Schömberg/Schörzingen

Kollektives Kragenplatzen über Baurichtlinien und Artenschutz

27.07.2018

von Daniel Seeburger

Einem Schwaben platzt nicht so schnell der Kragen. Es sei denn, es kommt ganz dicke. Im Schömberger Gemeinderat konnte man am Mittwochabend mitverfolgen, dass Kragenplatzen sogar kollektiv möglich ist. Kommentar.

Nachdem die Neuapostolische Kirche in Schörzingen geschlossen wurde, kaufte ein bauwilliger Bürger das Kirchengebäude in der Hochbergstraße, das sich nicht großartig von den anliegenden Wohnhäusern unterscheidet. Die Kubatur der früheren Kirche sollte nicht verändert werden, lediglich ein Carport ist auf dem Grundstück geplant. Wer jetzt denkt, nach dem Kauf könnte mit dem Innenausbau begonnen werden, hat sich getäuscht. Da aus der Kirche ein Wohnhaus werden soll, bedeutet das baurechtlich eine Nutzungsänderung. Soll heißen, der Bebauungsplan muss geändert werden – auf Kosten des Eigentümers. Und zwar mit dem ganzen Pipapo, das eine Bebauungsplanänderung so mit sich bringt.

Kollektives Kragenplatzen über Baurichtlinien und Artenschutz

© Rosalinde Conzelmann (Archiv)

Die ehemalige Neuapostolische Kirche in Schörzingen.

Nachdem in diesem Bebauungsplanverfahren die so genannten Träger öffentlicher Belange ihre Stellungnahmen abgegeben hatten, ergab sich ein neues Problem. Das Natur- und Denkmalschutzamt beim Landratsamt wies darauf hin, „dass entsprechend neuester EU-Rechtsprechung nicht auf die Abarbeitung der Umweltbelange verzichtet werden darf.“ Konkret wurde der Artenschutz angesprochen. Es müsse eine fachlich belegbare Einschätzung zum Vorkommen streng geschützter oder besonders geschützter Arten erstellt werden, heißt es in der Stellungnahme des Amts. Vor allem ob ein Fledermausquartier vorliegt, müsse geprüft werden.

Da war selbst Bauverwaltungsamtsleiterin Sabine Neumann baff: „Damit haben wir nicht gerechnet.“ Er wolle die Situation bei Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut ansprechen, versprach Bürgermeister Karl-Josef Sprenger. Schörzingens Ortsvorsteherin Birgit Kienzler zeigte sich verärgert: „Das ist der Knüller“. Ähnlich kritisch sah Sascha Ströbel die Situation: „Das sprengt den bürokratischen Rahmen“.

Dieser Vorgang ist ein Paradebeispiel dafür, wie Bürokratie Vernunft eindämmen kann. Durch eine Umnutzung wird zusätzlicher Wohnraum in einem besiedelten Gebiet geschaffen. Genau das also, was heutzutage immer wieder gefordert wird: Mehr Wohnraum – aber nicht auf der grünen Wiese. Ökologisch bauen heißt auch, so wenig Flächenversiegelung wie möglich. Solange in dem Gebäude gebetet wurde, interessierte sich von Amts wegen niemand für eventuelle Fledermauspopulationen. Erst mit der Umnutzung des Gebäudes soll es dann relevant – und wieder auf Kosten des Bauherrn untersucht werden.

Er wartet nun weiter darauf, endlich mit dem Innenausbau beginnen zu können. Und wartet ...

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