Balingen

Wenn der Sinn einer eigentlich sozialen Idee verloren geht

29.10.2018

von ly/eb

Ärger mit professionellen Händlern und chaotischen Szenen unter den Besuchern: Beim Warentauschtag in der Balinger Eberthalle ging es nicht nur friedlich zu.

Die Idee ist simpel: Wer etwas nicht mehr braucht, gibt es an andere, die sich darüber freuen. Der Verein Regional Genial steht hinter dem Warentauschtag und dessen Idee. Am vergangenen Samstag ging die Warentauschbörse in der Balinger Eberthalle zum sechsten Mal über die Bühne. Mit viel Chaos. Und nun überlegen sich einige der ehrenamtlichen Organisatoren, ob eine solche Veranstaltung in Zukunft überhaupt noch Sinn ergibt. „Ich weiß aus anderen Städten, dass man dort Warentauschtage auch schon eingestellt hat“, sagt Mitorganisatorin Silke Thiercy. Die Gründe: Ärger mit professionellen Händler und unschöne Szenen unter den Besuchern.

Tausend Menschen, so schätzen die Veranstalter, haben am Samstagnachmittag den Weg in die Eberthalle gefunden. Lange vor dem offiziellen Start um 13 Uhr sammelte sich eine Menschentraube vor der Halle. Die Helfer schlüpften in die neongelben Erkennungswesten und ließen zunächst durch den Hintereingang nur diejenigen in die Halle, die Dinge abzugeben hatten. Dennoch schafften es laut Veranstalter einige, sich in die Halle zu schmuggeln, die nichts abzugeben hatten – indem sie sich vor der Tür anboten, beim Tragen zu helfen. Das Security-Personal, das der Verein im April das erste Mal einsetzen musste, erteilte einen Platzverweis.

Eine Dreiviertelstunde später schloss Mitorganisatorin Margot Möck die vordere Türe auf. Hunderte Leute warteten bereits auf den Einlass und die Frau hatte sichtlich Mühe, der Menge Herr zu werden, um überhaupt die Pforte zu öffnen. Es gab laut den Organisatoren kein Halten mehr. Die Massen stürmten die Halle. Da konnte auch Norbert Schicht, der die Spendenkasse und die Kartons für Brillen, Hörgeräte und ausgediente Handys am Eingang bewachte, nur noch mit dem Kopf schütteln.

Händler wittern Geschäft

Streckenweise gab es kaum mehr ein Durchkommen in der Halle, und die Helfer hatten buchstäblich alle Hände voll zu tun. Friedlich blieb es laut Veranstalter nicht immer. Zum einen sind da Händler, die den Warentauschtag gerne für sich nutzen möchten. Sprich: Sie horten jede Menge Dinge, schleppen diese dann nach draußen und sortieren dort aus, was sie auf Flohmärkten gewinnbringend verkaufen können. Eigentlich dürfen solche Händler erst am Ende des Tages in die Halle. Sie versuchen jedoch schon vorab, die vermeintlich besten Stücke abzugreifen. Ein Mitorganisator erzählt, dass man für die Händler extra jemanden vor Ort hat, der sich in der Szene auskennt und die Personen erkennt. Die Händler seien gegenüber den Securitykräften mehr als laut, beleidigend und zum Teil handgreiflich gewesen, berichtet Silke Thiercy.

Das Problem mit den professionellen Händlern gibt es schon seit längerem. Die Veranstalter versuchen, sie mit verschiedenen Mitteln in Zaum zu halten. Am Samstag kam es aber noch zu einer weiteren unschönen Szene. Laut Veranstalter kam es zu Streitereien zwischen verschiedenen Personengruppen. Die Organisatoren griffen ein und baten die Beteiligten vor die Tür. Mitorganisatorin Silke Thiercy wurde dabei nach eigenen Aussagen von einer Frau wüst beschimpft. Als alles beschwichtigen nichts half, wurde die Polizei alarmiert. „Die Polizei wurde um 14.10 Uhr wegen Streitereien zur Eberthalle gerufen“, erklärt Thomas Kalmbach, Sprecher des Polizeipräsidiums Tuttlingen, auf ZAK-Nachfrage. Als die beiden Streifen vor Ort gewesen sind, sei jedoch keiner mehr da gewesen. Anzeigen habe es keine gegeben, sagt Kalmbach.

Schöne Szenen: der Sinn der Veranstaltung

Laut Veranstalter gab es aber auch schöne Szenen, die den eigentlichen Sinn der Veranstaltung verdeutlichen. So fand ein älterer Herr den lang ersehnten Joghurtmacher oder eine junge Frau den dringend für die erste eigene Wohnung benötigten Kochtopf. Und genau darum, so die Veranstalter, gehe es ja beim Warentauschtag.

Und um das Gespräch. In der Caféecke boten Mitarbeiter des Integrationsunternehmend AIZ der Lebenshilfe Zollernalb unter der Ägide von Sascha Maschke Kaffee und Kuchen an. Hier wurden zum Beispiel auch vier fast fabrikneue Winterreifen an den neuen Besitzer gebracht, ohne dass diese überhaupt in die Eberthalle geschleift werden mussten. Oder die zwei prallvollen Autos eines Vaters, dessen Tochter jüngst nach Australien ausgewandert ist und die sich von all ihrem Besitz in Schwaben trennen will und muss.

Hunderte Kilo Müll

Am Ende des Tages kam ein Verwerter und nahm mit, was noch brauchbar war. Die Kolpingsfamilie holte gestern zwölf Kisten voller Bücher ab, mit dem Erlös für das Altpapier wird das Vereinskonto aufgestockt. Der Container für Altpapier, hauptsächlich Kartons, war bis zum Anschlag gefüllt. Der zweite mit Restmüll. Es waren 700 Kilogramm, schätzt der Fahrer. Darunter waren im Getümmels zu Bruch gegangenes Geschirr, alter Stühle oder selbst gebastelter Sachen.

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