Balingen-Weilstetten

Der Maulkorb des Kangals war verrutscht

16.08.2018

von Nicole Leukhardt

In Weilstetten wurde ein Australian Shepherd am Montag von einem türkischen Hirtenhund zum zweiten Mal attackiert und in Hals und Kiefer gebissen. 

Der Maulkorb des Kangals war verrutscht

Vom Angriff des Kangals gezeichnet: der Australien Sheperd von Familie Ilitsch. Foto: privat

Anja Ilitsch wollte eigentlich nur eine Runde mit ihrer acht Monate alten Tochter im Kinderwagen und dem Familienhund Adonis durch Weilstetten drehen. Der Spaziergang am Montag indes endete dramatisch: Schon von weitem erkannte sie den Kangal, der ihren Hund, einen Australian Shepherd, schon einmal angegriffen hatte. Sie machte kehrt, um eine Begegnung zu vermeiden. Der Kangal jedoch hatte den anderen Hund bemerkt, riss sich los und biss Adonis in den Kiefer und den Hals.

Eine tickende Zeitbombe?

„Es ist das zweite Mal, dass uns das mit diesem Kangal passiert“, bestätigt Sascha Ilitsch auf ZAK-Nachfrage. Er hatte den Vorfall wenige Zeit später auf Facebook gepostet und viel Resonanz erhalten. Auch beim ZOLLERN-ALB-KURIER meldeten sich Leser, um ähnliche Beobachtungen zu schildern. „Der Hund ist eine tickende Zeitbombe“, formulierte es eine Anruferin. Sascha Ilitsch kennt viele, die mit dem Kangal bereits schlechte Erfahrungen gemacht haben. „Bisher ist aber nichts getan worden“, sagt er, hörbar gefrustet.

Sascha Ilitsch schildert Todesangst seiner Frau

„Meine Frau hatte einen Schock“, sagt Sascha Ilitsch, auch ein paar Tage später noch immer erschüttert. Minutenlang sei sie mit den beiden Hunden und ihrem Kinderwagen alleine gewesen, bis die Halterin schließlich zu Hilfe gerufen werden konnte. „Meine Frau konnte nichts tun und hatte Todesangst, auch um unser Kind und unseren Hund“, erzählt Sascha Ilitsch. „Wir hatten Glück, ich will mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn der Kinderwagen umgefallen und die Kleine auf den Boden gestürzt wäre“, beschreibt er.

Kangal bestand Wesenstest

Am Montag kam es glücklicherweise nicht dazu: Zeugen eilten zu Hilfe und riefen die Polizei, die den Vorfall aufnahm. Dies bestätigt Pressesprecher Thomas Kalmbach vom Polizeipräsidium Tuttlingen und ergänzt: „Auch die Halterin des Hundes musste ärztlich versorgt werden, weil sie blutete.“ Nach einem früheren Vorfall musste sich der türkische Hirtenhund bereits einem Wesenstest unterziehen, den er bestanden hat, wie unsere Recherchen ergaben. Die Konsequenzen aus weiteren Überprüfungen: Leinenpflicht und Maulkorbzwang. Wie der Hund, den Ilitsch als tischhoch beschreibt, seinen Hund trotzdem beißen konnte, ist noch unklar. „Der Maulkorb ist verrutscht und hing nur noch über der Schnauze“, erzählt er.

Was beim Wesenstest geprüft wird

„Die Verhaltensprüfung dient der Feststellung, ob ein Hund eine gesteigerte Aggressivität oder Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweist“, erklärt Oberbürgermeister Helmut Reitemann auf Nachfrage. Sie werde von den Landratsämtern durchgeführt. Bei dieser Prüfung werde beispielsweise darauf geachtet, ob der Hund eine Grundgehorsamkeit aufweist und sich unterordnet. Auch prüfen die Fachleute, wie er sich Fahrzeugen, fremden Personen oder Tieren gegenüber verhält und wie er auf akustische und optische Reize reagiert. Zeigt der Hund Anzeichen einer gesteigerten Aggressivität oder Gefährlichkeit, wie zum Beispiel Beißbewegungen, Beißen oder Beißversuche, Angreifen oder Angriffsversuche, ist die Prüfung abzubrechen und gilt als nicht bestanden, heißt es in der Verordnung.

Stadt will Sache weiter verfolgen

Dasselbe gilt, wenn der Hund durch starke Zwangsmittel zum Gehorsam gebracht werden muss, nur schwer beruhigt werden kann, oder wenn neben dem Hundeführer eine weitere Person eingreifen muss. Besteht der Hund diese Tests, bekommt der Halter eine Bescheinigung, in der steht, dass der Hund aufgrund des in der Prüfung gezeigten Verhaltens zum Zeitpunkt der Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die Eigenschaft als gefährlicher Hund besitzt. Für Sascha Ilitsch und seine Familie ist die behördliche Einstufung ein schwacher Trost. „Wir können jetzt nur hoffen, dass nicht noch mehr passiert“, sagt der Weilstetter. Oberbürgermeister Helmut Reitemann versichert: „Wir werden diese Sache weiter verfolgen.“

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