Zollernalbkreis

Thomas Bareiß vergleicht ARD-Beitrag zum Thema Erben mit DDR-Propagandasendung

04.12.2018

von Pascal Tonnemacher

Was Staatssekretär Thomas Bareiß (CDU) zur Kritik an seinem Vergleich sagt. Mit Kommentar

14. November, kurz vor 23 Uhr. Als Teil der ARD-Tagesthemen zeigt Das Erste im Rahmen der ARD-Themenwoche Gerechtigkeit einen Beitrag zum Thema Erben. Im Fokus des knapp fünfminütigen Beitrags steht die Frage: Wie gerecht ist Erben?

Thomas Bareiß vergleicht ARD-Beitrag zum Thema Erben mit DDR-Propagandasendung

© Pascal Tonnemacher

Thomas Bareiß im März 2018 beim ZAK-Gespräch.

Die Journalisten versuchen in zwei Schritten eine Antwort darauf zu geben: Zum einen beleuchten sie mit Grafiken und Statistiken die Situation in Deutschland. Dabei geht es um Freibeträge, Erbschaftssteuersätze und die Verteilung von Vermögen, also die reine Faktenlage.

Mischung aus Fakten und Fallbeispielen

Letzter Punkt im ersten Teil des Beitrags: Firmenerben. Auch wer Firmen übernimmt, wird steuerlich begünstigt. Der Staat will so Familienbetriebe erhalten und Arbeitsplätze sichern, heißt es im Beitrag. Davon profitieren aber auch Erben von Großunternehmen, also Superreiche. „Bestehende Ungleichheiten werden verstärkt, sagen Experten, über Generationen hinweg", heißt es zum Abschluss. 

Im zweiten Teil des Beitrags sollen drei Menschen ihre Ansicht zur Gerechtigkeit des Erbens darlegen: eine Mutter aus einer Arbeiterfamilie, ein wohlhabender Unternehmer, für den Eigentum verpflichtet sowie der Geschäftsführer des Haus & Grundbesitzervereins in Stuttgart als Befürworter des Erbens, der dieses auch als wohl verdient ansieht.

Vergleich mit DDR-Propaganda

Wenige Minuten später zückt Bareiß sein Smartphone, kritisiert die Sendung, stellt ihren Status als Nachrichtensendung infrage und vergleicht die Tagesthemen mit der Aktuellen Kamera, einer staatlich gelenkten Propagandasendung in der früheren DDR. 

Fast schon skandalös wie negativ, einseitig und reißerisch das Thema #Erben und #Vererben in der „Nachrichtensendung“ #tagesthemen dargestellt wird. Die Aktuelle Kamera hätte das wahrscheinlich auch nicht anders gebracht. @ARDde#eigentum

Einigen gefällt das, der Staatssekretär, einer der erfolgreichsten Twitterer der CDU, muss aber auch Kritik einstecken. Er nähere sich damit rhetorisch der AfD an, kommentiert ein Nutzer. Ein anderer findet seinen DDR-Vergleich widerum skandalös.

Noch im März hatte Bareiß im Gespräch mit dem ZAK die Verantwortung betont, die Politiker auch im Netz tragen.  Warum er so erfolgreich ist? „Vielleicht, weil ich manchmal etwas provokativ zu tagespolitischen Themen twittere und dabei auch recht direkt meine Meinung sage“, antwortet er damals. 

Sieben Fragen, zwei Antworten

Wir haben ihn daher zu seinem provokanten Tweet befragt. Unsere sieben Teilfragen fasst Thomas Bareiß zwar zu zweien zusammen, die Frage zum eigentlichen Stein des Anstoßes, dem Vergleich mit der Aktuellen Kamera, bleibt jedoch gänzlich unbeantwortet. Wir zeigen alle Fragen und seine ausführlichen Antworten.

Glauben Sie, in Zeiten von Lügenpresse-Rufen und pauschaler Medienschelte ist ein solcher Vergleich eines ARD-Beitrags mit einer staatlich kontrollierten Propagandasendung angebracht? Sehen Sie Ihre Kritik damit als zielführend? Inwiefern sehen Sie denn in diesem Beitrag Parallelen zur staatlich kontrollierten DDR-Propagandasendung Aktuelle Kamera? Sehen Sie die Unabhängigkeit der ARD/Öffentlich-Rechtlichen/der Presse insgesamt in Gefahr?

