Dautmergen

Die Suche nach dem Cousin führt auf den KZ-Friedhof

08.10.2018

von Daniel Seeburger

Tomas Kertész aus Stockholm besuchte die letzte Ruhestätte von Otto Kertész, der am 8. März 1945 mit 21 Jahren im Lager Dautmergen starb.

Tomas Kertész kommt an einem warmen Frühherbsttag, kurz nach 18 Uhr mit dem Auto in Schömberg an. Auf dem Parkplatz der Bäckerei Bayer wartet Brigitta Marquart-Schad, Vorstandssprecherin der Initiative Eckerwald, auf ihn. Kertész besucht das Schlichemtal nicht wegen seiner landschaftlichen Reize. Er ist auf Spurensuche. Sein Cousin Otto Kertész aus Budapest starb am 8. März 1945 im KZ Dautmergen. Er wurde gerade einmal 21 Jahre alt.

Die Suche nach dem Cousin führt auf den KZ-Friedhof

© Daniel Seeburger

Tomas Kertész aus Stockholm fand auf dem KZ-Friedhof Schömberg die letzte Ruhestätte seines Cousins Otto Kertész. Brigitta Marquart-Schad informierte den Besucher ausführlich.

Brigitta Marquart-Schad begrüßt Tomas Kertész und überreicht ihm einen Auszug aus dem Sterberegister, in dem der Name und der Todestag seines Cousins aufgeführt sind. Zur Todesursache des 21-Jährigen gibt es in diesem Dokument keine Angaben.

Sein Vater habe seine erste Familie komplett verloren, erzählt Tomas Kertész. Seine erste Ehefrau und deren drei gemeinsame Töchter wurden in Auschwitz vergast. Sein Vater hat nach dem Krieg noch einmal geheiratet. Der sei schon 51 Jahre alt gewesen, als sein Sohn geboren wurde, erzählt Tomas Kertész. „Ich bin auf den Spuren meiner Familiengeschichte“, erklärt er. Kertész ist in Ungarn geboren und in Schweden aufgewachsen. Er ist als Bibliothekar an der Universität von Stockholm tätig.

Brigitta Marquart-Schad begleitet Tomas Kertész auf den KZ-Friedhof in Schömberg. Als er auf der Erinnerungsstele den Namen seines Cousins entdeckte, verharrte er nachdenklich.

Die Vorstandssprecherin der Initiative Eckerwald erklärt Kertész die Geschichte der Konzentrationslager, die Außenlager des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof gewesen sind. Die Häftlinge mussten unter unmenschlichen Verhältnissen für die Kriegsmaschinerie der Nazis aus Schiefer Rohöl gewinnen. Im August 1944 sei das Lager Dautmergen auf sumpfigem Gelände aufgebaut worden. Über 12.000 Gefangene aus verschiedenen Konzentrationslagern, unter anderem Teilnehmer am Warschauer Aufstand, wurden nach Dautmergen gebracht und mussten zuerst das Lager aufbauen. Von August 1944 bis Mitte April 1945 kamen allein im KZ Dautmergen 1777 Menschen zu Tode.

Brigitta Marquart-Schad weist im Gespräch mit unserer Zeitung darauf hin, wie wichtig es für die Nachkommen der Opfer sei, einen Ort für die Trauer zu haben, an dem sie ihrer Verwandten gedenken können. Die Verbindung zur Initiative Eckerwald werde oft intensiv gepflegt.

Tomas Kertész hat den Ort gefunden, an dem sein Cousin als Gefangener des nationalsozialistischen Unrechtssystems wenige Wochen vor Kriegsende gestorben ist. Die Dämmerung bricht herein. Trotzdem fährt Kertész zusammen mit Marquart-Schad weiter in den Eckerwald zwischen Schörzingen und Zepfenhan, an die Stelle, an der sein Cousin zur Arbeit gezwungen wurde.

Hier schließt sich der Kreis, hier findet die Suche nach der eigenen Familie einen vorläufigen Abschluss. Für Tomas Kertész hat dieser Platz des Grauens, der bisher nur einen Namen hatte, nun ein Gesicht bekommen. Es ist für ihn jetzt auch ein Ort des Erinnerns.

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