist Dortmund-Fan

Wenn es losgeht, sitzen zwei Hausener vor den Fernsehgeräten und fiebern mit. Martin Beck (34), Vorsitzender des BVB-Fanclubs Zollernalb wird sein gelb-schwarzes Dress anziehen und den Dortmundern die Daumen drücken.

Ruth Egelkamp (67) dagegen hat sich schon den blau-weißen Schalke-Schal zurecht gelegt und wird auf ihre Fußballhelden zählen.

Egelkamp und Beck sehen sich öfters. Denn einerseits ist Hausen mit seinen knapp 500 Einwohner eine der kleinsten Gemeinden des Zollernalbkreises. Und andererseits machen sie als Gemeinderäte Lokalpolitik.

„Der BVB hatte immer die coolsten Nationalspieler“, erzählt Martin Beck. Da war es für ihn als Teenager klar, dass er natürlich nicht seinen Bekannten folgt, die sich eher für süddeutsche Vereine entschieden hatten. Er schwärmt heute noch von Jürgen Kohler, Stefan Reutter oder Andreas Möller – wobei der Mittelfeldspieler sechs Jahre beim BVB und drei Jahre bei Schalke spielte.

In der Jugend ging sie immer in der zweiten Halbzeit gratis ins Stadion

Eine bewusste Entscheidung für ihren Verein hat Ruth Egelkamp nie treffen müssen. Sie ist in Gelsenkirchen-Erle, sozusagen auf Kohle aufgewachsen, nicht weit vom legendären Parkstadion entfernt.

Wenn die gebürtige Gelsenkirchenerin von ihrer Jugend erzählt, gerät sie ins Schwärmen. Früher sei man in der zweiten Halbzeit immer kostenlos zu den Schalke-Spielen ins Stadion gekommen.

Sie ist in der ersten Halbzeit mit ihrer Freundin vor dem Radio gesessen und hat sich die Übertragung angehört. Nach Ende der ersten Halbzeit haben sich die beiden Mädchen aufs Rad geschwungen und sind zum Stadion gefahren.

Erst kürzlich hat Martin Beck einige Tage Urlaub genommen und ist zum Fanclubtreffen nach Dortmund gefahren. Dort hat er die Stars des BVB getroffen. Axel Witsel beispielsweise, der seit dieser Saison das Mittelfeld der Mannschaft organisiert.

Oder Marcel Schmelzer, der seit Jahren zu den Lieblingen der Fans zählt. Beck traf auch Sigi Held, eine echte Fußballlegende. Er ist heute noch eine Ikone des Dortmunder Fußballspiels.

Zusammen mit Reinhard „Stan“ Libuda bildete er Mitte der 60er-Jahre eine der effektivsten Sturmreihen der Bundesliga. Libuda ist einer der wenigen Spieler, der sowohl in Schalke als auch in Dortmund Kultcharakter genießt.

Als sich Schalke 1965 aus dem Oberhaus verabschiedete, wechselte er zum BVB – um nicht umziehen zu müssen.

Ruth Egelkamp hat Reinhard Libuda sogar persönlich gekannt. „Das war ein richtig netter Kerl“, sagt sie. Nach einem Schlaganfall starb er 1996 – mit gerade einmal 52 Jahren.

Großkreutz ist Becks Liebling

Fans der Ruhrpottmannschaften haben natürlich ihre Lieblingsspieler. Für Martin Beck ist es der Weltmeister von 2014 und geborene Dortmunder Kevin Großkreutz, der heute bim KFC Uerdingen in der dritten Liga kickt.

Großkreutz ist ein Dortmunder durch und durch. Ein Spieler, der auch heute noch in der Fankurve des Signal-Iduna-Parks anzutreffen ist. „Er war immer mit Herzblut dabei“, erklärt Martin Beck.

Ein Spieler also, dem man auch mal einen schlechten Tag verzeiht. Und davon hatte Großkreutz, der auch schon beim VfB Stuttgart spielte, nicht nur einen. Was die Fans besonders mögen: Er frotzelt mit Hingabe gegen die Schalker.

Der aus Gelsenkirchen stammende Nationaltorwart Manuel Neuer war in der Fankurve der Veltins-Arena quasi zu Hause. Als er zu Bayern München wechselte, war die Enttäuschung der Fans groß. „Ich habe ihm das persönlich übel genommen“, sagt Ruth Egelkamp.

Mehr Tempel als Sportplatz

Ob Dortmunds Signal-Iduna-Park oder Schalkes Veltins-Arena – die beiden Stadien sind mehr Tempel als Sportplätze. Hier wird Fußball nicht gespielt, sondern zelebriert.

„Das ist Gänsehaut pur“, erzählt Ruth Egelkampf von einem Besuch in der Schalker Arena.

„Es ist sensationell“, beschreibt Martin Beck die berühmte gelbe Wand ins Dortmunds guter Stube.

Mitglied sein oder nicht?

1994, als Elfjähriger, entdeckte Beck seine Sympathie für den BVB. 1999 trat er in den Verein ein. Die Mitgliedschaft bei Schalke war für Ruth Egelkamp dagegen nie ein Thema.

„Schalke ist eine große Familie“, sagt sie. Wer qua Geburt Fan ist, gehört einfach dazu. Dabei gibt es gerade bei den Mitgliedschaften eine heimliche Konkurrenz der beiden Vereine.

Und da hat Schalke im Augenblick hauchdünn die Nase vorne. Der Ruhrpottclub ist der viertgrößte Sportverein der Welt und hat aktuell 156 100 Mitglieder. Auf Platz 5 liegt Dortmund mit 155 244 Mitgliedern.

Wer wird gewinnen?

Während der BVB aktuell ungeschlagen an der Tabellenspitze steht, dümpelt Schalke im unteren Mittelfeld. Trotzdem ist Ruth Egelkamp optimistisch.

Das Derby hat eigene Regeln, erklärt sie. Vor einem Jahr lagen ihre Schalker zur Halbzeit mit 0:4 zurück und erkämpften sich trotzdem noch ein 4:4.

Dieses jetzt schon legendäre Spiel werde ihr ewig in Erinnerung bleiben. Ihr Tipp: 2:1 für die Blau-Weißen. „Gerade wenn man es nicht vermutet, klappt's“, hofft sie.

Gute und schlechte Erinnerungen an die Derbys

Während Martin Beck das 4:4 eher als Niederlage denn als Unentschieden interpretiert, leuchten seine Augen, wenn er an das Derby im Mai 2007 denkt. Da vermasselten die Dortmunder Schalke durch einen 2:0-Sieg die Meisterschaft. Sein Tipp für heute: 0:3 für den BVB.

Wenn die Herzen von Ruth Egelkamp und Martin Beck auch für zwei rivalisierenden Fußballclubs schlagen, sind sie sich einig: Rivalität im Fußball ist das eine, Gewalt aber geht gar nicht.

Schade finden die beiden Fußballfans, dass es zwischenzeitlich fast unmöglich ist, mit Kindern das Derby zu besuchen.

Die Gemeinderatsmitglieder sind sich trotz unterschiedlicher Fußballpräferenzen freundschaftlich verbunden. „Es wird manchmal gekabbelt, aber das gehört einfach mit dazu“, sagt Ruth Egelkamp und Martin Beck schmunzelt.

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