Winterlingen

Städtepartnerschaften sind Gold wert

13.10.2018

von Ludwig Maag

Der Kabarettist Steffen Möller kommt nach Winterlingen. Anlass ist die zehnjährige Partnerschaft mit dem polnischen Izbica.

Steffen Möller ist in Polen der zweitbekannteste Deutsche – gleich nach Ex-Papst Benedikt. Im Interview erzählt er, wie es aus seiner Sicht um das deutsch-polnische Verhältnis steht und warum Städtepartnerschaften Gold wert sind.

Städtepartnerschaften sind Gold wert

© prv

Steffen Möller – Pendler zwischen den Welten.

Ihr Programm heißt „Keine Angst vor Polen“. Wovor haben die Deutschen Angst?

Steffen Möller: Nicht nur die Deutschen, sondern alle Europäer haben Angst vor dem Osten. Ein durchschnittlicher Schwabe fühlt sich doch schon in Leipzig nicht mehr ganz wohl. Und ein Leipziger überlegt sich drei Mal, ob er in den Ferien nach Polen oder Russland fährt. Siebzig Prozent aller Deutschen waren noch nie in Polen – und auch die anderen 30 Prozent dürften zum Großteil nur zum Zigarettenkaufen und Volltanken hinter die Grenze gefahren sein. Man hat Angst vor Diebstahl, vor der fremden Sprache. Und die Polen haben ebenfalls Angst vor dem Osten. Fragen Sie mal einen Polen, ob er schon in der Ukraine oder gar in Kasachstan war. Hallo, da wird mir doch sofort mein Auto geklaut.

Was können Städtepartnerschaften leisten, um Vorurteile abzubauen?

Steffen Möller: In den letzten Jahren hatte ich schon mehrfach die Situation wie in Winterlingen, dass westdeutsche Städte und Gemeinden mich im Rahmen ihrer Partnerschaft mit einer polnischen Gemeinde zu einem Gastspiel einluden. Ausgelöst wurden diese Initiativen meist, weil man bemerkte, wie wenig die Nachbarländer übereinander wissen. Deshalb sind Städtepartnerschaften Gold wert, weil sie viele Leute auf lokaler Ebene miteinander in Kontakt bringen und zum gegenseitigen Verständnis beitragen.

In Polen ist die nationalkonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) an der Macht. In Deutschland blick man mit Sorge auf das Nachbarland? Wie berechtigt ist das?

Steffen Möller: Das ist aus deutscher Sicht sehr berechtigt, da die neue Administration keine großen Sympathien für Deutschland hat, vorsichtig gesagt. Viele Polen sind allerdings sehr zufrieden, da sie jetzt mehr Kindergeld als früher kriegen und das Rentenalter abgesenkt wurde. Doch die Besorgtheit funktioniert auch umgekehrt. Neunzig, vielleicht 95 Prozent der Polen halten die Politik Angela Merkels für einen großen Fehler. Also – wir leben hüben wie drüben in besorgten Zeiten, und das ist für das Kabarett immer schön.

Sie pendeln zwischen Berlin und Warschau. Wo sind Sie zu Hause?

Steffen Möller: Drei Tage fühle ich mich in Deutschland wohl, vier Tage in Polen. Es ist ein Leben in zwei Ländern. Man wird dadurch leicht schizophren. Solange ich mich in Polen aufhalte, mutiere ich zum 100-prozentigen Polen. Ich mache den Frauen Komplimente, halte ihnen die Tür auf, helfe ihnen in den Mantel, bezahle ihnen im Restaurant die Rechnung – und sobald ich nach Deutschland komme, teile ich im Restaurant streng die Rechnung, gehe als erster durch die Tür und würde einer Frau niemals ein Kompliment machen, weil sie mich sonst als Stalker anzeigt. Außerdem habe ich in Polen ein anderes Verhältnis zum Wohnen. Wie alle anderen Leute habe ich mir in Warschau eine Wohnung gekauft – während ich in Deutschland miete. Diese Mieterei kann kein Pole verstehen. Lieber nimmt ein Pole einen 30-jährigen Kredit auf und isst nur noch Senfbrote. Kurz und knapp: Am wohlsten fühle ich mich im Eurocity-Zug Berlin-Warschau.

Es gibt in Polen praktisch keinen bekannteren Deutschen als Sie. Was an Ihnen hat die Polen so fasziniert?

Steffen Möller: Ich kann den wichtigsten polnischen Zungenbrecher fehlerfrei runterrattern: W Szczebrzeszynie chrzaszcz brzmi w trzcinie. Zu Deutsch: In Szczebrzeszyn (einer Kleinstadt in Südostpolen) zirpt ein Käfer im Schilf. Wer so was kann, hat eigentlich schon automatisch eine eigene TV-Show. Und wenn man dann auch noch Witze über Deutsche macht, dann ist man eben ein Fernsehstar. Es gibt nichts, was die Polen mehr schätzen als Selbstironie – und von einem Deutschen erwarten sie sie zuallerletzt.

Was müssen die Winterlinger tun, damit aus der Städtepartnerschaft eine echte Liebesbeziehung wird?

Steffen Möller: Erstens: Sie müssen da hinfahren. Und zweitens: Sie müssen zu meinem Auftritt kommen. Denn da erfahren sie nicht nur, wie seelenverwandt wir mit den Polen sind, sondern ich bringe ihnen auch einige hilfreiche Wörter bei. Und am Ende lernen sie sogar noch den wichtigsten polnischen Tanz. Wer alle Tipps und Wörter fleißig mitschreibt, dem prophezeie ich in Polen glänzenden Erfolg und garantiere, dass sie in Polen zehn Mal herzlicher aufgenommen werden als in Venedig, Paris oder Barcelona.

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