Ich bin der Auffassung, dass Nachrichtensendungen – besonders wenn Sie von der Allgemeinheit finanziert werden –  ihre Beiträge ausgewogen zusammenstellen müssen. Gerade im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist dies wichtig. Wird dies nicht eingehalten besteht die Gefahr, dass unsere Medien enorm an Glaubwürdigkeit verlieren. Der Beitrag zum Thema Erben und Vererben wurde sehr einseitig dargestellt. Erben wurde mehr oder weniger als etwas Unmoralisches dargestellt. Darüber hab ich mich sehr geärgert und um mir auch etwas Luft zu verschaffen, habe ich dies dann auch zum Anlass genommen spontan per Twitter öffentlich meine Meinung zu sagen. Ich finde so was kann und darf auch ein Politiker tun. Deswegen greift man keineswegs die Pressefreiheit an. Im Gegenteil, auch die Medien müssen sich gefallen lassen, dass ihre Arbeit auch kritisch begleitet wird. Letztendlich kann man beim Thema Erben und Vererben unterschiedlicher Auffassung sein

Wie stehen Sie zum Thema Erben und Erbschaftssteuer? Welche (gesetzliche) Entwicklung wünschen Sie sich hier? Welchen Einfluss darauf haben Sie Ihrer Meinung nach als Staatssekretär?

Ob als Staatssekretär, Bundestagsabgeordneter oder Bürger, ich habe immer eine klare Meinung und gebe diese nicht von Amt zu Amt am Kleiderhaken ab. Ich selber glaube, dass wir im Großen und Ganzen ein ausgewogenes Erbrecht haben. Einerseits wird zum Beispiel das Vererben eines mittelständischen Unternehmens so einfach wie möglich gestaltet. Das ist wichtig zum Erhalt der Arbeitsplätze und Innovationskraft gerade für die vielen Familienunternehmen, die von einer Generation zur nächsten gehen und auch für die Zukunft bewahrt bleiben sollen. Andererseits sichert die bestehende Regelung aber auch, dass sobald großes Vermögen vererbt wird, der Fiskus nicht ganz leer ausgeht. Gerade die mittelständischen Familienunternehmen, das Rückgrat unserer Wirtschaft, sind ein entscheidender Faktor für unseren wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand. Um unseren starken Mittelstand zu schützen, haben wir das Erbschaftssteuerrecht in 2016 neu geregelt. Firmenerben werden auch künftig steuerlich begünstigt, wenn sie das Unternehmen längere Zeit fortführen und Arbeitsplätze erhalten. Das ist eine gute Regelung für den Erhalt besonders kleiner und mittelständischer Betriebe!

Kommentar: Bareiß ist mit seinem Tweet übers Ziel hinausgeschossen

Thomas Bareiß verteidigt das Erben, kritisiert ganz aktuell eine Fernsehsendung. Polarisierende Tweets sorgen für mehr Aufmerksamkeit, das weiß Bareiß. Klare Kante, das bekommt man oft von ihm. Soweit so gut.

Den Status quo beim Erben, für den seine CDU maßgeblich mitverantwortlich ist und den er befürwortet, beschreibt der ARD-Beitrag sehr treffend. Und damit auch die Ungleichheit, die so weiter in der deutschen Gesellschaft zementiert wird.

Unklar bleibt, an welcher Stelle der kritische, aber nicht einseitige und negative Beitrag unausgewogen sein soll. Diese Antwort bleibt Bareiß schuldig.

Die ARD stellt die Gerechtigkeit infrage, gibt keine abschließende Antwort oder gar die (unkritische) Staatsmeinung vor, wie es Die Aktuelle Kamera getan hatte. Nein, die Journalisten versuchen auf Basis der Fakten und dreier Menschen mit unterschiedlichen Ansichten und Vermögenssituationen die Meinungsvielfalt in der Gesellschaft zu diesem Thema abzubilden.

Wie man schlussendlich zum Thema Erben und Gerechtigkeit steht, ist nicht Stein des Anstoßes. Sachliche Kritik verträgt ein jeder Journalist, hat er zu ertragen. Das alleine stellt nicht die Pressefreiheit infrage.

Die unabhängige Arbeit der Kollegen des Öffentlich-Rechtlichen in einer Nachrichtensendung jedoch grundsätzlich infrage zu stellen und sogar mit einer Propagandasendung der DDR zu vergleichen, schießt klar über das Ziel einer sachlichen Kritik hinaus.

Dieser Vorwurf, auf den im Grunde nur noch der pauschale Lügenpresse-Ruf folgen kann, hat das Niveau eines AfD-Lautsprechers. So verlieren Medien unverschuldet und unverdient an Glaubwürdigkeit – Thomas Bareiß' Tweets aber auch.

Thomas Bareiß vergleicht ARD-Beitrag zum Thema Erben mit DDR-Propagandasendung

ZAK-Redakteur Pascal Tonnemacher.

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