Hechingen

Notruf missbraucht: Acht Monate auf Bewährung für Intensivtäter

27.08.2018

von Michael Würz

Weil er wollte, dass die Polizei ihn nach Hause fährt, hat ein Mann aus Albstadt einen Überfall vorgetäuscht. 

Notruf missbraucht: Acht Monate auf Bewährung für Intensivtäter

© Michael Würz

Das Landgericht Hechingen.

Missbrauch des Notrufs, Vortäuschen einer Straftat: Für diese Taten im vergangenen Jahr hatte das Amtsgericht einem 37-Jährigen eine achtmonatige Bewährungsstrafe aufgebrummt. Aufgrund seines stattlichen Vorstrafenregisters und weil die Zukunftsprognose des Mannes nicht rosig sei, hatte die Staatsanwaltschaft Hechingen Berufung gegen das aus ihrer Sicht zu milde Urteil eingelegt. Bereits vor zwei Wochen hätte das Landgericht Hechingen deshalb erneut über das Strafmaß entscheiden sollen; der Angeklagte allerdings war nicht erschienen. Am Dienstagmorgen dann ein neuer Termin, der Mann stand pünktlich auf der Matte.

Ein Intensivtäter

Landgericht Hechingen, Sitzungssaal 168. Hier hatte sich der Mann bereits in jungen Jahren zu verantworten: Wegen versuchten Mordes wurde er hier zu seiner längsten, einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt. Es war die schlimmste Tat im Laufe einer langjährigen kriminellen Karriere.

Nur einige Delikte: Fahren ohne Fahrerlaubnis, gefährliche Körperverletzung, Strafvereitelung, Sachbeschädigung, Verstöße gegen Auflagen der Bewährungshilfe und – was den Vorsitzenden Richter Volker Schwarz – besonders verblüffte: immer wieder Drogenbesitz, und zwar in der JVA Rottenburg. Wie schwierig es sei, im Gefängnis an Drogen zu kommen, hakte Schwarz nach. „Nicht besonders schwer“, sagte der Angeklagte.

Einsperren und weg?

„Wir leben in einer Zeit, in der Volkes Wille wieder regieren will“, sagte Verteidiger Roland Tralmer. „Einsperren und weg, das wäre wohl die Forderung der meisten.“ Tatsächlich falle es auf den ersten Blick schwer, dem Angeklagten eine günstige Zukunftsprognose auszustellen, sagte auch Richter Schwarz. Angesichts der Schilderungen des Angeklagten über den regen Drogenkonsum in der JVA signalisierte jedoch auch der Staatsanwalt schnell: In Haft dürfte der 37-Jährige sein Drogenproblem wohl kaum in den Griff bekommen – im Gegenteil.

Stattdessen hat eine Tübinger Praxis für Schwerabhängige den Mann kürzlich in ihr Substitutionsprogramm aufgenommen. „Ein Glücksfall“, bestätigte die Bewährungshelferin des Mannes. Andere Ärzte, auch im Kreis, hatten den Mann in der Vergangenheit abgelehnt. Der Staatsanwalt zog die Berufung daher zurück, der Richter mahnte: „Nutzen Sie Ihre Chance.“

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