Zollernalbkreis

Reaktionen auf B27-Tempolimit: „Ein Flickenteppich an Vorschriften“

21.11.2018

von Klaus Irion, Lydia Wania-Dreher, Thomas Godawa

Der Landrat des Zollernalbkreises, Günther-Martin Pauli ist nicht erfreut über die teilweise Rücknahe von Tempo 120 auf der B 27. Auch von anderer Seite kommt Kritik am vor Gericht gefundenen Kompromiss.

Das Thema Geschwindigkeitsbegrenzung auf der B 27 polarisiert. Dafür genügt ein Blick auf die zahlreichen Kommentare auf der ZAK-Facebookseite.

Reaktionen auf B27-Tempolimit: „Ein Flickenteppich an Vorschriften“

© Fotomontage: ZAK

Noch ist es nicht soweit, doch ab Januar 2019 könnte die Geschwindigkeit auf der B27 bei Engstlatt von derzeit maximal 120 Kilometer pro Stunde auf 130 Kilometer pro Stunde angehoben werden.

Der am Dienstag vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen gefundene, aber noch nicht rechtskräftige Kompromiss – Tempo 130 zwischen Balingen-Nord und Bisingen-Steinhofen, danach Tempo 120 bis Hechingen Nord und schließlich Vollgas bis Bodelshausen – stößt gleichermaßen auf Ablehnung, Zustimmung, aber auch auf Unverständnis, „warum die Menschen solche Probleme haben“.

Landrat Pauli: Verkehr war flüssiger und sicherer

Nun ist dieses „Problem“ aber in der Welt und das Landratsamt des Zollernalbkreises, das sich stellvertretend für das Land Baden-Württemberg vor Gericht in der Rolle des Beklagten wiederfand, kommentierte in Person von Landrat Günther-Martin Pauli den Geschwindigkeitskompromiss am Mittwoch mit folgenden Worten: „Aus Sicherheitsgründen wurde 2015 die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf dem gesamten Streckenverlauf der B 27 reduziert. Dadurch konnten wir Unfälle und weitere Opfer vermeiden. Das Verkehrsgeschehen auf der B 27 lief seit der einheitlichen Regelung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit spürbar flüssiger und damit sicherer ab.“

Laut Pauli belege ein Vergleich des Unfallgeschehens vor und nach der Maßnahme diese „gefühlte Wirklichkeit“ auf der Straße statistisch: die Verkehrsunfälle seien im Streckenverlauf zwischen Balingen und Hechingen um knapp 26 Prozent zurückgegangen.

„Unfälle mit Schwerverletzten reduzierten sich sogar um über 82 Prozent.“ Der Landrat bedauert, „dass das Verwaltungsgericht unserer Auffassung nicht im Ganzen folgen konnte und die Verkehrsteilnehmer nun mit einem Flickenteppich an Vorschriften konfrontiert werden.“

Landratsamt akzeptiert wohl den Vergleich

Wie aber geht es nun aus sicht der Kreisbehörde weiter? Das Landratsamt wird laut Pauli mit den beteiligten Verkehrsbehörden der Städte Balingen und Hechingen den Vergleichsentwurf prüfen und das weitere Vorgehen abstimmen.

„Die Landkreisverwaltung beabsichtigt jetzt nicht, weitere Steuergelder für zusätzliche Gutachten auszugeben.“ Soll wohl heißen: Man wird den Kompromiss zähneknirschend akzeptieren.

Balinger Widerruf noch unklar

Ob Balingens Oberbürgermeister Helmut Reitemann ebenfalls auf einen Widerruf verzichtet, war am Mittwoch noch unklar. Wie sein Sprecher Jürgen Luppold erklärte, werde man sich in Ruhe mit den Vertretern des Kreises und Hechingens beraten.

Mit Rücksicht auf Zusagen Reitemanns gegenüber der Bevölkerung in Engstlatt hatte sich der Verkehrsbeauftragte der Stadt Balingen, Helmut Haug, vor Gericht erfolgreich für Tempo 130 auf Höhe Engstlatt stark gemacht. Im ursprünglichen Kompromiss wäre an dieser Stelle der Bundesstraße überhaupt keine Geschwindigkeitsbegrenzung vorgesehen gewesen.

Engstlatter Ortsvorsteher hat kein Verständnis für Zerstückelung

Mit Blick auf den Kompromiss, der vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen für die Temporegelung auf der B 27 gefunden wurde, erklärte der Engstlatter Ortsvorsteher Klaus Jetter, es sei ihm unverständlich, wie man auf so eine Zerstückelung der verschiedenen Streckenabschnitte kommen könne.

Nun sei zunichte gemacht, was über Jahre hinweg erstritten worden war. Am Mittwochvormittag hätten sich etliche Bürger auf der Ortschaftsverwaltung frustriert geäußert. „Betroffen sind rund 2000 Engstlatter, die jetzt wieder mehr Lärm ertragen müssen, weil die Geschwindigkeit von 120 auf 130 Kilometer heraufgesetzt werden soll. Wir werden darüber in der heutigen Ortschaftsratssitzung diskutieren. Zunächst aber müssen die Fakten auf dem Tisch liegen. Ohne die kann man keine Beurteilung vornehmen. Davon hängt ab, wie die nächsten Schritte aussehen können. Mit dem Oberbürgermeister habe ich bereits Kontakt aufgenommen“, sagt Jetter.

Tempo 130 bei Engstlatt: mehr Krach aber besser als unbegrenztes Rasen

„Zehn Stundenkilometer mehr machen drei Dezibel aus“, weiß Renate Bitzer von der Bürgerinitiative Lärmschutz Engstlatt. Aber Tempo 130 sei auf jeden Fall besser als ein unbegrenztes Rasen. Darunter leiden würden vor allem die Anwohner.

Daher fordert die Initiative eine Verlängerung der Lärmschutzwand auf Höhe von Engstlatt. Für Renate Bitzer machen die unterschiedlichen Tempolimits auf einer so kurzen Strecke keinen Sinn. „Was bringen ein paar Minuten, wenn man spätestens bei Tübingen eh wieder im Stau steht?“

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